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Die verzweifelte Suche nach Integrationslösungen
EAI, Workflow, CRM, Integration Server, Middleware ... ?
Artikel von Martin Fichter, Senior-Berater bei der PROJECT CONSULT Unternehmensberatung, Hamburg, email an: Martin.Fichter@PROJECT-CONSULT.com.
Einleitung
Immer häufiger stehen Unternehmen vor der Notwendigkeit, ihre heterogenen DV-Lösungen zu optimieren. Da die weitgehende Ablösung durch eine integrierte Gesamtlösung häufig nicht möglich ist, werden Wege zur Integration der bestehenden Applikationen gesucht. Eine Orientierung selbst in Bezug auf die benötigte Systemkategorie stellt viele Unternehmen auf Grund des Wildwuchses von Definitionen, Schlagworten und Leistungs-beschreibungen vor erhebliche Probleme und Investitionsrisiken.
Warum Integrationslösungen wieder interessant werden
Die Beweggründe für eine intensive Beschäftigung mit dem Thema Integrationsanforderungen sind im wesentlichen die gleichen wie schon vor zehn Jahren. Da sind zunächst die exponential steigenden Kosten für Pflege und Wartung der bestehenden Applikationen zu nennen. Zum anderen sind Change Management-Erfordernisse und Anforderungen der Fachabteilungen zur Realisierung neuer Bearbeitungsabläufe sowie komplett neuer Applikationen die Ursache. Immer öfter müssen zudem bisher getrennte DV-Lösungen im Rahmen von Unternehmensfusionen zusammengeführt werden. Weiterhin sind viele Unternehmen nach wie vor auf die Entwicklung von Individuallösungen angewiesen und wieder andere verfolgen die „Strategie,“ möglichst viele unterschiedliche (Abteilungs-) Lösungen ein-zuführen. Die Folge sind eine Fülle von Insel-lösungen mit zahlreichen Schnittstellen-problemen, redundanter Datenhaltung mit Aktualitäts- und nicht selten Konsolidierungs-problemen sowie erhebliche Einschränkungen in der Umsetzung neuer Geschäftserfordernisse. Die entstehenden Kosten zur Sicherstellung des Betriebs und des Change Managements wachsen mittlerweile exponentiell. Gleichzeitig sinkt die Handlungs-fähigkeit der IT-Abteilung, und das in einem Umfeld, in dem immer höhere Anforderungen an Flexibilität und Geschwindig-keit gestellt werden.
Orientierungsprobleme
Was sollen die Unternehmen machen, die ihre Systemlandschaft konsolidieren und vielleicht sogar eine neue IT-Strategie einführen wollen? Welche Themen sind zu berücksichtigen und welche Lösungen am Markt sind geeignet, diese Vorhaben zu unterstützen? Fragen, die durch das Angebot und die Vielfalt der Bezeichnungen nicht geklärt werden, sondern häufig genug zu noch mehr Verwirrung führen. Hierzu gehört auch, dass bestimmte Themen scheinbar entweder von anderen als Bestandteil mit abgedeckt werden oder aber auf abgegrenzte Einsatzbereiche konzentriert werden. So finden sich im begrifflichen Umfeld von EAI ebenfalls Bezeichnungen wie CRM, SCM, eBusiness, B2B, Workflow, Middleware, Messaging, point-to-point-Verbindungen, CORBA, Publish/Subscribe, Hub & Spoke, Integration Server, Adapter, Layer, Schichten- Architektur und noch einige andere mehr. So verwundert es nicht, dass sich Unternehmen auf einen der angebotenen Hypes wie beispielsweise Middleware stürzen und versuchen, mit oftmals diffusen Anforderungen eine universell einsetzbare und zukunftssichere Lösung mit einem Produktanbieter zu realisieren. Die Ergebnisse solcher Versuche sind in den meisten Fällen vorprogrammiert. Aber auch der Einsatz von externen Beratern bietet nicht automatisch mehr Sicherheit. Zu häufig werden Einzelberater oder Beratungshäuser beauftragt, die entweder bereits im Unternehmen zum Einsatz kamen oder über eine hohe Marktdurchdringung verfügen. Beide Kriterien sind jedoch keine Gewähr dafür, dass auch ausreichende Kenntnisse zu dem Themenbereich vorhanden sind. Gerade produktgebundene Berater kennen oftmals nur einen kleinen Ausschnitt des Anforderungsprofils und des Marktangebots. Andere sind darauf angewiesen, sich im Rahmen des Projekts erstmals mit der Thematik vertraut zu machen. In beiden Fällen sind mitunter gravierende und zahlreiche Fehler in der Vorgehensweise und den auf-berei-teten Untersuchungsergebnissen zu beobachten.
Worauf es wirklich ankommt
Beobachtet man die Vorgänge in verschiedenen Unternehmen, so lassen sich vereinfacht folgende Bereiche mit Handlungsbedarf lokalisieren:
   
 ·
Festlegung der IT-Strategie
 ·
Klärung der Anforderungs- bzw. Problembereiche
 ·
Klärung der technischen Erfordernisse
 ·
Interner Klärungsprozess von Angeboten und Begrifflichkeiten
 ·
Evaluierung des Anbietermarktes
 ·
Bewertungen unter Preis-/Leistungs-Gesichtspunkten
IT-Strategie
In der IT-Strategie wird in vielen Unternehmen auf gewohnte Konzepte gesetzt. Hierzu gehören die kurzfristige Umsetzung von fachlichen Anforde-rungen, erprobte programmiertechnische Metho-den, produktorientierte Entscheidungen und Ab-sicherung durch die Entscheidung für sogenannte Marktführer. Zu selten werden für die gesamte IT gültige Modelle für eine einheitliche System-architektur erarbeitet und konsequent umgesetzt. Dort, wo es versucht wird, bleibt der Ansatz oftmals bereits an der Oberfläche stecken, so dass konkrete Realisierungen die ursprünglichen Absichten unterlaufen.
Im Umfeld von Überlegungen zur Einführung von EAI gehören jedoch grundsätzliche Erörterungen der IT-Infrastruktur, zukunftsweisende System-architekturen mit entsprechenden Integrations- bzw. Ablösungsplänen der vorhandenen Platt-formen und Applikationen sowie Richtlinien für zukünftige Anwendungsentwicklungen in eine allgemeingültige IT-Strategie.
Anforderungs- / Problembereiche
Je nach spezifischer Ausgangssituation lassen sich in Unternehmen regelmäßig Bereiche wie Geschäfts-pozesssteuerung, Datenflusssteuerung und Schnittstellen herauskristallisieren. Häufig werden alle Bereiche als Anforderung in ein Projekt eingebracht. Im Bereich Workflow ist zu beobachten, dass Geschäftsprozessanalysen an der Systemwirklichkeit vorbeilaufen. Allein die Anzahl und Vielfältigkeit von Einzeltätigkeiten bzw. einzugebenden Einzeldaten ohne Kenntnis vom Aufbau von Workflowsystemen führt häufig nicht nur zu unter- sondern genauso häufig zu überdimensionierten Lösungen. Geschäfts-prozesse, die auf dem Papier noch imponierend aussehen, verkommen bei der ersten Beispiel-Implementierung dann sehr schnell zu einer Luftblase. Auch der Begriff Middleware gehört grundsätzlich erst mal zu einer modernen IT-Infrastruktur. Leider wissen Unternehmen kaum, was solch eine Middleware eigentlich ausmacht und welche Vorteile man tatsächlich damit realisiert. Die Frage nach den einzelnen Komponenten und der Bewertung, welche von ihnen unter Gesichtspunkten wie Einführungs-aufwand, Projektkomplexität und damit Beherrschbarkeit sowie systemtechnischen Aus-gangs-bedingungen wirklich notwendig sind, wird nur sehr selten beantwortet.
Technische Erfordernisse
Grundlage einer Bewertung technischer Erfordernisse bilden die klassischen Größen Performanceanforderungen, Transaktionsvolumen, Komplexität der Datenflüsse und Geschäfts-prozesse sowie Betriebs- und Backup-Zeiten. Die Gründe für einzelne Problemstellungen können dabei sehr unterschiedlich sein und Maßnahmen sind individuell zu entscheiden. Dabei bilden technische Reaktionen allein ohne begleitende organisatorische Maßnahmen nicht immer einen nachhaltigen Lösungsansatz. Weiterhin spielen architektonische Strategien in Auswahlverfahren für Systemkomponenten sowie kompletter Systeme eine wesentliche Rolle.
Interner Klärungsprozess
EAI und Workflow werden in vielen Unternehmen zusammen als ein Thema behandelt. Dabei wird nur selten die Komplexität in ausreichender Form erkannt und gewürdigt. Für viele ist das Thema allerdings auch einfach zu undurchschaubar. Die Schwierigkeiten beginnen bereits bei der Trennung von Geschäftsprozess- und Datenflussregeln. Richtig problematisch wird das Thema EAI spätestens dann, wenn Unternehmen versuchen, die Strukturen und Zusammenhänge der benötigten Komponenten herauszuarbeiten. Hier geht es dann sehr schnell um Fragen der Basistechnologie, das Mapping von Formaten, Unterstützung eines neutralen Formats, die Verbindung zwischen Adaptern, Messagingsystem und Integration Server, Art der Adressierung u.v.m.. Notwendige Klärungen von Eigenschaften, Leistungsfähigkeit und Zusammenspiel einzelner Komponenten erfolgen viel zu häufig gar nicht oder nur rudimentär. Damit wird eine wichtige Voraussetzung für die interne und auch externe Kommunikation nicht erfüllt. Die eigene Definition und Abgrenzung von Begrifflichkeiten und mit ihnen verbundene Produktansätze sind jedoch in diesem Umfeld sowohl für die erfolgreiche Projektabgrenzung und –durchführung als auch für das Auswahlverfahren und Vertrags-verhand-lungen wesentliche Erfolgsfaktoren. Die Anbieter sowohl von EAI-Lösungen als auch von Work-flowlösungen tragen von sich aus wenig zum Klärungsprozeß bei. Zu sehr sind die Anbieter in ihrem Lösungsverständnis auf den eigenen Produktansatz beschränkt. So ist beispielsweise zu beobachten, dass einige Anbieter von EAI-Lösungen zwar von Workflow reden, das Produkt jedoch nur auf die Regelung von Datenflüssen ausgelegt ist. Auf der anderen Seite halten sich Workflowanbieter zum Thema EAI bedeckt und weisen darauf hin, dass sie über umfangreiche Erfahrungen in der Anbindung von Fremd-applikationen verfügen. Kaum ein Anbieter oder Integrator, der sich wirklich in der technischen Tiefe mit der Leistungsfähigkeit und Verwend-barkeit von EAI-Komponenten auseinandergesetzt hat.
Evaluierung des Anbietermarktes
Unternehmen, die sich sowohl mit Workflow als auch mit EAI auseinandersetzen, müssen sich darüber bewusst sein, dass es für beide Bereiche einen eigenen Anbietermarkt gibt. Nur in sehr wenigen Fällen gibt es „echte“ Komplettanbieter. Sowohl die unternehmensindividuellen Anforde-rungen als auch die jeweiligen Leistungsmerkmale der Lösungen sind von ausreichender Komplexität, um getrennte Auswahlverfahren durchzuführen. In jedem der beiden Bereiche gibt es des weiteren zum Teil erhebliche Unterschiede im Aufbau und der Funktionsweise einzelner Lösungen. Diese Unterschiede sind in ausreichendem Maß herauszuarbeiten und für Produktbewertungen heranzuziehen. Viele Kriterienkataloge, die zwar Unmengen von Daten abfragen aber ohne ein Gesamtverständnis zusammengeschrieben wurd-en, bringen keine wirkliche Entscheidungs-hilfe sondern verursachen nur unnötigen Aufwand.
Bewertung unter Preis-/Leistungs-gesichtspunkten
EAI-Lösungen wie auch Workflowsysteme bieten unbestreitbar eine Reihe an Nutzeneffekten. Damit diese zum tragen kommen, müssen allerdings sowohl die Rahmenbedingungen als auch die Vorstellungen ihres Einsatzes im Unternehmen stimmen. Allein die Preise der Adapter können je nach Anbieter ein Volumen erreichen, mit dem Unternehmen in anderen Bereichen komplette Projekte abwickeln.
Wie Unternehmen dem Dilemma entgehen können
EAI und Workflow sind umfangreiche und schwierige Themen. Sie bieten vielfältige Möglichkeiten für Fehler sowohl in der Vorbereitung als auch in der Umsetzung. Aus diesem Grund sollten die Notwendigkeiten und alternativen Maßnahmen in ausreichendem Maß geklärt werden. Solange die vorhandenen Potentiale zur Reduzierung von Komplexität nicht ausgeschöpft werden, wird ein Teil dieser Komplexität immer auch in die EAI-Lösung fortgeschrieben und bestimmte Probleme gegebenenfalls nur verlagert. Anwender stehen weiterhin in der Pflicht, sich intensiv mit der Thematik auseinander zu setzen. Das beinhaltet sowohl die Beschäftigung mit Bezeichnungen, da sich hinter diesen Produkte unterschiedlicher Couleur verbergen, die Auseinandersetzung mit Systemarchitekturen und Funktionsweisen sowie die Bildung einer Vorstellung, wie zum einen die Anwender mit dem System arbeiten sollen und wie zum anderen das Gesamtsystem interagieren soll. Hierzu sind in einem gewissen Umfang jedoch bereits Kenntnisse von den Funktionsweisen der Systeme notwendig. Trotzdem, werden diese Aufgaben vernachlässigt, ist weder eine adäquate Vorbereitung für eine solide Systemauswahl noch für eine Pilotierung oder für eine schnelle Realisierung möglich. Da viele Unternehmen überfordert sind, diese Aufgaben aus Eigen-leistung heraus zu erbringen, ist i. d. R. der Einsatz externer Unterstützung unumgänglich. Hier stehen die Unternehmen jedoch ebenfalls vor der Schwierigkeit, wirklich qualifiziertes Beratungs-Know-how zu finden. Da in der gesamten Beratungsbranche das Personalkarussell heftig rotiert, reicht mittlerweile der Nachweis des Beratungshauses nicht mehr aus, dass ent-sprechende Projekte durchgeführt wurden. Zu häufig sind die an diesem Projekt beteiligten Personen nicht mehr verfügbar. Darüber hinaus sind viele Beratungshäuser an einen oder zwei Produkthersteller gebunden, so dass trotz vorhan-dener Erfahrungen sowohl die Eigeninteressen als auch die eingeschränkten Produktkenntnisse den Anforderungen und Wünschen des Anwenders zu wider laufen können. Um ein möglichst um-fassendes und breit fundiertes Wissen einzu-kaufen, sollten daher möglichst unabhängige und fachlich kompetente Berater gesucht werden. Nur diese sind frei genug, um den Markt und die einzelnen Produkte nach möglichst objektiven Gesichtspunkten zu bewerten. (MF)
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