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GDPdU - ein Entwurf erregt die Gemüter
Hamburg – Die Anpassung der deutschen Gesetzgebung an europäische Vorgaben wie die elektronische Signatur und die sich dramatisch verändernde Situation im Umfeld der digitalen Kommunikation hat weitreichende Folgen auch für die elektronische Archivierung. Bereits im Oktober 2000 hatte PROJECT CONSULT in verschiedenen Trendbeiträgen und im PROJECT CONSULT Newsletter hierauf aufmerksam gemacht. Die Grundlagen für neue Anforderungen zur Archivierung digitaler Geschäftsunterlagen finden sich bereits in den Änderungen von HGB AO, die im Zuge der Steuerreform im Jahr 2000 verabschiedet wurden. Hierzu wurde quasi als Ausführungsbestimmung die GDPdU geschaffen, in der die Verwendung der elektronischen Signatur verankert ist und der Zugriff der Finanzbehörden auf Datenbestände in den Unternehmen konkretisiert ist.
GDPdU Error 404
GDPdU steht für "Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen" und scheint zur Zeit eines der meist diskutiertesten Themen in bestimmten Bereichen zu sein (siehe dazu auch diesem Newsletter „In der Diskussion“). Gerade diese Diskussion wird aber momentan vom Bundesfinanzministerium ( http://www.bundesfinanzministerium.de ) gescheut, weshalb wohl auch die noch bis vor wenigen Tagen gültige Fassung aus den Informationen zu Steuerreform 2000 im Internet entfernt worden ist.
Doch eigentlich hat das Versteckspiel viel früher angefangen. Bereits im Oktober des vergangenen Jahres wurde die zur Zeit diskutierte Version der GDPdU fertiggestellt und im Internet veröffentlicht. Die Veröffentlichung erfolgte zunächst als Information zum Steuersenkungsgesetz, später als Information zur Steuerreform 2000. Paradox an dieser Angelegenheit war auch damals schon, daß bei telefonischen Nachfragen, niemand im Ministerium etwas von einem solchen Schreiben wußte. Es wurde also sehr bewußt eine Konfrontation und Diskussion gescheut.
Inzwischen hat das Bundesfinanzministerium den Länderfinanzministerien aber einen überarbeiteten Entwurf der GDPdU zur Abstimmung übersandt. Gegenüber dem bisherigen Entwurf ergeben sich zur Regelung des Datenzugriffs, des Umfangs der Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit folgende wesentliche Änderungen:
   
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Ein Online-Zugriff für die Finanzverwaltung soll ausgeschlossen werden.
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Der unmittelbare Datenzugriff beschränkt sich ausschließlich auf steuerlich relevante Daten, z.B. in den Bereichen Finanz-, Anlagen- und Lohnbuchhaltung. Die Aufzählung der genannten Bereiche ist jedoch nicht abschließend.
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Im Rahmen der Datenträgerüberlassung wurde neu eingefügt, daß die zur Auswertung überlassenen Daten spätestens nach Bestandskraft der aufgrund der Außenprüfung ergangenen Bescheide an den Steuerpflichtigen zurückzugeben oder zu löschen sind.
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Für den unmittelbaren Datenzugriff wird der Umfang der zumutbaren Mithilfe in unmittelbaren Bezug zur Größe des zu prüfenden Unternehmens gesetzt; eine Konkretisierung des Begriffs „Unternehmensgröße“ erfolgt nicht.
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Der Entwurf sieht ferner vor, daß der Finanzbehörde bei der Datenträgerüberlassung alle zur Auswertung der Daten notwendigen Informationen in maschinell auswertbarer Form zur Verfügung gestellt werden. Dieses wird ein wesentlicher Kritikpunkt sein.
Um einen schnellen Überblick zu verschaffen, folgen einige Ausschnitte aus der aktuellen Version der GDPdU. Interessierte Personen werden an dieser Stelle auf die Seite des BitKOM verwiesen, wo eine komplette Version der aktuellen GDPdU bezogen werden kann ( http://www.bitkom.org/politik/BMF_Schreiben.pdf ).
I. Datenzugriff
Nach §147 Abs. 6 AO ist der Finanzbehörde das Recht eingeräumt, die mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellte Buchführung des Steuerpflichtigen durch Datenzugriff zu prüfen. Diese neue Prüfungsmethode tritt neben die Möglichkeit der herkömmlichen Prüfung. Das Recht auf Datenzugriff steht der Finanzbehörde nur im Rahmen steuerlicher Außenprüfungen zu. Durch die Regelungen zum Datenzugriff wird der sachliche Umfang der Außenprüfung (§ 194 AO) nicht erweitert; er wird durch die Prüfungsanordnung (§146 AO, §5 BpO) bestimmt.
Gegenstand der Prüfung sind wie bisher nur die nach §147 Abs. 1 AO aufbewahrungspflichtigen Unterlagen. Es ist jedoch erforderlich, die Prüfungsmethoden den modernen Buchführungstechniken anzupassen. Dies gilt um so mehr, als in zunehmendem Maße der Geschäftsverkehr papierlos abgewickelt wird und ab dem 1. Januar 2002 der Vorsteuerabzug aus elektronischen Abrechnungen mit Signatur nach dem Signaturgesetz möglich ist...
 
II. Prüfbarkeit digitaler Unterlagen
1. Elektronische Abrechnungen i. S. d. §14 Abs. 4 Satz 2 UStG
Die qualifizierte elektronische Signatur ist Bestandteil der elektronischen Abrechnung...
2. Sonstige aufbewahrungspflichtige Unterlagen
Bei sonstigen aufbewahrungspflichtigen Unterlagen i.S.d. §147 Abs. 1 AO, die digitalisiert sind und nicht in Papierform übermittelt werden, muß das dabei angewendete Verfahren den GoBS entsprechen. ...
 
III. Archivierung digitaler Unterlagen
1. Originär digitale Unterlagen nach §146 Abs. 5 AO sind auf maschinell verwertbaren Datenträgern zu archivieren. Originär digitale Unterlagen sind die in dem Datenverarbeitungssystem erzeugten Daten; ein maschinell verwertbarer Datenträger ist ein maschinell lesbarer und auswertbarer Datenträger. Die originär digitalen Unterlagen dürfen nicht ausschließlich in ausgedruckter Form oder auf Mikrofilm aufbewahrt werden. Somit reicht die Aufzeichnung im COM-Verfahren (Computer-Output-Microfilm) nicht mehr aus. Diese Einschränkung gilt nicht, wenn die vor der Übertragung auf Mikrofilm vorhandenen Daten vorgehalten werden, die eine maschinelle Auswertbarkeit durch das Datenverarbeitungssystem gewährleisten. Nicht ausreichend ist auch die auschließliche Archivierung in nicht auswertbaren Formaten (z. B. pdf-Dateien).
Eine Pflicht zur Archivierung einer Unterlage i.S. des §147 Abs. 1AO in maschinell auswertbarer Form (§147 Abs. 2 Nr. 2 AO) besteht nicht, wenn diese Unterlage zwar DV-gestützt, aber unabhängig von einem DV-gestützten Buchführungssystem erstellt wurde (z. B: die DV-Anlage wird lediglich zu Schreibzwecken genutzt).
2. Originär in Papierform angefallene Unterlagen, z. B. Eingangsrechnungen, können weiterhin mikroverfilmt werden. ...
Der wesentliche Kern der GDPdU stellt dabei die Verwendung der qualifizierten elektronischen Signatur dar (vgl. Absatz II).
Änderungen an der HGB Abgabenordnung
Die von vielen Seiten als Bedrohung empfundene digitale Aufzeichnung digital erzeugter Informationen ist zwar innerhalb der GDPdU beschrieben, kaum einer hat aber bisher wahrgenommen, daß diese Passage bereits im Oktober 2000 im Rahmen des Steuersenkungsgesetzes verabschiedet worden ist (Bundesgesetzblatt, Teil I, Nr. 46 vom 26.10.2000; Seite 1460). Dort heißt es nämlich:
Artikel 7
Änderung der Abgabenordnung
Die Abgabenordnung vom 16. März 1976 (BGBl. I S.613, 1997 I S. 269), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 14. Juli 2000 (BGBl. I S. 1034), wird wie folgt geändert:
   
 1.
§ 146 Absatz 5 Satz 2 und 3 wird durch folgende Sätze ersetzt: 
„Bei der Führung der Bücher und der sonst erforde
rlichen Aufzeichnungen muß insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 147 Absatz 6. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.“
   
 2.
§147 wird wie folgt geändert: 
a) Absatz 2 wird wie folgt geändert:
 
 aa) Satz 1 Nr. 2 wird wie folgt gefasst: 
 2. Während der Dauer der Aufbewahrungsfrist
  jederzeit verfügbar sind, unverzüglich lesbar  
  gemacht und maschinell ausgewertet wer-
  den können. 
 bb) Satz 2 wird aufgehoben. 
b) In Absatz 5 Satz 2 erster Halbsatz werden das Wort „nur“ gestrichen und die Wörter „vorlegen kann“ durch „vorlegt“ ersetzt.
 
c) Folgender Absatz 6 wird hinzugefügt:
 
 „(6) Sind die Daten nach Absatz 1 mit Hilfe eines
 Datenverarbeitungssystems erstellt worden, hat  
 die Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprü- 
 fung das recht, Einsicht in die gespeicherten  
 Daten zu nehmen und das Datenverarbeitungs-
 system zur Prüfung dieser Unterlagen zu nut-
 zen. Sie kann im Rahmen einer Außenprüfung
 auch verlangen, daß Daten nach ihren Vorgaben  
 maschinell ausgewertet oder ihr die maschinell
 verwertbaren Datenträger zur Verfügung ge-
 stellt werden. Die Kosten trägt der Steuerpflich- 
 tige. ...
An gleicher Stelle des BGBl. findet sich auf Seite 1461 auch ein Hinweis auf die entsprechende Umsetzung, der sich zunächst nur auf Buchführungssysteme bezieht:
Artikel 8
Änderung der Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung
In Artikel 97 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14. Dezember 1976 (BGBl. I S. 3341, 1977 I S. 667), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 14. Juli 2000 (BGBl. I S. 1034) geändert worden ist, wird nach § 19a folgender § 19b eingefügt:
„§ 19b Zugriff auf datenverarbeitungsgestützte Buchführungssysteme
§ 146 Absatz 5, § 147 Absatz 2, 5 und 6 sowie § 200 Absatz 1 der Abgabenordnung in der Fassung des Artikels 7 des Gesetzes vom 23. Oktober 2000 (BGBl. I S. 1433) sind ab dem 1. Januar 2002 anzuwenden“.
Wir blicken hier direkt auf die Geburtsort der GDPdU, der passenden Ausführungsbestimmung für dieses Gesetz. Hinter Formulierungen wie „maschinelle Auswertbarkeit“ verbirgt sich bereits der Anspruch des direkten Zugriffs auf elektronische Daten und Dokumente. Offenbar war sich der Gesetzgeber bei der Fassung der neuen Paragraphen auf die Auswirkungen für die elektronische Archivierung und die Verwendung elektronischer Signaturen noch nicht ganz im Klaren. Diese Klarheit sollte die GDPdU bringen.
Es kann angenommen werden, daß die GDPdU im wesentlichen zum Stopfen der einzigen Lücke in der Umsetzung des Gesetzes verwendet werden soll. Im Allgemeinen kann nämlich nur dann von einer elektronischen Aufzeichnungspflicht gesprochen werden, wenn die relevanten Dokumenten keine handschriftlichen Informationen beinhalten. Es wird wohl heute keinem Unternehmen schwer fallen, jedes Dokument vorgangstechnisch mit einer handschriftlichen Notiz oder einer handschriftlichen Unterschrift zu versehen. Bei einem solchen Vorgehen können dann auch alle herkömmlichen Aufbewahrungsverfahren verwendet werden.
Genau aus diesem Grund versucht die Bundesregierung mit der GDPdU diese Lücke zu schließen. Erst durch die zwingende Verwendung der qualifizierten elektronischen Signatur wird es unnötig andere handschriftliche Anmerkungen auf ein Dokument anzubringen. Demzufolge sind bei Verwendung dieser Signatur sämtliche Dokumente, die digital erzeugt wurden, auch digital zu archivieren.
GDPdU - ein Politikum ?
Der Rückzieher in der Öffentlichkeit, der zur Zeit zu beobachten ist, läßt zwei Argumentationen zu. Zum einen hätte eine Verabschiedung des ersten Entwurfs den Anwendern kaum Reaktionszeit gewährt, um die technische Infrastruktur in den Unternehmen den Anforderungen anpassen zu können. Zum anderen werden mit diesem Entwurf derart einschneidende Veränderungen beschrieben, die die gesamte Unternehmerlandschaft in Deutschland betrifft, daß die Bundesregierung mit der Umsetzung eines solchen Politikums schnell die Gunst eines Großteils der eigenen Wählerschaft verspielen kann. Aus diesem Grund hat die zuständige Behörde gut daran getan, den Entwurf zur GDPdU zunächst wieder in einer Schublade verschwinden zu lassen bzw. ausschließlich intern zu diskutieren.
Es kann aber erwartet werden, daß zumindest im Fall einer weiteren Legislaturperiode der amtierenden Bundesregierung die Thematik der elektronischen Signatur wieder hervorgeholt und dann auch umgesetzt wird. Unternehmen sollten sich daher schon heute darüber Gedanken machen, sich dieser Thematik anzunehmen, zumindest dann, wenn sowieso gerade über die Einführung neuer Systeme nachgedacht wird.
Als Autor des Entwurfs zur GDPdU ist zumindest die Abteilung IV bzw. das Referat IV D2 des Bundesfinanzministeriums ausgewiesen. Vielleicht sollten alle interessierten bzw. Betroffenen einmal an die Zuständigen schreiben (Ministerialdirektor Gerhard Juchum für Abteilung IV und Ministerialdirektor Scheurmann-Kettner für Referat IV D2) und unverbindlich nachfragen, wie es denn weitergehen soll. ... (FvB/Kff)
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