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Trends bei der Software-Lizenzierung und bei Supportverträgen
Artikel von Dr. Joachim Hartmann, Seniorberater bei der PROJECT CONSULT Unternehmensberatung. Er betreut vom Standort Stuttgart aus Kunden und Projekte von PROJECT CONSULT in Süddeutschland.
Der Artikel befasst sich mit Fragen der Software-Lizenzierung im Umfeld von Dokumenten--Technologien (DRT) und mit den rechtlichen Aspekten, die sich hieraus ergeben. Welche Lizenzierungsformen für Software werden sich am Markt halten? Wie entwickelt sich ASP? Was sollen Anwender bei der Lizenzierung von Software und beim Abschluss von Projektverträgen speziell beachten?
1. „Klassische“ Lizenzierungsformen
Bei den „klassischen“ Lizenzierungsformen erwirbt der Anwender das Nutzungsrecht an einer bestimmten Software. Die Lizenzrechte, die hier erworben werden, und die damit verbundenen Lizenzkosten können an verschiedene Kriterien gebunden sein. In Client-/Serverumgebungen sind meistens die Kriterien „Zahl der Benutzer“ und „Server“ ausschlag-gebend.
In den meisten Fällen ist die Lizenzierung einer Software von dem oder den benutzten Servern abhängig sowie von der Zahl der Benutzer (User), die am System angeschlossen sind.
Server können im DRT-Umfeld Archivserver, Dokumentenserver, Datenbank-Server, Transaktionsserver oder Internet-Connectoren im Web-Umfeld sein. Ausnahmen finden sich bei Spezialsoftware, z.B. bei Capturing-Modulen oder bei Erkennungssoftware wie OCR, ICR oder Formularerkennung. Diese Software basiert nicht auf Servern. Hier ist die Lizenzierung meist an Messgrößen wie die Anzahl der Scanstationen oder die Anzahl der Erkennungsarbeitsplätze gebunden.
Im Umfeld der Anbieter von Archivsystemen ist am häufigsten die Kopplung an die Anzahl der gleichzeitig aktiven Benutzer (Concurrent Users oder auch Floating Use-Lizenzierung) gebräuchlich sein. Manche Hersteller, verlangen zusätzlich eine Lizenzierung nach dem Speichervolumen, das permanent online verfügbar ist.
Bei Anbietern von klassischen Dokumentenmanagement-Systemen findet man häufig auch die Regelung, dass die Benutzer dem System direkt bekannt sein müssen und die Lizenzgebühr direkt von der Zahl der Named User abhängig ist. Dies wird damit begründet, dass die DMS-Nutzung eng mit der Nutzung der Office-Umgebung verbunden ist und die Benutzer damit namentlich registriert sein müssen.
Content Management Systeme, besonders Web Content Management Systeme werden nach der Zahl der beteiligten Server lizenziert, also nach der Zahl der Input-Systeme (Instanzen von DMS-Servern), der Output-Systeme (Datenbank-Server) und Zielsysteme (Transaktionsserver. Die Benutzerzahl spielt hier in der Regel keine Rolle, da sie bei Webtransaktionen nur eine eingeschränkte Aussagefähigkeit besitzt.
Outsourcing gehört, was die Software-Lizenzie-rung angeht, ebenfalls zu den klassischen Verfahren. Beim Outsourcing  gehört die Lizenz dem Kunden, das Customizing ist individuell und der Support wird vom Hersteller geliefert. Nur die Hardware und eventuell die verwendeten Verbindungen gehören dem Outsourcing-Anbieter und werden vom Anwender gemietet.
Generell kann man davon ausgehen, dass auf Grund des hohen Wettbewerbsdrucks am Markt, spezielle Zuschläge oder Optionen auf die Standardlizenzierung keine besondere Lebensdauer mehr haben werden. Hierzu gehören beispielsweise die erwähnten Lizenzkosten abhängig vom verfügbaren Online-Volumen oder Vertragsklauseln, die an bestimmte Organisationsstrukturen des die Software nutzenden Unternehmens gekoppelt sind. Die Kopplung der Lizenzgebühren an Named User ist schon seit Jahren rückläufig.
Sind solche Regelungen in den Lizenzierungsbedingungen enthalten, besteht bei größeren Lizenzbestellungen meistens eine Verhandlungsmöglichkeit für den Anwender. Der Kunde sollte dann spezielle auf ihn zugeschnittene Regelungen anstreben. Große Unternehmen vereinbaren in der Regel ein Master Agreement, das die Einkaufsbeziehung zwischen der gesamten Kundenorganisation und dem Hersteller regelt.
2.  Neuere Lizenzierungsformen
Viele Hersteller bieten heute bereits über ihre gesamte Produktpalette flexible Lizenzierungssysteme an. Über ein Punktesystem oder verwandte Mechanismen wird jedem Produkt eine bestimmte Werteinheit zugeordnet. Aus der Summe der Werteinheiten ergibt sich die entsprechende Rabattstufe. Je mehr Lizenzen egal welchen Produkttyps die Kunden erwerben, desto größer ist der Preisvorteil. Solche Preissystem haben z.B. von Adobe, IBM, Hummingbird, PowerQuest, Veritas u.a.
Mit dem Aufkommen des ASP-Gedankens (ASP - Application Service Providing) kamen auch neue Lizenzierungsmodelle auf den Markt, mit denen die Softwarelizenzierung individueller auf die Belange des Kunden zugeschnitten werden kann.
Mit ASP werden Dienstleistungen bezeichnet, bei denen die Nutzung der Software über das Internet oder andere Netze erfolgt. Im Idealfall benötigt der Anwender nur einen Internet-Browser und die entsprechende Verbindung, um die Software nutzen zu können. Kosten für Installation und Updates entfallen. Die Software ist beim ASP-Modell nur gemietet. Damit fallen auch die hohen Anfangsinvestitionen weg und die Liquidität wird verbessert. Wie bei allen Mietmodellen, z.B. auch beim Leasing, können die Ausgaben steuerlich sofort ausgabenmindernd geltend gemacht werden. Lange Abschreibungszeiträume entfallen. Die Nachteile von ASP-Anwendungen liegen vor allem in der Abhängigkeit von der Verfügbarkeit des Internets. Häufig sind auch die Möglichkeiten des Customizings eingeschränkt. Varianten bzw. Teilleistungen von ASP sind z.B. SSP (Storage Service Providing) oder NSP (Network Service Providing).
ASP ermöglicht neue Arten der Lizenzierung wie Pay-per-Use oder Pay-per-Transaction. Bei Pay-per-Use zahlt der Kunde nur die Nutzungsdauer der gemieteten Software. Bei Pay-per-Transaction wird die Nutzungsgebühr über die Zahl der getätigten Transaktionen abgerechnet.
Die überwiegende Anzahl der ASP-Verträge wird derzeit allerdings auf reiner Mietbasis mit monatlichen fixen Zahlungen abgeschlossen.
Aber auch ohne ASP beginne Hersteller Lizenzierungsmodelle anzubieten die auf den genannten Prinzipien beruhen. Noch sind diese Angebote wenig bekannt, doch dürfte Marktentwicklung auf diesem Gebiet interessant werden. Anwender können sich mit solchen direkt vom Hersteller oder vom Systemhaus angebotenen Lizenzmodellen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Einstiegslösung wählen, die nennenswerte Kosten erst dann verursacht, wenn die Lösung auch entsprechend genutzt wird.
ASP und die damit verbundene flexiblere Lizenzierung von Software setzt sich wesentlich langsamer durch als Analysten es vorausgesehen haben. IDC sah ein Marktwachstum von 633 Mio.$ im Jahr 2000 auf 7.754 Mio.$ in 2004. Forrester Research meinte 2002, dass im Jahr 2003 22% aller Anwendungen ASP sein werden. Es darf bezweifelt werden, dass letzteres im Laufe dieses Jahres eintreten wird.
3. Rechtliche Aspekte und deren Auswirkungen auf Lizenzierung und Support
Das sogenannte „Schuldrechtsmodernisierungsgesetz“, eine Umsetzung verschiedener EU-Richtlinien zum Verkauf von Gütern, eCommerce und Zahlungsverzug brachte 2002 innerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) eine Reihe von Änderungen, die auch die Gestaltung von Lizenz- und Wartungsverträgen betrafen.
Was hat sich für geändert? Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz brachte wesentliche Änderungen
   
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bei der Definition von Mängeln,
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bei der Haftung des Herstellers für Werbeaussagen (auch bei mündlich getätigten Aussagen von Vertriebsleuten)
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beim Recht auf Gewährleistung
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bei der gesetzlichen Gewährleistungsfrist bei Kaufverträgen
Dies hatte Auswirkungen auf Lizenzverträge für Software, Projektverträge sowie Wartungs- und Supportverträge. Die meisten Hersteller haben mit Änderungen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen aber auch in ihren Lizenz- und Wartungsverträgen reagiert.
Bei ASP bleibt der Application Service Provider der Inhaber der Softwarerechte. Nur er hat ein Vertragsverhältnis mit dem Hersteller. Prinzipiell hätte der Kunde nach dem Mietrecht oder vermutlich auch Werkvertragsrecht Anspruch auf 100% Verfügbarkeit des Systems. Der Anbieter von ASP-Leistungen wird in seinen Vertragsbedingungen versuchen, dies einzuschränken, z.B. auf eine Verfügbarkeit von 98%. Die Frage ist, nach welchem Vertragsrecht die Gerichte solche Klauseln bewerten werden. Gilt der ASP-Vertrag als Dienstleistung kann der Anbieter noch am weitesten seine Haftung einschränken. Wie ein Streitfall hier rechtlich bewertet wird, wird sich erst nach entsprechenden Musterfällen herausstellen.
Generell kann nach dem neuen Recht immer der direkte Lieferant der Software in die Verantwortung genommen werden. Ein Anwender, der eine fehlerhafte Software, auch Standardsoftware erhält, kann beispielsweise  immer über das Systemhaus die Nachbesserung oder Rücknahme geltend machen. Das Systemhaus kann wiederum den Großhändler und der den Hersteller in Anspruch nehmen.
Was sollte der Anwender bei der Lizenzierung von Softwaremodulen und bei zugehörigen Wartungs- und Supportverträgen besonders beachten?
Generell sollten alle Leistungen abgestimmt, qualitativ und quantitativ messbar und nachvollziehbar in sogenannten Service Level Agreements (SLA) definiert sein. Einige beachtenswerte Punkte hierbei sind:
   
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Auslieferung neuer Programmversionen, Updates, Releases sowie reine Supportleistungen wie User Help Desk, Telefonsupport usw. müssen klar abgegrenzt werden von Leistungen, die der Mängelbeseitigung dienen. Eine Mängelbeseitigung stellt nicht nur die Beseitigung eines Softwarefehlers, der im laufenden Betrieb aufgetreten ist, dar sondern auch die unverlangt zugesandte Lieferung eines Software-Patches.
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Vertragsart und Gewährleistungsfristen beachten: Bei Verbraucherverträgen besteht eine Mängelgewährleistungsfrist von zwei Jahren, bei Standardverträgen zwischen Unternehmen („B2B“) in der Regel nur ein Jahr. Es gilt eine ein- bis zweijährige Jahre Gewährleistungsfrist auf alle Arten von Fehlerbeseitigungen ebenso wie auf neue Programmversionen, je nachdem welche Art von Vertrag vorliegt
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Bei einem Softwareprojektvertrag ist die Unterscheidung zwischen einem Werkvertrag und der Lieferung einer „körperlichen“ Ware wichtig. Bei einer Warenlieferung - das wird in der Regel die Lieferung eines Standardsoftwarepakets sein - entfällt die Abnahme des „Werkes“. Allerdings hat der Käufer bei Mängeln dann die Wahl, ob er das Produkt nach-gebessert haben will oder ob er auf eine neue Lieferung besteht. Beim Werkvertrag hat der Anbieter dieses Wahlrecht.  
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Fristen beachten: Das neue Recht gilt für alle neuen Verträge, die ab dem 1. Januar 2002 abgeschlossen wurden. Bei Altverträgen, die noch Lieferungen und Leistungen nach dem 1. Januar beinhalten, greift das neue Recht erst seit dem 1. Januar 2003. Das kann für Wartungs- und Supportverträge, Teillieferungen oder Folgelieferungen von Software, die ganz oder in teilen erst in diesem Jahr erfüllt werden,  unter Umständen Konsequenzen nach sich ziehen. Widersprechen die Verträge, die noch nach altem Recht abgeschlossen wurden, dem neuen Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, so könne diese ganz oder in Teilen unwirksam sein.   (JH)
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