20040903 \  Artikel \  Compliance
Compliance
Rechtliche und regulative Anforderungen treiben den Markt für Dokumenten-Technologien
Artikel von Dr. Ulrich Kampffmeyer, Geschäftsführer der PROJECT CONSULT Unternehmensberatung GmbH, Hamburg.
Seit einem Jahr sorgt der Begriff Compliance für Furore. Zahlreiche Anbieter haben sich unter der Fahne Compliance versammelt – nicht nur herkömmliche Anbieter von DRT-Lösungen, sondern auch Hersteller von Speichersystemen, Management-Informations-Programmen und ERP-Lösungen. Mit dem Begriff Compliance hat sich zugleich ein neues Marktsegment gebildet. Compliance-Anforderungen sind auch für den deutschen Markt relevant, auch wenn bisher dieser Begriff kaum benutzt wurde. Rechtliche und regulative Vorgaben für Dokumentationspflichten nehmen zu, von den GDPdU bis Basel II. Der Kunde hat nun die Wahl zwischen spezialisierten Insellösungen zur Erfüllung bestimmter Compliance-Anforderungen oder übergreifenden Lösungen, die die Compliance-Anforderungen so quasi nebenbei mit erledigen.
Was verbirgt sich hinter dem Begriff Compliance
Als gäbe es noch nicht genug schwer verständliche Begriffe aus den USA, zumindest für deutsche Ohren. Nun ist es der Begriff „Compliance“. Es gibt für ihn keine Übersetzung in nur einem Wort, man benötigt schon einen ganzen Satz:
Übereinstimmung mit und Erfüllung von 
rechtlichen und regulativen Vorgaben
.  
Compliance-Anforderungen gab es schon immer, auch im Ursprungland des Begriffes. Er hat jedoch durch die Skandale um ENRON und WorldCom eine neue Brisanz erhalten: neue, strafbewehrte Anforderungen zur Aufbewahrung geschäftsrelevanter elektronischer Informationen. Auch hier gab es in der Vergangenheit schon eine Reihe von Anforderungen, Finanzbuchhaltungssoftware musste schon immer Compliance-Standards erfüllen. Jedoch wurde durch wurde durch den neuen Stellenwert von E-Mails der Ruf nach elektronischen Archiven immer lauter.
Betrachtet man die einzelnen Komponenten der deutschen Definition „Übereinstimmung mit und Erfüllung von rechtlichen und regulativen Vorgaben“, dann werden unterschiedliche Aspekte von Compliance deutlich.
   
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„Übereinstimmung“
Zum ersten wird vorausgesetzt, dass es nachlesbare, definierte, offizielle Vorgaben gibt, die die Regeln enthalten, was zu tun ist. Hier ist „Übereinstimmung“ gefordert, ohne das die Regeln meistens eine technische Vorgabe enthalten, wie die Anforderung umzusetzen ist. Dies ist auch sinnvoll, da sich solche Vorgaben nicht an einer Technologie festmachen sollten, die in ein paar Jahren schon wieder obsolet ist.
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„Erfüllung“ 
Der Begriff „Erfüllung“ impliziert zweierlei: Einmal, das die Anforderungen in einer Lösung umgesetzt werden müssen, und zum Zweiten, dass dies ein Prozess ist, keine einmalige Aktion. Das Unternehmen oder die Organisation muss kontinuierlich für die Einhaltung der Vorgaben Sorge tragen. „Erfüllung“ geht dabei meistens über eine rein technische Lösung hinaus und beinhaltet auch organisatorische und Management-Aspekte.
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„Rechtliche Vorgaben“ 
Hierbei handelt es sich um Gesetze oder behördliche Verordnungen, die bestimmte Unternehmen, Organisationen oder Personen verpflichten, die jeweils aufgeführten Regelungen einzuhalten. Hier kann man sich auch nicht um die Erfüllung „drücken“, lediglich in Hinblick auf Auslegung, Umfang und Umsetzungsweise besteht Handlungsspielraum.
   
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„Regulative Vorgaben“ 
Warum unterscheidet man hier noch zwischen „rechtlich“ und „regulativ“? Es gibt eine Reihe von Vorgaben, die sich nicht auf Gesetze berufen wie z.B. Normen, Standards, Codes of Best Practice von Branchen oder andere Vorgaben. Diese werden im Folgenden als „regulative Vorgaben“ abgegrenzt. Vielfach ergeben sich aus gesetzlichen Vorgaben für einen Anwendungsfall auch Auswirkungen und implizite Anforderungen für andere Fälle.
Der bindende Charakter einer Vorgabe kann aus den oben genannten Gründen sehr unterschiedlich sein. Auch Steckdosen, Lebensmittel, Flugzeuge, elektrische Geräte, Medikamente, Kindergärten, Bildschirme usw. müssen bestimmte Compliance-Anforderungen erfüllen. Nur haben diese Anforderungen, die sich z.B. in Prüfsiegeln niederschlagen – ein Thema dem wir uns im Softwareumfeld noch gesondert widmen müssen -, wenig zu tun mit dem, was heute unter dem Schlagwort „Compliance“ an informationstechnologischen Lösungen assoziiert wird. Wir werden uns daher nur im Folgenden nur noch mit der „Information Management Compliance“ beschäftigen.
Information Management Compliance
Die Compliance-Anforderungen der letzten Jahre vollziehen nur einen logischen Schritt. Was bisher in einer physisch greifbaren Welt sich abspielte hat sich zunehmend in die virtuelle elektronische Welt verlagert. Information Management Compliance (auch hierfür gibt es schon ein neues Akronym ... IMC) hat nicht nur mit Technik zu tun. Sie muss sich im gesamten Unternehmen, im Umgang mit Information und in den Prozessen einer Organisation widerspiegeln. Sie hat mit Verantwortung von Personen und deren Tätigkeit zu tun. Information Management Sie hat mit Nachvollziehbarkeit und Qualitätsstandards zu tun. Information Management Compliance ist letztlich nur eine Abbildung all dieser Komponenten in elektronischen Systemen. Diese Systeme beinhalten nicht nur Komponenten wie Records Management und Archivierung, wie es uns manche Anbieter suggerieren wollen, sondern Datensicherung und Datensicherheit, Zugriffsschutz, Kontrollsysteme und andere Komponenten.
Gegenstand von Compliance Anforderungen sind in erster Linie Dokumente und Dokumentationspflichten. Dies schließt den Zusammenhang von Dokumenten als Bestandteile von Geschäftsvorgängen und elektronischen Akten ebenso ein wie die Nachweise der Entstehung, Veränderung, Nutzung, Speicherung und Löschung auf Basis von Journalen und Protokollen. Der Wert und Charakter eines Dokumentes ergibt sich in der Regel erst durch diese inhaltlichen, prozessabhängigen, zeitlichen oder fachlichen Zusammenhänge. Im englischsprachigen Raum spricht man von Records. Ein Record ist entsprechend der ISO 15489-11 eine „Information, die erzeugt, empfangen und bewahrt wird, um als Nachweis einer Organisation oder Person bei rechtlichen Verpflichtungen oder zum Nachvollzug einer geschäftlichen Handlung zu dienen.“ Ein Record definiert sich also wie ein Dokument durch seinen Inhalt und seinen Rechtscharakter. Ein Record kann in elektronischer Form in unterschiedlichsten Formaten vorliegen. Es können Inhalte einer E-Business-Webseite, ein elektronisches Fax, ein Attachment am E-Mail, ein Datensatz aus einem ERP-System, eine ausgegebene Liste oder ein mit einer Textverarbeitung erzeugter Brief sein. Lösungen zur Verwaltung und Aufbewahrung von Dokumenten müssen dabei unter anderem die
   
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Authentizität,
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Vollständigkeit,
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Nachvollziehbarkeit,
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Zugriffssicherheit,
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Geordnetheit,
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Integrität,
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Auffindbarkeit,
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Reproduzierbarkeit,
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Unverändertheit,
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Richtigkeit,
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Prüfbarkeit,
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Portabilität und
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Vertrauenswürdigkeit
sicherstellen. Herausforderungen sind somit nicht nur schnelle technologische Veränderungen. Noch schwieriger ist z.B. das inhaltliche Problem, zu erkennen, wann ein Objekt wie eine E-Mail überhaupt den Charakter eines aufzubewahrenden Record annimmt.
Vier Komponenten für Information Management Compliance
Die wesentlichen Anforderungen an Information Management Compliance kann man in vier Punkten zusammenfassen:
   
 1.
Information Management Policy 
Grundregeln und Verwaltensweisen für den Umgang mit Prozessen und Informationen, die sich in der „Corporate Governance“ niederschlagen. Dies schließt die das Bewusstmachen, die Zuordnung der Verantwortung, und die Verankerung der Policy im Management der Organisation ein. Das Management trägt hier nicht nur die eigene Verantwortung für die Einhaltung der Regularien, sondern auch für Umsetzung im Unternehmen mit Vorbildfunktion.
 2.
Delegation 
Zuordnung von Verantwortlichkeiten und entsprechende Ausbildung auf den nachgeordneten Ebenen, die allen Betroffenen die Bedeutung von Compliance-Regeln deutlich macht. Dies schlägt sich auch in den Arbeitsprozessen, Arbeitsplatzbeschreibungen, Verträgen und Arbeits-anweisungen nieder. Auf den verschiedenen Ebenen einer Organisation muss abhängig von Aufgaben und Zuständigkeiten der Mitarbeiter eine Durchgängigkeit erzeugt werden.
 3.
Nachhaltung 
Die Einhaltung der Regeln muss regelmäßig überprüft werden. Hierzu gehören z.B. Qualitätssicherungsprogramme ebenso wie Audits. Hierbei ist auf eine ständige Verbesserung der Prozesse und auf die Nachführung der Dokumentation zu den durchgeführten Maßnahmen Wert zu legen.
 4.
Sichere Systeme 
Die IT-Systeme müssen den Anforderungen mit ihrer Funktionalität, Sicherheit und Verfügbarkeit genügen und die Nachvollziehbarkeit unterstützen. Compliance beschränkt sich hier nicht nur auf die Anwendungsfunktionalität und das Dokumentenmanagement sondern schließt den gesamten Betrieb der Lösung ein.
Obwohl Compliance sehr viel mit Dokumenten und Dokumentation zu tun, gilt es bei den Anforderungen immer in Prozessen zu denken. Das Hauptproblem von Compliance ist dabei, dass die Maßnahmen zunächst einmal viel Geld und organisatorischen Aufwand kosten ohne dass hierdurch mehr Geschäft generiert wird. Compliance ist daher meisten ein ungeliebtes Kind. Wenn man aber sein Unternehmen konsequent und strukturiert organisiert, ist durch die Transparenz, die Nachvollziehbarkeit und die integre Verfügbarkeit von Information ein hoher qualitativer Nutzen gegeben, der sich auf längere Sicht auch betriebswirtschaftlich auszahlt.
Wie der Hype begann
In den USA gab es schon sehr lange Compliance-Anforderungen an Softwaresysteme. Bekannt sind z.B. die Regularien der FDA Federal Drug Administration, die bindend für die Herstellung von Lebensmitteln, Pharmazeutika und Medikamenten sind. Allein für die Beantragung eines neuen Medikamentes mit allen Testnachweisen und Produktionsverfahren hat sich in der Pharma-Branche die Anschaffung eines Dokumentenmanagementsystems gelohnt. Die Erfüllung von CFR  21, Part 11 ist unumgänglich.
Richtig Druck kam auf das Thema jedoch erst durch die Skandale um ENRON, WorldCom und einige andere Unternehmen, die unter Zurücklassung von zahllosen Arbeitslosen und riesigen Schulden insolvent wurden. Die Frage entzündete sich dabei an den Zertifikaten der Wirtschaftsprüfer und den Berichten der Unternehmen. Mehr oder weniger durch Zufall wurde dabei E-Mail als eine der möglichen Nachweisquellen für ungesetzliches Handeln entdeckt. Dies führte im Jahr 2002 zu SOX, dem Sarbanes-Oxley-Act. Typisch amerikanisch wurde es nach den beiden Leitern der Kommission benannt, die das Gesetz entworfen haben. SOX hat die Aufgabe, die Transparenz und Nachvollziehbarkeit in den Unternehmen bei Prüfungen durch die SEC, Securities und Exchange Commission, zu verbessern. Äquivalent wären in Deutschland die Steuerbehörden mit Steuerprüfung und Steuerfahndung. SOX hat in den USA besonders auf Grund von Abschnitt 802 Bedeutung erlangt, weil hier empfindliche Strafen in der Strafgesetzgebung verankert worden sind. Die Zerstörung oder Veränderung von aufbewahrungspflichtigen Unterlagen kann mit bis zu 20 Jahren Gefängnis bestraft werden. Dieser Abschnitt schreckte alle amerikanischen Unternehmensführer auf und machte den zur Zeit zu beobachtenden Boom von Compliance-Lösungen erst möglich. Aber auch besonders die Wirtschaftsprüfer legen in ihrer Beratung nunmehr sehr viel Wert auf Compliance, da im Rahmen der Skandale große, namhafte Wirtschaftsberatungsfirmen wie Andersen vom Markt verschwanden. Es ist aber nicht allein SOX, sondern aus den CFR Code of Federal Regulations lassen sich inzwischen eine Vielzahl weiterer Anforderungen für spezielle Branchen und Geschäftstätigkeiten ableiten. Ein Beispiel ist der CFR 17, § 240, mit harten Regularien für Börsenmakler. SOX ist daher nur die groß gedruckte Hauptaufschrift auf dem Compliance-Banner.
Auch in anderen Bereichen gibt es rechtliche und regulative Vorgaben. Besondere Aufmerksamkeit verdient z.B. HIPAA, der Health Insurance and Accountability Act. HIPAA zieht sowohl im Krankenhaus- als auch im Versicherungsbereich Investitionen in Milliardenhöhe nach sich. Im Bereich der Fertigungsindustrie macht sich inzwischen der Tread Act mit umfangreichen Anforderungen Produkt-, Qualitäts- und Herstellungsdokumentation im Rahmen des Supply Chain Management bemerkbar. Auch die EPA, Environmental Protection Agency, macht mit neuen Dokumentationspflichten auf sich aufmerksam. Viele dieser Regelwerke beziehen sich auf die neugefassten FSG, Federal Sentencing Guidelines von 2002, so dass Verstöße mit erheblichen Strafen belegt werden können. Zu den regulativen Vorgaben gehört in den USA z.B. die Richtlinie des Department of Defense, DoD 5015.2. Hierbei handelt es sich um eine Vorgabe für die Anbieter von Dokumentenmanagement-Lösungen. Produkte ohne eine DOD 5015.2 Compliance haben kaum eine Chance im öffentlichen Sektor in den USA platziert zu werden.
Man kann nun die Frage stellen, welche Auswirkungen haben all diese amerikanischen Regularien. Wie bereits erwähnt kommt auch kein deutscher Pharma-Hersteller, der im Ausland seine Produkte vermarkten will, um die FDA-Vorgaben herum. Aber auch SOX besitzt eine erhebliche Bedeutung für Unternehmen mit amerikanischer Muttergesellschaft oder mit Niederlassungen in den USA. Und man darf eines nicht übersehen, die Regularien für die elektronische Bereitstellung von Informationen sind unerlässlich, weil immer mehr Information originär elektronisch entsteht und sich nicht mehr in Papier niederschlägt. Man kann es in einem Satz fassen: ohne Information Management Compliance kann die Informationsgesellschaft nicht funktionieren.
Gibt es Compliance-Anforderungen auch in Deutschland?
Natürlich, man nennt es nur nicht so. Einige Beispiele sollen dies verdeutlichen. Die GDPdU Grundsätze des Datenzugriffs und der Prüfbarkeit digitaler Unterlagen sind ein typisches Beispiel. Zwar noch nicht strafbewehrt wie SOX, aber durch aus mit anderen Anforderungen des SEC in den USA vergleichbar. Die Bereithaltung von steuerlich relevanten Daten in auswertbarer Form ist eine Pflichtvorgabe. Die GDPdU selbst ist eine Verordnung, die auf den Änderungen im Steueränderungsgesetz und HGB Abgabenordnung basiert. Sie stellt eine Richtlinie für das Vorgehen der Finanzbehörden bei Außenprüfungen dar. Die Unternehmen müssen sicherstellen, dass alle steuerrelevanten Daten identifiziert, unverändert und vollständig und über einen Zeitraum von 10 Jahren aufbewahrt werden. Auch bei den GDPdU spielen inzwischen Dokumente und E-Mails neben den Daten aus ERP- und Buchhaltungssystemen eine zunehmend wichtigere Rolle. In eine ähnliche Kerbe schlägt auch das Gesetz zu den Dokumentationspflichten bei Verrechnungspreisen, das anders als die GDPdU strafbewehrt ist.
Aber auch bereits vor den GDPdU gab es verbindliche Vorgaben. Es sei hier nur an die GoBS erinnert, die die Aufbewahrung von kaufmännischen Unterlagen in elektronischer Form regelt. Neben sicheren Systemen wird hier auf die Prozesse und die Verfahrensdokumentation besonderes Augenmerk gelegt.
Ein gutes Beispiel für direkte und indirekte Auswirkungen der Gesetzgebung ist Basel II. Auch wenn man in Bezug auf die Kreditvergabe und die Dokumentations-pflichten hier zunächst nur an die Banken denkt, hat Basel II auch erhebliche Auswirkungen auf alle Unternehmen. Kaum ein Unternehmen kommt ohne Kredite der Banken aus. Da sich die Kreditnehmer einem Rating unterziehen müssen, schlagen die Transparenzanforderungen von Basel II praktisch auf die Unternehmen durch. Um einen Kredit überhaupt noch oder zu günstigen Konditionen zu erhalten, müssen sich die Unternehmen neu aufstellen. Hinter Schlagworten wie Corporate Governance, Enterprise Information Policy oder Records Management Policy und Projekten zur Erarbeitung und Einführung solcher Regelwerke verbergen sich auch viele Ansätze zum Thema Compliance.
Viele der neuen Regularien haben ihren Ursprung in der europäischen Gesetzgebung. Mit etwas Zeitverzögerung wird jede Richtlinie der Europäischen Kommission in nationales Recht überführt, so dass es sich lohnt, immer einen Blick auf die Vorgaben und Entwicklungen Brüssels zu werfen. Bereits durch die Richtlinien zum E-Commerce und zur elektronischen Signatur sind eine Reihe von Anforderungen für Compliance in Deutschland entstanden. Erinnert sei hier nur an die elektronische Rechnung, die nur zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn sie qualifiziert elektronisch signiert wurde. Auch eine europäische Variante von SOX wird sich kaum vermeiden lassen. Der elektronische Geschäftsverkehr und die Umstellung der öffentlichen Verwaltung auf elektronisch unterstütze Verfahren wird weitere Compliance-Anforderungen nach sich ziehen. Auch deshalb ist es wichtig, nicht nur auf eine Einzellösung für ein bestimmtes Problem zu schauen, sondern eine IT-Strategie zu entwickeln, die mit einer Lösung möglichst viele Compliance-Anforderungen erfüllt und darüber hinaus für das Unternehmen auch im Geschäftsbetrieb nutzbringend eingesetzt werden kann.
Compliance-Anforderungen treiben den Markt für Dokumenten-Technologien
Die Anbieterschaft im Dokumentenmanagement-Marktsegment reibt sich angesichts den vielen neuen Compliance-Anforderungen, die in nahezu allen Staaten wie Pilze aus dem Boden schießen, die Hände. Fast alle amerikanischen ECM Enterprise-Content-Management-Anbieter haben jetzt Compliance-Angebote im Programm. Umfang und Zielsetzung der angebotenen Software und Systeme sind aber sehr unterschiedlich. Die größeren Anbieter setzen auf eine vollständige Kontrolle und Dokumentation des Informationsflusses und beschränken sich nicht nur auf das Thema Archivierung oder Records Management. Andere Anbieter preisen Lösungen für E-Mail-Archivierung an und bringen damit die Anwender in die Gefahr, auf einer Compliance-Insellösung sitzen zu bleiben. E-Mails und ihre Attachments gehören in einen fachlichen Zusammenhang, in elektronische Kunden-, Produkt- oder Vorgangsakten. E-Mails separat zu archivieren bringt mittelfristig mehr Probleme denn Vorteile. Ähnlich ist es mit dem Ansatz, nur zur Erfüllung der Vorgaben der GDPdU sich ein Archiv für steuerrelevante Daten anzuschaffen. Ziel sollte die Einführung von Lösungen sein, die alle Informationen verwalten und bereitstellen – und dabei die Anforderungen der GDPdU so „nebenbei“ erfüllen. Steuerrelevante Daten sind nur ein kleiner Ausschnitt aus allen Daten und ihre Archivierung ist nur schwer wirtschaftlich zu rechnen, wenn nur der Steuerprüfer alle paar Jahre mal ein paar Daten sehen will.
Die Compliance-Anforderungen zogen aber auch Verwerfungen nach sich und kurbelten die Konsolidierung Marktes nach einer kurzen Periode der Ruhe wieder an. Übernahmen waren in den letzten Monaten häufig zu vermelden, auch wenn hier Ergänzungen des Portfolios in Bezug auf Compliance-Anforderungen häufig nur eine Nebenrolle spielten. Gravierender war der Eintritt der Speichersystem-Anbieter in diesen Markt. EMC lieferte hierfür mit Produkten wie Centera und Übernahmen wie Legato und Documentum die Steilvorlage. Inzwischen haben alle Anbieter von Storage Technologien nachgezogen und mit ILM Information Lifecycle Management auch gleich ein eigenes Etikett etabliert. Die Speichersysteme werden um immer mehr Software ergänzt und dringen damit in die traditionellen Heimstätten von Records Management, Archivierung und Dokumentenmanagement vor. Entweder man kaufte Unternehmen oder Produkte hinzu, entwickelte selbst oder schloss Partnerschaften mit den traditionellen Anbietern. Der Markt für Compliance-Lösungen bot die Chance, aus dem engen, hart umkämpften Hardwaresegment für Speicherlösungen ins Lösungsgeschäft auszubrechen. Da jedes Unternehmen sich zur Zeit mit dem Thema Compliance in der einen oder anderen Form auseinandersetzt, die Konsolidierung von IT-Plattformen ebenfalls auf den Wunschlisten der CIOs steht, ist der Zeitpunkt gut gewählt. Der Markt für Document Related Technologies hat zahlreiche neue Mitspieler erhalten und viele der bekannten Namen, die ihn noch in den 90er Jahren bestimmten, sind heute verschwunden.
Für den Anwender ist es sehr schwierig, sich zu orientieren. Dies liegt nicht nur an den Anglizismen, den Akronymen und den immer neuen Begriffen. Die Anwender wissen häufig selbst nicht, was sie wollen oder was sie tun müssen. Zu nebulös sind viele der Vorgaben und die Werbeschlacht der Anbieter irritiert mehr als sie hilft. So schaut sich der potentielle Kunde gerade im Umfeld von Compliance-Lösungen nach Stempeln, Siegeln und Zertifikaten um, die ihm Sicherheit in seiner Entscheidung geben sollen. Er geht vielfach davon aus, wenn es ein Gesetz mit Vorgaben gibt, dann müsse es auch doch jemanden geben, der dies prüft, die Konformität feststellt und den Produkten bestätigt. Weit gefehlt. Es gibt keine Zertifikate für Produkte wie z.B. von Anbietern für GDPdU-konforme Lösungen suggeriert wird. Eine Lösung kann auch nur im Zusammenhang mit den Prozessen und den eingesetzten Verfahren im Unternehmen selbst geprüft werden. Solche Prüfungen erledigen die Wirtschaftsprüfer. Sie sind jedoch keine generelle Aussage, ob ein Produkt auch geeignet ist, denn es muss auch entsprechend den Vorgaben eingesetzt und betrieben werden. Auch wenn es wünschenswert wäre, offizielle Zertifikate auf den Verpackungen der Produkte zu finden, die Komplexität der Lösungen und die Individualität des Einsatzes sprechen dagegen. So bleibt dem Anwender nur der Rückzug auf Standards, Codes of Best Practice und Richtlinien, wie z.B. das Grundschutzhandbuch des BSI, um zu einer sicheren Lösung zu kommen, die technologisch die Compliance-Anforderungen abdeckt. Eines darf man aber in keinem Fall vergessen: Compliance ist nicht nur ein Thema für Dokumentenmanagement und Archivierung, Compliance zieht sich durch alle Softwarekomponenten, in denen aufbewahrungspflichtige Daten, Informationen und Dokumente entstehen und verwaltet werden.
Fazit
Fassen wir das Thema Compliance unter dem Gesichtspunkt Information Management Compliance zum Schluss in einer Reihe von Merksätzen zusammen:
   
 1.
Compliance-Themen gehören auf die Entscheiderebene, die die Verantwortung für die Einhaltung und Umsetzung der Anforderungen haben
 2.
Compliance-Anforderungen sind ein Bestandteil jedweder Corporate Gover-nance Strategie
 3.
Unternehmen benötigen eine Richtlinie zum Umgang mit Informationen, eine Information Policy, die die Compliance-Anforderungen und die Lösung zur Umsetzung der Anforderungen beinhaltet
 4.
Compliance muss durchgängig im Unternehmen implementiert werden um wirksam zu sein
 5.
Die Erfüllung von Compliance-Anforderungen ist kein einmaliges Projekt, sondern ein kontinuierlicher Prozess
 6.
Die Erfüllung von Compliance-Anforderungen muss regelmäßig nach definierten Verfahren überprüft werden
 7.
Information Management Compliance betrifft nicht nur Software und Systeme sondern die Prozesse im Unternehmen, die Organisation und den Umgang mit den Systemen
 8.
Compliance-Anforderungen betreffen nicht nur elektronische Archive sondern alle Systemkomponenten in denen aufbewahrungspflichtige Daten, Informa-tionen und Dokumente erzeugt, genutzt und verwaltet werden
 9.
Die Erfüllung von Compliance-Anforderungen muss auch für den eigenen Nutzen im Unternehmen genutzt werden, um mehr Transparenz und Sicherheit zu schaffen und um das Unternehmen auf das Informationszeitalter einzustellen.
 10.
Man darf sich nicht durch den Begriff Compliance verunsichern oder gar verängstigen lassen, sondern muss zunächst im Unternehmen prüfen, welche Regelungen für welchen Anwendungsfall überhaupt relevant sind
Compliance-Anforderungen sind ein Thema, mit dem sich jedes Unternehmen auseinandersetzen muss, wenn es Bestand im Informationszeitalter haben will.
Anm. d. Red.: Eine ausführliche Darstellung des Compliance-Umfeldes von PROJECT CONSULT ist auch als Whitepaper der Fa. Documentum verfügbar. Der zum Beitrag gehörende Folienvortrag der Keynote von Dr. Ulrich Kampffmeyer auf der DMS EXPO 2004 kann unter http://www.project-consult.com abgerufen werden.
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