20030903 \  Gastbeiträge \  DRT-Lösungen für Krankenhäuser
DRT-Lösungen für Krankenhäuser
Gastbeitrag von Karsten Renz, Geschäftsführer der OS Optimal Systems, Berlin ( http://www.optimal-systems.com ). OS bietet spezielle DRT-Lösungen für den „Healthcare“-Sektor an und beschreibt in diesem Gastbeitrag die technologischen und regulativen Voraussetzungen für solche Systeme.
IT-Dschungel Krankenhaus - Ausgangslage
Krankenhäuser stehen wie jedes Unternehmen zunehmend unter wirtschaftlichem Druck, nicht zuletzt durch tiefgreifende Reformen wie z. B. die Einführung der Diagnostic Related Groups (DRG), bei denen die Abrechnung von Behandlungen in Krankenhäusern durch Fallpauschalen erfolgt. Gesucht werden deswegen IT-Lösungen, die in umfassendem Maße alle Prozesse abbilden, die im Krankenhaus, zwischen Krankenhäusern und zwischen Krankenhaus und niedergelassenen Ärzten stattfinden und sämtliche Daten und Dokumente sowohl aus dem klinischen als auch dem administrativen Bereich verwalten, gezielt verteilen und archivieren. Ziel ist es, dass alle Informationen zum und über den Patienten zeit- und ortsunabhängig vom berechtigten Personal eingesehen und bearbeitet werden können.
Doch schon bei einer nur oberflächigen Analyse von Krankenhausprozessen stellt sich heraus, das die Problematik sehr viel umfassender ist als bei Industrieunternehmen. Jedes Krankenhaus ist anders strukturiert und verfügt über unterschiedliche Fachabteilungen, die wiederum individuell miteinander verflochten sind. Unzählige Fachanwendungen verfügen - wenn überhaupt – noch über proprietäre Schnittstellen. Dazu kommt eine große Anzahl von einzuhaltenden Standards, die in den Kliniken sowohl in den jeweiligen Bereichen als auch in den dann spezifischen Behandlungsprozessen anzutreffen sind. So gibt es neben zahlreichen IT-Standards mindestes ebenso viele Normen bezüglich der Formulare, der medizinischen Dokumentation, der Art und Weise der Behandlungsabläufe u.v.m., die allein schon aus juristischen Gründen erfüllt werden müssen.
Die entstehenden Informationen werden heute noch zum großen Teil in Papierform, teilweise aber auch schon als elektronische Dokumente und teilweise als Daten in entsprechenden Datenbanken vorgehalten und ausgetauscht. Zudem ist für einen umfassenden Informationsaustausch eine komplette Vernetzung aller Arbeitsplätze mit vollständigem Austausch der jeweils anfallenden Patienteninformationen notwendig. Entsprechend gibt es viele Anbieter von Speziallösungen, die zwar eine Kommunikation zwischen einigen wenigen Fachlösungen ermöglichen, aber eine umfassende Lösung, die sämtliche in einem Krankenhaus anfallenden Daten und Dokumente verwaltet, wird hier nicht geboten – auch wenn einige Anbieter sogenannter heterogener Komplettsysteme dies von sich behaupten.
Ein Standard ist kein Standard
In diesem Zusammenhang wird von einigen Herstellern eine Elektronische Patientenakte (EPA) angeboten, die alle in einem Krankenhaus anfallenden Informationen verwalten und verteilen und zum Teil auch die klinischen Prozesse lenken soll. Sie muss zahlreiche Spezial- bzw. Subsysteme bedienen, wobei der Datenaustausch teilweise standardisiert, aber auch über proprietäre Schnittstellen erfolgen muss. Denn der Austausch zwischen den verschiedenen Spezialsystemen ist erforderlich, um am Arbeitsplatz des behandelnden Arztes auf alle Befunde und Berichte zum Patienten zeitnah und integrativ zugreifen zu können. Wichtig ist hierbei die Fähigkeit, sich existierender, internationaler Standards zu bedienen (z. B. HL7, DICOM, CCOW).
Dem behandelnden Arzt und Pfleger müssen folgende, über die heterogene IT-Landschaft hinweg erfassten Informationen zum Patienten zur Verfügung stellt werden:
   
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Daten, Bilder und Dokumente, die aus Sub-Systemen kommuniziert werden (Beispiele: Endoskopie-Bilder und -Befunde, Labordaten)
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Daten, Bilder und Dokumente, die sich in anderen EDV-Systemen befinden, auf die aber mittels Verweis-Technik zugegriffen werden kann (Beispiele: großvolumige Röntgenbilder aus einem zentralen Bildarchiv/PACS; Kumulativbefunde aus einem Laborsystem)
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Daten, Bilder und Dokumente, die innerhalb der EPA erstellt wurden (Beispiele: Arztbrief, Untersuchungsbefunde, Fotodokumentation, gescannte Dokumente aus der Krankenakte)
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Patientenstammdaten, die vom KIS/PDMS (Krankenhaus-Informations-System/ Patientendaten-Management-System) kommuniziert und importiert wurden.
Andererseits müssen auch Daten an Subsysteme kommuniziert werden, wie z. B. Auftragsdaten für ein digitales Anforderungswesen, weitergereichte Patientenstammdaten an Subsysteme oder aufbereitete Fallverlaufsdaten für Qualitätssicherungssysteme.
Die Patientendatenpflege selbst erfolgt zentral im KIS, wobei der Datenabgleich in der Regel über HL7 erfolgt und gewährleistet, dass die aktu-ellen Patientenstammdaten verfügbar sind. HL7 ist ein Standardprotokoll und beschreibt in strukturierter Form die Zusammensetzung und Übermittlung praktisch für alle Nachrichten und Ereignisse, die im Rahmen der Krankenhauskommunikation auftreten können. Nachrichten zur Aufnahme, Verlegung und Entlassung von Patienten (ADT) werden aus dem KIS übernommen und Leistungsdaten z. B. für Abrechnungszwecke zurückgegeben. Mit Sekundärkliniken, die ein eigenes Datenverarbeitungssystem unterhalten, werden die Anforderungen und die Ergebnisse elektronisch ausgetauscht. Die z. B. von Laborsystemen erzeugten Daten werden entweder über HL7 oder xDT übernommen oder als Druckerdatenstrom (Spool) übergeben, analysiert und als Datenbankinformation abgelegt. Oft sind in Krankenhäusern Geräte oder Programme mit proprietären Schnittstellen vorhanden. Mit einer API-Schnittstelle können diese in der Regel integriert werden.
Für die Bildverarbeitung und -übertragung in der Medizin hat sich der herstellerunabhängige offene Standard DICOM (Digital Imaging and Communications in Medicine) international durchgesetzt. Über diesen können Computertomographien, Endoskopien, Sonographien etc. ausgetauscht werden. Der Standard DICOM wird immer umfangreicher und enthält neben den eigentlichen Bilddaten eine Vielzahl von zusätzlichen Informationen (Patientendaten, Kommunikationsmodell, Workflow etc.).
xDT-Standards wie LDT (Labordatenträger), GDT (Gerätedatenträger) und BDT (Behandlungsdatenträger) müssen ebenfalls mit Schnittstellen bedient werden. Für den Import aus anderen Systemen stehen Standardformate wie ASCII, dBaseIII, EBCDIC und XML zu Verfügung. Spezielle medizinische Software wie KODIP®, ID DIACOS®, CARDIOSOFT®, etc und Wissensbasen (z. B. Medline, DIMDI, Gelbe Liste, Rote Liste, usw.) sollen ebenfalls integriert werden.
Was ist besser – Kompaktanlage oder Komponentenlösung?
Bei umfassenden monolithischen Lösungen versprechen die Hersteller, dass alle notwendigen Funktionen und abteilungsspezifischen Anforderungen abgebildet sind und die Kommunikation zwischen den Komponenten optimiert  ist. Dieser Umstand befreit das Krankenhaus vermeintlich von der Problematik, einzelne unabhängige Speziallösungen über entsprechende Schnittstellen verbinden zu müssen. Aber in vielen Fällen existieren funktionell schmale, dringend notwendige Spezialsoftwaresysteme, die trotz des holistischen Anspruchs der Gesamtlösung eingebunden werden sollen, da dem Anbieter es nicht immer möglich ist, zu jedem Spezialgebiet das passende Knowhow aufzubauen.
Gerade auf Anbindungen dieser Art wird aber bei Anbietern von geschlossenen Lösungen kein besonderes Augenmerk gerichtet, da sie ja eigentlich alle Funktionalitäten selber stellen wollen. Besonders problematisch ist die Realisierung monolithischer Systeme auch dann, wenn nach Form und Inhalt sowie nach rechtssicherer Langzeitarchivierung gefragt wird. Denn oftmals werden in diesen Systemen zwar die Inhalte über die Verwaltung von reinen Daten abgebildet, aber was nützt dies, wenn nicht aus den Befunddaten automatisch ein ‚Objekt’ wie z. B. ein Arzt- oder Entlassungsbrief erzeugt werden kann, dass sich im gleichen System, am gleichen Ort, nämlich innerhalb der Patientenakte, rechtssicher archivieren lässt. Weil aber eine Objektverwaltung nur unzureichend möglich ist, wird die Form schnell außer Acht gelassen und die Dokumente können deswegen nicht rechtssicher vorgehalten werden. Erst Form und Inhalt zusammen bilden eine über einen langen Zeitraum hinweg wieder verwertbare Einheit.
Bei einem anderen Lösungsansatz wird dagegen akzeptiert, dass es für die verschiedensten Aufgabenbereiche bereits heute in nahezu jedem Haus unterschiedliche Softwarelösungen mit jeweiliger Spezialkompetenz gibt. Ein wesentliches Ziel ist hierbei, die elektronische Kommunikation und Interoperabilität zwischen den einzelnen Funktionsbereichen zu ermöglichen und die sowohl klinischen als auch administrativen Daten sinnvoll zusammenzuführen. Denn der Austausch zwischen den verschiedenen Spezialsystemen ist erforderlich, um am Arbeitsplatz des behandelnden Arztes auf alle Befunde und Berichte zum Patienten zeitnah und integrativ zugreifen zu können. Darüber hinaus ist es durchaus möglich, durch eine gute GU-schaft, ggf. in Verbindung mit einem unabhängigen Beratungsunternehmen, das Thema Verantwortlichkeit vollständig in den Griff zu bekommen – dies sollte also kein alleiniger Grund sein, sich für eine monolitische Lösung zu entscheiden.
Die EPA – digitale Papierakte oder Schmelztiegel aller Informationen?
Hier bietet sich die Einführung einer Elektronischen Patientenakte (EPA) als Kommunikations- und Integrationsplattform an, die dem behandelnden Arzt und Pfleger alle oben genannten innerhalb der heterogenen IT-Landschaft erfassten Informationen zum Patienten zur Verfügung stellt. Dabei werden aus den Daten Dokumente erzeugt, die wiederum im Kontext z. B. zum Patienten oder Aufenthalt verwaltet werden. Gewissermaßen per Definition muss die EPA schnittstellenstark sein, denn sie führt als „Schmelztiegel“ alle digitalen medizinischen Informationen zu einem Patienten (soweit diese differentialdiagnostisch-therapeutisch und dokumentationsrechtlich relevant sind) aus den einzelnen Speziallösungen innerhalb einer Einrichtung oder einer Versorgungsstruktur zusammen. Eine Lösung in dieser Form setzt Kommunikationsstrukturen (z. B. einen Kommunikationsserver) und funktionale Schnittstellen auf Seiten aller beteiligten Systeme voraus. Die EPA kommuniziert auch Daten an die Subsysteme – z. B. Auftragsdaten für ein digitales Anforderungswesen, Patientenstammdaten, die an die Subsysteme ohne Schnittstelle zum PDMS weitergeleitet werden, oder aufbereitete Fallverlaufsdaten für Qualitätssicherungssysteme. Dabei müssen die Kommunikationslösungen so ausgestaltet sein, dass die Daten zur Weiterverarbeitung innerhalb der EPA zur Verfügung stehen – zur automatisierten Datenübernahme im Dokumentenworkflow. Denn ein reines „Durchreichen“ von Verweisen oder Bildern („image enabling“) reicht nicht aus, da die Dokumentationskette nicht unterstützt und lediglich Kommunikation, aber keine Interoperation erreicht wird.
Die Notwendigkeit einer EPA ist auch schon alleine durch die Pläne des Gesundheitsministeriums gegeben. Im Rahmen der anstehenden Gesundheitsreform soll die derzeitige Krankenversichertenkarte zu einer elektronischen Gesundheitskarte ausgebaut werden. Die darauf gespeicherten Daten und Dokumente zu einem Patienten - Untersuchungen, Arzneimittelverordnungen, Impfungen, Notfalldaten, etc. -  können nur in einem Sammelbecken wie der EPA vorgehalten werden.
Die Bedarfslage in allen Einrichtungen des Gesundheitswesens entwickelt sich stetig weiter, z.B. durch neue Gesetzesvorgaben, aber auch neue diagnostische Verfahren und damit verbundenen neue Datenquellen und -formate, durchzuführende klinische Studien und qualitätssichernde Maßnahmen. Eine besondere Bedeutung kommt hier auch dem mobilen Zugriff auf die Patientendaten bei der Dokumentation am Patientenbett zu. Dies bedeutet, dass die EPA laufend mitwachsen können und sehr flexibel sein muss – bei so wenig Implementierungsaufwand wie möglich. Im idealen Fall kann die Erweiterung durch den qualifizierten Anwender sogar selbst vorgenommen werden.
In diesem Zusammenhang spielt der Einsatz von DRT (Document Related Technologies) eine immer größere Rolle. DRT umfassen digitale Archivierung, Dokumentenmanagement, Workflow, Groupware, Internet etc. und bezeichnet eine Zusammenfassung von Funktionen, die in IT-Anwendungen in anderen Wirtschaftsbereichen bereits schon Standard sind. DRT leisten integriertes Management und Archivierung aller Informationsarten, steuert einheitlich den Informationszugriff unabhängig von Quelle und Nutzung und bietet sämtlichen Komfort modernen Dokumentenmanagements wie Versionierung, Volltextrecherche, Wiedervorlage, Digitale Signatur, Workflow, vielfältige Im- und Exportmöglichkeiten und vieles mehr.
Kann das Gesundheitswesen von der Industrie lernen?
Von daher stellt sich die berechtigte Frage, ob DRT nicht auch im Gesundheitswesen sinnvoll eingesetzt werden können. So erfüllen DRT aufgrund ihrer Ausrichtung auf Archivierung und gleichzeitigen Verwaltung von Daten und Dokumenten Anforderungen an eine umfassende Dokumentation im medizinischen und administrativen Bereich, die herkömmliche Klinik-Software bisher nur eingeschränkt abbilden kann. Daten und Dokumenten verschmelzen zu Objekten, die nicht nur wissen wo sie herkommen, sondern auch wer was wann an ihnen geändert hat. DRT liefert entscheidende Bausteine wie z. B. revisionssichere Archivierung, Dokumentenmanagement und Workflow, die die EPA bei der Steuerung des Informationsflusses entscheidend unterstützen. Diese Verbindung bietet eine vielseitige Einsetzbarkeit und liefert die Basis für einen klinikweiten und bereichsübergreifenden Daten- und Dokumentenfluss und für eine umfassende Dokumentation im medizinischen und administrativen Bereich.
Eine der wichtigen Basisfunktionen von DRT ist die revisionssichere Archivierung von Elektronischen Dokumenten, die in unterschiedlichsten Dateiformaten vorliegen können. Denn medizinische Dokumentationen und Daten zu Patienten müssen bis zu 30 Jahren archiviert werden, wobei die digitale Archivierung auf elektronischen Datenträgern und anderen Speichermedien grundsätzlich zulässig ist. Aber auch in Bezug auf abrechnungsrelevante Daten müssen laut der neuen Abgabenordnung des Bundesfinanzministeriums alle steuerpflichtigen Unternehmen und damit auch Krankenhäuser die digital in dem Unternehmen entstandenen Dateien für eine effizientere Steuerprüfung auch digital archivieren. Der Begriff „steuerrelevante Daten“ ist sehr weich gefasst und umfasst auch hier unterschiedlichste Dokumenttypen wie z. B. Belege, E-Mails oder Kalkulationen. Zudem ist es zwingend notwendig, die im Laufe der Jahre anfallenden Datenmengen auf externe Speichermedien auszulagern und damit Ressourcen freizusetzen. Dabei kann die digitale Archivierung sowohl in der Verwaltung als auch für die Krankenakten eingesetzt werden und erfolgt auf optischen Medien bei der gesetzlich vorgeschriebenen Archivierungsdauer.
DRT bietet nicht nur die Voraussetzung für eine rechts- und zukunftssichere Archivierung sondern auch ein entsprechendes Dokumentations- bzw. Objektmanagement. Nur dadurch wird ermöglicht, dass Daten und Dokumente zu einem Patienten, die oft in unterschiedlichsten Formaten vorliegen, jeweils zu einem „Objekt“ (z. B. Arztbrief) verschmolzen werden, das sich im gleichen System, am gleichen Ort, nämlich innerhalb der Patientenakte, rechtssicher archivieren lässt. Erst Form und Inhalt zusammen bilden eine über einen langen Zeitraum hinweg wieder verwertbare Einheit.  Schon alleine zur Erfüllung der rechtlichen Vorgaben zur Archivierung und zur Erreichung höherer Wirtschaftlichkeit werden die Krankenhäuser um den Einsatz von DRT nicht herumkommen, schon heute übernehmen diese versteckt in unterschiedlichsten Softwareprodukten wie z. B. Krankenhaus-Informations-Systeme (KIS) oder Elektronischer Patientenakte wichtige Funktionen.
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