20020305 \  In der Diskussion \  Angetreten, Weggetreten, Nachgetreten, Vorgetreten ...
Angetreten, Weggetreten, Nachgetreten, Vorgetreten ...
Es ist schon ein Trauerspiel ... die DRT-Branche in Agonie und Selbstbeweihräucherung, der Markt dem Zusammenbruch nahe. Viele Anbieter werfen das Handtuch, suchen ihr Heil in Mergers & Acquisitions, Kooperationen, Zusammenschlüssen. Besonders SER war in den letzten Wochen im Mittelpunkt des Interesses, aber auch andere Neue Markt Teilnehmer wie EASY oder CEYONIQ sind in einer ähnlich misslichen Lage. Bleiben wir jedoch heute zunächst einmal bei der SER Systems AG und Gerd Reinhardt.
Angetreten
Gerd Reinhardt war derjenige, der als erster die Chancen des Neuen Marktes wahrgenommen hat und der als Einzelpersönlichkeit mehr im Rampenlicht als andere Unternehmensführer stand. SER kaufte mit den virtuellen Millionen ein – leider ohne erkennbare Strategie. Der Anspruch von SER Systems und Gerd Reinhardt war Weltmarktführer bei Knowledge Management, hier aber eher eingegrenzt automatischer Klassifikation, zu werden. Diesem Traum fiel häufiger das rationale Kalkül zum Opfer. Dies muss Gerd Reinhardt sich vorwerfen lassen.
Weggetreten
Nunmehr wird die SER Systems AG zerlegt. Eine deutsche SER Solutions GmbH versucht im MBO das Geschäft mit der öffentlichen Verwaltung und DOMEA zu retten, eine amerikanische SER Solutions Inc. wird den Kern, SERBrainware, weiterführen. Die Fertigung von Jukeboxen wurde auch ausgegliedert und so bleibt von der AG kaum etwas übrig. Hie und da ein paar Prozente Anteile, um irgendwann in ferner Zukunft doch den einen oder anderen Investor vielleicht zu befriedigen. Gerd Reinhardt selbst zieht es in die USA. Gemessen am ursprünglichen Anspruch – ich erinnere mich noch gut an seinen Vortrag vor unserem Bundeskanzler -  kein würdiger Abgang. Man muss aber Gerd Reinhardt zu Gute halten, dass er die DRT Branche in Deutschland wesentlich geprägt hat, im Positiven wie heute leider auch im Negativen. Der Niedergang von SER trifft die ganze Branche.
Nachgetreten
Nun ist es in der Presselandschaft immer so, dass eine schlechte Nachricht häufig eine gut verkaufbare Nachricht ist. Es ist daher auch legitim, wenn Journalisten kritisch und hart mit dem gefallenen Börsengänger umgehen. Anders sieht dies mit den Analysten und Consultants aus, die mit ihren Äußerungen jetzt auch nachtreten. Man hat bei manchem den Eindruck, dass er nie SER empfohlen oder in einem Projekt mit SER zusammen gearbeitet hätte. Um es ganz klar zu sagen, PROJECT CONSULT hat Kunden in den 90er Jahren mehrfach SER empfohlen. Wir stehen zu diesen damaligen Empfehlungen. Sie waren sinnvoll und die Kunden sind heute noch zufrieden. Auch wir nehmen uns heraus über SER kritisch zu schreiben – allerdings nicht erst heute und im Nachgang, sondern schon seit Jahren. So wurden wir z.B. 1998 für unseren Beitrag „Paradigmenwechsel im Dokumentenmanagement“ von der gesamten DRT-Branche „verhauen“ - in einer Zeit der Börseneuphorie haben wir bereits damals auf die Warnzeichen hingewiesen. Wir haben in Artikeln und im Newsletter die Entwicklung bei SER Systems (und den anderen!) kritisch hinterfragt und kommentiert. Wir haben nicht nur gewarnt, sondern auch Lösungswege aufgezeigt. Im Frühjahr 2001 versuchten wir die schon damals angeschlagenen deutschen Marktführer in einem Unternehmen, einer Art DMS Deutschland AG, zusammenzuführen. Diese letzte Chance für die Unternehmen und für die deutsche DRT-Branche wurde leider vertan.
Vorgetreten
Es ist aber müßig über die Vergangenheit zu sprechen. Nahezu alle börsennotierten Unternehmen der DRT-Branche in Deutschland haben Stress oder sind bereits verschwunden. Wenn wir heute kritisch über SER schreiben, dann hat dies eine andere Berechtigung als bei den „Nachtretern“, und diese Kritik macht uns beileibe keinen Spaß. Wichtig ist vielmehr nach vorn zu blicken. Elektronische Archivierung wird ungeachtet aller vermeintlich neuen Trends immer wichtiger, Workflow erfährt als BPM eine Renaissance, die Verwaltung von Content wird nie geahnte Dimensionen erreichen – der Markt ist da. Nach der CeBIT wird es noch den einen oder anderen Anbieter erwischen, aber die Ampeln stehen längst wieder auf grün. Das Ende der Rezession für die Branche ist in Sicht – und es gibt mehr zu tun denn je. Also DRT-Anbieter – wieder vortreten und nicht mehr grummelnd im Kämmerlein sitzen bleiben. Und liebe potentielle Anwender, wenn man die Projekte sauber plant, an Schnittstellen, Standards, Migration und Formate im Vorwege denkt, dann gibt es keinen Grund, um heute nicht in DRT Document Related Technologies zu investieren. (Kff)
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