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In welcher Liga spielt Microsoft?
Artikel von Dr. Rainer Kossow, PMP, CDIA+, Senior-Berater bei PROJECT CONSULT, E-Mail: Rainer.Kossow@PROJECT-CONSULT.com.
In den letzten Jahren hat Microsoft seine Office Produkte kontinuierlich weiterentwickelt. Dabei standen die Produktfamilien zur individuellen Dokumentenerstellung, zur Datenverwaltung und zur Datenablage bisher nur in minimal integrierten Modulen zur Verfügung. Mit dem Office System 2007 werden Ende 2006 integrierte Tools zur persönlichen Arbeit und zur Zusammenarbeit angeboten. Damit will Microsoft den Anschluss an die etablierten Anbieter von ECM Systemen schaffen.  Analysten wie Forrester oder Gartner (siehe den PROJECT CONSULT Newsletter 20060308Newsletter 20060308) ordnen Microsoft schon bei den Aufsteigern ein.
Die Frage ist:  
Wann wird Microsoft nicht nur im Marketing ein ernstzunehmender Spieler auf dem ECM-Terrain?
Die Basis für die verbesserte Zusammenarbeit wird mit einem einheitlichen, allerdings Microsoft spezifischen XML, gelegt.  Die Definition dieser XML Variante ist frei verfügbar. Die Funktionalität wird sich neben der reinen Erstellung von Dokumenten auch auf die Nutzung von Daten erstrecken. Dabei werden die Formulare in InfoPath definiert und in Office Anwendungen eingebunden. Die Zuordnung von Feldern in InfoPath und auf dem Sharepoint Server erfolgt anwenderfreundlich über einen Wizard. Die eingegebenen Daten werden dann an den Sharepoint Server übergeben und können dort auch einen Workflow anstoßen. Diese Funktionalität ist allerdings nur gegeben, wenn Office Dokumente im XML-Format und nicht als DOC abgespeichert werden. Damit ist das Ende des alten DOC-Formates beschlossen. Es wird durch das XML Format in Dateien mit der Endung DOCX ersetzt. Sollte ein Word Dokument auch noch einen Makro enthalten lautet die Endung DOCM. Intern handelt es sich in beiden Fällen um eine Sammlung von komprimierten Dateien im ZIP Format, die mit dem Standardtool entpackt und einzeln angefasst werden können. Natürlich werden die neuen Office Produkte das betagte DOC Format lesen können. Vor dem Speichern können Informationen von vorherigem Speichern aus dem Dokument entfernt werden (sinnvoll bei der Signaturvergabe). Leider gibt es immer noch keine integrierte Verwaltung von Textbausteinen. Dies muss wie bisher über Partner realisiert werden. Dateien können wahlweise auch im Microsoft eigenen  XPS Format abgespeichert werden. Die Funktionalität entspricht der von PDF.
Mit InfoPath kann jetzt auch eine qualifizierte Signatur von Formularen erfolgen. Dabei wird das Dokument als PNG abgespeichert und die Signatur wird anschließend eingebettet. Sinnvoller wäre es hier, wenn die Signatur für die spätere Archivierung in TIFF oder PDF-A angehängt wäre, so dass eine Entkoppelung von Signatur und Dokument möglich ist.
Alle Office Produkte erhalten die neue „IGX“ Grafik Engine. Damit werden die Daten von Präsentationen analysiert und automatisch in komplexen Grafiken eingefügt. Die Hinterlegung von Unternehmensstandards für Grafiken ist jedoch noch nicht möglich.
Die Oberfläche der Office Produkte wurde entscheidend verbessert. Es ist jetzt nicht mehr nötig sich durch endlose Menübäume zur passenden Auswahl durchzusuchen. Vielmehr „ahnt“ das System, was der Anwender als nächstes machen möchte und bietet ihm die passenden Optionen an.
Der Sharepoint  Services Server (nicht zu verwechseln mit dem Sharepoint Web Server) wird zum Zentralen DMS Server. Dabei wird eine Integration zu allen anderen Microsoft Produkten angestrebt. So ist es z.B. möglich Kontaktdaten aus Exchange per Replikation an den Sharepoint Server zu übergeben und dort für Formulare in InfoPath zu nutzen. Auch Mail kann von Exchange an SharePoint übergeben werden. Dabei geht allerdings die Historie der Mail verloren.
Unter Langzeitarchivierungsgesichtspunkten sollten keine mit privaten Passworten geschützten Dokumente archiviert werden. Hier ist die Digital Rights Management Funktionalität eher hinderlich. Berechtigungen können zur Archivierung von Dokumenten nicht automatisch entfernt werden. Hierfür muss programmiert werden.
Leider gibt es immer noch keine gemeinsame Datenbasis für Access, Exchange und Sharepoint. Hier sollten sich die verschiedenen Entwicklungsteams an einen Tisch setzen und sich auf einen gemeinsamen Standard, z.B. SQL-Server einigen. Da der Sharepoint Server zentral alle Informationen vorhält sind Public Folder in Exchange überflüssig und werden bis Ende 2006 durch Sharepoint ersetzt werden.
Für die Rechtevergabe in Sharepoint wird das Active Directory genutzt. Dies erfolgt auf Gruppenebene, so dass Mitarbeiter, die das Unternehmen verlassen leicht aus einer Gruppe entfernt werden können, ohne die Zugriffsrechte für die Dokumente zu ändern. Auch wird es im Sharepoint zukünftig differenziertere rechte auf Unterordner geben.
Visio wird als Designer für Bizztalk genutzt. Die Umsetzung vom Design zur Applikation erfolgt allerdings noch mit Visual Studio. Die Windows Workflow Foundation wird mit ausgeliefert. Workflow kann umgangen werden, indem bei (Office) Dokumenten ein anderer Speicherort angegeben wird. Um das zu verhindern, sind Anpassungen von Partnern erforderlich.
Der Content Manager Server läuft aus und geht im Sharepoint Services Server auf. Frontpage für die Gestaltung von Webseiten wird durch den Sharepoint Designer (separates Produkt) ersetzt. Die Einbindung von Workflows wird möglich sein.
In Zukunft wird es nur noch einen Kalender pro Person in Sharepoint und Outlook geben. Projektkalender werden in Sharepoint verwaltet. Web Zugriff auf den Sharepoint Services Server ist   über den Sharepoint Portal Server möglich. Ein Dokument kann beim Speichern in Sharepoint nur in einem Kontext gespeichert werden. Zur Ablage an einem zweiten Ort muss dort entweder ein Link oder eine neue Instanz des Dokuments hinterlegt werden. Grundsätzlich besteht jetzt die Möglichkeit das Dateisystem nicht mehr zur Ablage zu benutzen und stattdessen den Sharepoint Services Server zu benutzen.
Auch im Bereich des Instant Messaging ändert sich eine Menge. Der Office Live Communicator 2007 ersetzt den MS-Messenger. Er dient gleichzeitig als Frontend für den Live Communications Server. Damit sind jetzt in einem Tool Instant Peer to Peer Kommunikation, Video Konferenz  und  VoIP möglich.
Der Business Contact Manager steht jetzt auch als Serverkomponente zur Verfügung. Dies erlaubt die Nutzung von CRM-Funktionalität in Verbindung mit Exchange oder die Adressverwaltung im Exchange zu überlasten.
Die Notizfunktionen von Outlook werden nicht weiter gepflegt und durch OneNote mit einem erheblich verbesserten Leistungsumfang ersetzt. Outlook wird auch zum Offline Client für Sharepoint Dateien und Workflow.
Ein normal ausgestatteter XP Rechner erfüllt die Hardwareanforderungen für die Clients der neuen Office Produkte. Für eine vollständige und integrierte Nutzung sollte man jedoch auf VISTA warten. Der Termin für die Freigabe wurde jedoch zum wiederholten Male verschoben. Vista als Marktreiber im Weihnachtsgeschäft wird es nicht geben, man rechnet inzwischen mit Februar 2007. Auf die deutsche Version muss man dann wahrscheinlich noch ein paar Tage länger warten.
Interessant ist auch noch das neue Peer-to-Peer-Kommunikationsangebot GROOVE von Microsoft. GROOVE eignet sich für die Zusammenarbeit in Teams, die viel unterwegs sind. Diese Teams benötigen nicht unbedingt einen gemeinsamen Server, können jedoch auch einen Relay Server bei Microsoft oder einen eigenen Firmen Relay Server nutzen. Dann sind Sharepoint CheckIn und CheckOut sowie Versionierung möglich. Damit gibt es eine Alternative zur Sharepoint offline oder Extranet Funktionalität. Die Kommunikation erfolgt sicher mit einer 1024 Bit Verschlüsselung. Replikationskonflikte werden nicht automatisch aufgelöst, sondern erfordern das manuelle Eingreifen des Anwenders. Dieses Verfahren kommt Lotus Notes Benutzern sicherlich bekannt vor. Das ist auch nicht verwunderlich, da Ray Ozzie der geistige Vater von GROOVE und Lotus Notes ist.  Interessant ist, dass GROOVE immer einen Weg durch Firewalls findet und so ein Datenaustausch für mobile Anwender leichter möglich ist. GROOVE Clients kosten ca. 100 bis 150 Euro. Der Relay Server liegt bei 2000 bis 3000 Euro. Eine 90 Tage Testversion kann von www.groove.net  geladen werden.
Es würde hier den Rahmen sprengen, das neue Lizenzmodell darzustellen. Als Anhaltspunkt für Großkunden sollte mit 200 bis 300 Euro pro Anwender für die Nutzung aller Office / ECM Produkte gerechnet werden. Neue Produkte wie z.B. Groove werden extra lizensiert werden müssen.
Fazit:
Die Office Produkte werden anwenderfreundlicher. Durch den Einsatz von XML wachsen die Client und Serverprodukte von Microsoft enger zusammen. Auch wenn noch einige Funktionen fehlen oder nicht ganz ausgereift sind wird der Sharepoint Services Server zur Microsoft Plattform für ECM, Records Management (über spezielles Repository) und Workflow. Es ist abzusehen, dass sich Microsoft mit den umfassenden Funktionalitäten in einer konsolidierten Produktfamilie zu einem ernstzunehmenden Anbieter im ECM-Umfeld entwickeln wird. 
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