20030710 \  In der Diskussion \  Wertverlust
Wertverlust
Elektronische Archivierung ist wieder in aller Munde. Nicht nur getrieben durch aktuelle Themen wie die GDPdU, sondern auch durch das zunehmende Bewusstsein, welchen Wert Information heute für Unternehmen und Verwaltungen hat. Doch wie ist es um die Werte in elektronischen Archiven bestellt?
Ein erstes Indiz liefert uns das Thema Migration. Viele Anwender der Ersten Stunde haben inzwischen auch die ersten Migrationen hinter sich gebracht. Dabei wurden Anwendungen, Datenbanken und komplette Archivbestände auf neue Plattformen und in neue Umgebungen transferiert. Der Aufwand besonders beim Auslesen alter Medien mit Kopieren auf neue Datenträger kostete mancher Orts viel Geld und Zeit. Nur vereinzelt wurde dabei mit neuen Kriterien nachindiziert, man war froh, die vorhandene Zugriffsinformation weiternutzen zu können. Ebenso spärlich wurde von der Möglichkeit Gebrauch gemacht nicht mehr benötigte Information zu entsorgen. Selten wurde vor der Migration gefragt, wie häufig hat man vorher auf die Dokumente zugegriffen, welchen Sinn macht es, sie vollständig zu migrieren. Meistens war man froh, wenn mal alles verlustfrei in die neue Umgebung herüberretten konnte.
Wird die Information in einem Archiv nicht genutzt, ist die Aufbewahrung (außer von echten und vermeintlichen rechtlichen Anforderungen einmal abgesehen ...) wertlos. Kann Information nicht genutzt werden, weil Ordnungs- und Zugriffskriterien fehlen, sinkt der Wert der Information. Hinzukommt die Intransparenz der elektronischen Speicherung. Während man beim Stöbern durch Papierablagen doch noch das Eine oder Andere wiederfindet, sind Zufallstreffer im elektronischen Archiv eher unwahrscheinlich.
Wir sprechen beim Thema Wert und Wertverlust über zwei wichtige Merkmale von Archiven – Indizierung und Aussonderung.
Die Vollständigkeit und Richtigkeit der Indizierung sichert das Wiederauffinden von Informationen. Hierbei war es schon immer ein Problem, vorzudenken, nach welchen Kriterien man in einer nicht absehbaren Zukunft Information recherchieren will. Besonders problematisch ist dies natürlich bei der Erschließung von Inhalten. Bei identifizierenden Merkmalen wie einer Belegnummer ist es relativ einfach. Aber schon Adress-Informationen können zum Problem werden, wenn Firmennamen, Firmenstandorte oder andere Stammdaten sich ändern.
Die Indizierung ist nahe verwandt mit der Ordnung von Informationen. Moderne Archivsysteme arbeiten hier mit Klassenkonzepten, die es über Vererbung erlauben formal oder inhaltlich gleichartige Informationsobjekte zusammenzufassen. Klassenkonzepte haben den Vorteil, dass die Klasseninformation fortgeschrieben werden kann, dass neue Merkmale hinzugefügt werden können, die dann auch für Dokumente gelten, die vor Jahren erfasst und gespeichert wurden.
Zu typischen Merkmalen einer Dokumentenklasse gehören z.B. Aufbewahrungsfristen, mit denen Speicherdauer und Speicherorte vordefiniert werden. Aufbewahrungsfristen sind jedoch nur eine Seite der Medaille, Entsorgungszeitpunkte gehören ebenfalls hinzu. Hierunter sind Eigenschaften zu verstehen, die definieren, wann eine Information gelöscht werden muss. Sie dienen zur Wahrung von rechtlichen Vorgaben und fördern die gezielte Entschlackung von Archiven.
Was haben nun Indizierung, Ordnung, Aufbewahrungsfristen und Entsorgungszeitpunkte mit dem Wert von Informationen und Archiven zu tun? Der Wert von Archiven wird durch die Nutzbarkeit bestimmt, die richtige Information im richtigen Zusammenhang muss vollständig und gültig dem Anwender zur Verfügung gestellt werden. Ein Mehr von unwichtiger oder ungültiger Information erfordert Bewertung und bewusste Entscheidung, sie nicht zu berücksichtigen, behindert also eher die Arbeit mit einem elektronischen Archiv. Ungültige Information sollte nicht in einer Ergebnisliste einer Suche auftauchen. Ob hier die Bereinigung der Verwaltungsdatenbank ausreichend ist, oder ob auch die Löschung auf dem Speichermedium erforderlich wird, entschiedet sich am Charakter der gespeicherten Information.
Eine solche Bereinigung ist nur dann möglich, wenn entsprechende Regeln im System automatisiert ablaufen können, die ungültige oder veraltete Information herausfiltern können. Dies ist in der Regel nicht über das Speicherdatum möglich, da eine Aufbewahrungsfrist zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten beginnen kann, gleich bei der Erfassung oder erst nach Abschluss eines Vorganges.
Es bedarf daher Ordnungskriterien und Regeln, um ein elektronisches Archiv vernünftig zu organisieren. Es kann nicht Strategie sein, einfach alle Informationen ungeordnet, unbewertet, ungefiltert in einem Archiv zu versenken. Dies führt zu einem Datengrab, das bei wachsender Informationsmenge immer schwieriger zu nutzen wird. Auch wenn Speicherplatz immer günstiger wird, muss Information organisiert werden. Je komplexer und umfangreicher Information wird, des do wichtiger wird auch die Aufgabe der Archivorganisation. Die Qualität der Indizierung, Ordnung und Organisation von Information entscheidet über die langfristige Nutzbarkeit eines elektronischen Archivs. Je systematischer man bei der Ersteinrichtung vorgeht, des do weniger Probleme hat man bei der zukünftigen Nutzung.
Und nur ein nutzbares Archiv stellt einen Wert dar, ein schlecht organisiertes Archiv führt automatisch zum Wertverlust. (Kff)
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