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Zentraler Posteingang versus dezentrales Scannen
Heute werden mehr als zwei Drittel aller Firmendokumente elektronisch erstellt. Ein Großteil dieser elektronischen Dokumente wird auch schon per E-Mail oder Fax transportiert, verteilt und abgelegt. Doch der  kleinere Teil der digital vorliegenden Dokumente wird nach wie vor über den herkömmlichen Kurierdienst in einer Papiermappe oder in einem Umschlag zugestellt. Damit wird nicht nur ein Medienbruch bei der Verteilung, sondern auch bei der Ablage und Archivierung verursacht, der wiederum ineffiziente Recherchetätigkeiten nach sich zieht.
Das Ziel vieler Unternehmen ist es, alle eingehenden und ausgehenden Informationen in elektronischen Akten zu führen. Damit ist eine zeitnahe und effiziente Informationsversorgung im Innen- und Außenverhältnis der Unternehmen gewährleistet. Dieser Zustand kann durch zentrale und dezentral Organisationsformen des Scannens erreicht werden. Die Daten, die auf Papierdokumenten festgehalten werden, müssen zunächst über Scanner digitalisiert werden. Die rasante IT-Entwicklung liefert die Grundlage, um den Informationsträger Papier abzulösen und durch plattform- und quellenunabhängiges Speicher- und Transfermedien zu ersetzen.
Unabhängig von der Entscheidung „zentraler Posteingang mit zentralem Scannen“ oder „dezentrales Scannen in den Abteilungen“ muß die Organisation der Inhaltserschließung und des Informationsgehalts der elektronischen Dokumente geklärt werden. Der Aufbau einer Ordnungssystematik und eines kontrollierten Wortschatzes ist wesentlich, um das Wiederfinden von Daten und Dokumenten sicherzustellen - unabhängig von Personen, Fachgebieten und Organisationseinheiten. Nur eine unternehmensweite einheitliche Nomenklatur sichert den Erfolg der Lösung.
Grundsätzliche Erfassungsstrategien
Es können drei grundsätzliche Erfassungsstrategien unterschieden werden: „frühes Erfassen“, „paralleles Erfassen“ und „spätes Erfassen“. Die Speicherung von Host-Output-Dateien ist zum Beispiel dem späten Erfassen zuzuordnen, die Speicherung von Dokumenten aus Bürokommunikationsanwen-dungen wie einer Textverarbeitung dagegen nutzt dasVerfahren der „parallelen Erfassen“. Beim Scannen von Posteingangsgut sind folgende Ausprägungen im Einsatz:
„Frühes Erfassen“
Das Scannen erfolgt vor der Verteilung der Post und damit vor der Sachbearbeitung in einer zentralen Stelle. Dort ist auch eine visuelle Qualitätskontrolle und die Vergabe von Verteilerinformationen angesiedelt. Die Post wird dem Bearbeiter anschließend digital zugesandt. Das „frühe Erfassen“ setzt voraus, daß entsprechende Steuer- oder Workflow-Programme vorhanden sind und daß der Bearbeiter über einen PC-basierten Arbeitsplatz zur Anzeige von Dokumenten verfügt (vgl. Abb. 1).
Abbildung 1: Prozeß bei früher Erfassung
„Paralleles Erfassen“
Der Bearbeiter hat einen Scanner an seinem Arbeitsplatz und erfaßt selbst während der Bearbeitung. Er ist damit auch für die Qualitätskontrolle und die korrekte Indizierung zuständig. Der Bearbeiter hat hierfür einen PC-basierten Arbeitsplatz. Eine explizite Workflow-Unterstützung ist nicht notwendig (vgl. Abb. 2).
„Spätes Erfassen“
Die zu erfassenden Dokumente werden erst nach Abschluß der Bearbeitung an eine zentrale oder dezentrale Scan-Stelle geleitet. Die zugehörigen Stammdaten sind dann häufig schon im System vorhanden. Die Dokumente können mithilfe halbautomtischer Verfahren wie beispielsweise Barcode-Aufkleber oder Deckblätter erfaßt und zugeordnet werden.
Abbildung 2: Prozeß bei paralleler Erfassung
Das Verfahren der späten Erfassung unterstützt nicht die Sachbearbeitung, sondern lediglich die Archivierung. Vorteil ist, daß herkömmliche Host-basierte Verfahren mit Terminals in der Sachbearbei-tung weitergenutzt werden können und bei einer Recherche zumindest das Vorhandensein eines Dokuments über die Ergebnislistenanzeige er-mittelt werden kann (vgl. Abb. 3). Über die Ergebnisliste kann bei einer Terminal-orinetierten Anwendung der Druck oder das Faxen des Dokumentes angestoßen werden.
Abbildung 3: Prozeß bei später Erfassung
Im realen Betrieb in größeren Unternehmen werden diese verschiedenen Erfassungstypen häufig parallel eingesetzt. Während die Methode des zentralen Posteingangs für Vordrucke und allgemeines Schriftgut genutzt wird, werden vertrauliche Dokumente und vollständige Akten aus Altbestand häufig dezentral eingescannt.
Indizierung
Die Indizierung für die Ablage und Archivierung sowie die Recherche von Dokumenten ist die wichtigste Voraussetzung, um eine vollständige Übersicht über die entstehenden elektronischen Dokumente zu gewinnen.
Für die Indizierung stehen mehrere Verfahren zur Verfügung:
   
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automatische Indizierung
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halbautomatische Indizierung
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manuelle Indizierung
Diese Verfahren können auch gemischt eingesetzt werden.
Die automatische Indizierung wird vorwiegend im Bereich des zentralen Scannens eingesetzt, da größere Dokumentenmengen in Stapeln gescannt werden können. Eine Vorindizierung kann dann z. B. über Barcode oder OCR erfolgen.
Bei der manuellen Indizierung, die sowohl beim zentralen und dezentralen Scannen eingesetzt werden kann, sollten Auswahllisten für die Indizierung zur Verfügung stehen, um Fehlerquellen bei der Vergabe von Indizes so gering wie möglich zu halten.
Standardabläufe beim zentralen und dezentralen Scannen
Der Standardablauf vom Eingang der Papierdokumente über das Scannen, Indizieren sowie Ablegen bzw. Archivieren ist beim zentralen und dezentralen Posteingang identisch und besteht aus den folgenden Arbeitsschritten:
   
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Arbeitsvorbereitung (Schriftgutsortierung, Auf-be-reitung, Vernichtung, Zuführung zur Registratur)
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Scannen (Posteingangspool)
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Basisindizierung des eindeutig zustellbaren Schriftguts
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Clearing für das nicht zustellbare Schriftgut
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Elektronische Zustellung in den „elektronischen Postkorb“ eines Bearbeiters mit Hilfe eines Regelwerkes Anzeige
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Vollindizierung beim verantwortlichen Mitarbeiter
Die Indizierung von Dokumenten muß nicht in einem Schritt erfolgen, sondern kann in mehreren Stufen geschehen. Unter einer mehrstufigen Indizierung wird verstanden, daß zur vollständigen Indizierung eines Dokuments mehrere voneinander unabhängige Arbeitsschritte vollzogen werden können.
Während die Basisindizierung direkt beim Scannen stattfindet, kann die  Vollindizierung nur durch einen verantwortlichen Mitarbeiter vorgenom-men werden, der mit den Vorgängen vertraut ist.
Zentrales Scannen
Das zentrale Scannen direkt bei Posteingang in der Postzentrale ist augenscheinlich die bestmögliche Organisationsform bei der Einführung eines Dokumenten-Management- oder Archivsystems. Zen-trales Scannen zeigt folgendes Nutzenpotential:
   
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Maschinen- und Personal Ressourcen werden öko-nomisch genutzt
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Die Anwendung der Scannertechnologie führt zu guten Imagequalitäten bei gleichzeitig klarer Verantwortung der Scannmitarbeiter
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Basisindizierung, Clearing und Qualitätssicherung sind eindeutig benannten Mitarbeitern zugewiesen
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Die Postverteilung wird durch die sofortige elektronische Zustellung beschleunigt und ersetzt den physisch verteilten Transport von Dokumenten
Durch das zentrale Scannen kann die Effizienz und Rationalisierung des Posteingangsverfahrens im Unternehmen rasch gesteigert werden. Je schneller das papierbasierte Dokumentenhandling vom elek-tronischen Verfahren abgelöst wird, desto weniger Papier wird in die laufenden Arbeitsprozesse eingeführt. Der kostspielige Medienbruch kann umso schneller abgeschafft werden.
Als vermeintlicher Nachteil ist der folgende Aspekt zu nennen: Die Einführung einer zentralen Scan-Lösung bedarf im Vorfeld eines gut vorbereiteten Organisations- und Einführungskonzepts. Hier gilt „Strategie vor Organisation vor Technik“. Ohne diese wird „der große Wurf“ zur Effizienzfalle.
Beim zentralen Ansatz sollte berücksichtigt werden, daß auch vertrauliche papiergebundene Informationen wie z. B. im Personalwesen oder auf Vorstandsebene gescannt werden müssen. Dies ist beispielsweise über einen dezental aufgestellten Abteilungsscanner möglich.
Dezentrales Scannen
Beim dezentralen Scannen wird die Papierpost durch die zentrale Poststelle an die betreffenden Abteilungen oder Sekretariate weitergeleitet.
Bei diesem Prozeß können unterschiedliche Organisationsformen zum Einsatz kommen: Entweder scannen Sekretärinnen die Dokumente und vergeben Basisindizes. Oder der zuständige Sachbearbeiter scannt und vergibt Basis- und Vollindizierung.
Als Vorteil ist zu nennen:
   
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Die Einführung eines Dokumenten-Manage-ment-Systems wird in kleinen Schritten möglich. Dadurch finden weniger Ausfälle in der Umstellungsphase statt. Außerdem haben die Mitarbeiter Gelegenheit, sich durch  Informationsaustausch in den einzelnen Abteilungen an das neue System zu gewöhnen.
Als Nachteile sind zu nennen:
   
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Die Qualitätskontrolle kann nicht von zentraler Steller sichergestellt werden. Die Qualitätsverantwortung liegt vielmehr in den Händen der Mitarbeiter. Sie entscheiden, ob alle relevanten papiergebundenen Dokumente gescannt wurden und ob die Images in ausreichender Qualität zur Verfügung stehen.
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Bei den dezentralen Abläufen kann die Sicherstellung ordnungsgemäßer Indizierung und Archivierung über Arbeitsanweisungen und entsprechende Kontrollverfahren zu deren Einhaltung erfolgen.
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Dadurch bedingt ist natürlich ein langsamere Umstellung auf das neue System und eine damit verbundene geminderte Effektivität.
Elektronische Posteingangskörbe
Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor bei zentralem und dezentralem Posteingang ist die Einrichtung eines „einheitlichen elektronischen Posteingangskorbs“, der für jeden Mitarbeiter bereitgestellt wird.
Sowohl für den zentralen als für den dezentralen Posteingang wird ein  „elektronischer Posteingangskorb“ benötigt, der alle Typen von eingehenden Dokumenten und Daten darstellen kann:
   
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Gescannte Papierpost
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Selbsterzeugte Text-Dokumente
 ·
Faksimiles
 ·
Interne E-Mail
 ·
Internet-Mail
und damit verschiedene Formate unterstützt. In diesem Eingangskorb werden zukünftig auch aufgezeichnete Telefonate, Termine, Wiedervorlagen und andere Arten von „Dokumenten“ eingehen.
Bezogen auf den papiergebundenen Posteingang, der als gescanntes Faksimile im „elektronischen Postkorb“ erscheint, wird von einer regelbasierten Verteilung nach definierten Merkmalen ausgegangen. Der Trend geht zu unternehmensweiten Ressource Directories, die als Grundlage für die Adressierung dienen.
Der Mitarbeiter hat aufgrund seiner Rolle und den damit verbundenen Rechten Einsichten auf die für ihn bestimmten elektronischen Dokumente. Diese werden nicht redundant gespeichert, sondern über Verweise genutzt.
Zentral versus dezentral
Das Ziel der papierarmen Sachbearbeitung und die Realisierung einer elektronischen Akte wird mit beiden Prozessen erreicht, ebenso wie die ganzheitliche IT-Unterstützung von Geschäftsvorgängen. Alle Dokumente sind elektronisch verfügbar, schneller und sicherer allerdings beim zentralen Scannen. Die ehemals papiergebundenen Dokumente können bei beiden Prozessen sicher elektronisch archiviert werden. Durch Protokollierung und Verfahrensdokumentation sollten die Prozesse des Scannens, Indizierens und Archivierens dokumentiert und beschrieben werden.
Zeitaufwendiger, manueller Transport von Papiermengen zwischen Poststelle und Fachabteilungen entfällt bei der zentralen Lösung
Für Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern papiergebundenen Posteingängen kann ein dezentrales Scannen als ausreichend effektiv eingesetzt werden.
Bei größerem Dokumentenaufkommen wird für das effektive Informationsmanagement ein zentraler Posteingang mit zentralem Scannen empfohlen.
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