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GDPdU
Eine etwas andere Betrachtung der Änderung der Abgabenordnung (AO) und der Ausführungs-richtlinie GDPdU
Beitrag von Jörg K. Kottenbrink, Mitglied im Vorstand des VOI Verband Organisation und Information e.V., Darmstadt (http://www.voi.de, E-Mail an:: joerg.kottenbrink@web.de)
In den vergangenen Wochen ist schon viel über den Inhalt der GDPdU geschrieben worden. Jedoch gibt es immer noch einige Aspekte, die noch nicht in breiter Öffentlichkeit diskutiert wurden. Insbesondere dadurch, daß sich nun langsam auch die Wirtschaftsprüfer mit dem Thema beschäftigen, kommen weitere Hintergrundinformationen zum reinen Text des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) hinzu. Allerdings muß ein wichtiger Aspekt unbedingt beachtet werden: Es gibt bisher KEINE online-Prüfungspraxis seitens der Finanzbehörden bei den steuerpflichtigen Unternehmen. Es wird sich erst in einiger Zeit herausstellen, was die Prüfer wirklich sehen wollen und wie sie mit den Systemen arbeiten wollen. Denn für die Prüfer ändert sich in Zukunft viel: Das BMF hat eine Software ausgeschrieben, mit der Auswertungen auf Daten gefahren werden können (Auf-summieren, Mehrfachbelegung, Lücken-analyse von Reihen, etc.) Dies dürfte der Haupt-anwendungsfall beim Zugriff des Prüfers via Datenträgerüberlassung sein. Der Prüfer kann zwar auch die im ERP-System vorhandenen Auswertungen nutzen, diese werden aber i.d.R. nicht die Wünsche der Prüfer abdecken, daher dürfte die Datenträgerüberlassung ein sehr relevantes Thema werden. Der Kern der Änderung der AO ist schnell erklärt: Die Finanzbehörden wollen bei einer Außenprüfung künftig online recherchieren können. Aus EDV-Sicht sind von dieser Aussage zuallererst die ERP-Systeme betroffen, in denen Daten aus Finanzbuchhaltung, Anlagenbuchhaltung und Lohnbuchhaltung vorgehalten werden. Sekundär die Systeme (falls vorhanden), die im Hintergrund die Daten und Dokumente halten. Aufbewahrungspflichtige Unterlagen (bzw. steuerlich relevante Unterlagen) sind im Sinne der EDV sowohl Daten (des ERP-Systems), als auch die Dokumente. Der Aspekt der Daten sollte sogar vorrangig behandelt werden, da diese die betriebswirtschaftlichen Zusammen-hänge im Unternehmen präzise wiedergeben und für die Steuerprüfung der wichtigste Aspekt sein dürfte. Ein Zugriff auf die selbst erstellten Dokumente wird wohl nur in Zweifelsfällen notwendig sein, muß aber digital möglich sein. Mit Archivierung im Sinne der Anbieter hat diese Forderung im ersten Schritt noch nichts zu tun. Dies ändert sich jedoch bei vielen Unternehmen Schritt für Schritt:
   
 1.
Vom ERP-System selbst erzeugte Dokumente (wie Rechnungen) sind digital vorzuhalten. Dies bedeutet Archivierung mit Bordmitteln des ERP-Systems oder mit externen Werkzeugen.
 2.
Falls ERP-Systeme Daten und Dokumente nicht über einen Zeitraum bis zu 10 Jahre verfügbar halten können (Performance oder Verfügbarkeit des Systems), müssen die Daten ordentlich strukturiert abgelegt werden. Dies entweder über eingebaute Funktionen des ERP-Systems (Reorg) oder mit Hilfe eines anwendungsunabhängigen Archivsystems. Beim Ansatz der applikations-unabhängigen Archivierung sollte darauf geachtet werden, daß die betriebs-wirtschaftlichen Zusammen-hänge erhalten bleiben und auch das ERP-System tatsächlich um die übernommenen Datensätze bereinigt wird, um die Perfor-mance wieder zu erhöhen.
 3.
Falls Unterlagen in elektronischer Form eingehen (eMail, Portal,...), dann entsteht automatisch der Zwang zur Archivierung, denn es werden zur Ablage dieser Daten-ströme unveränderbare Datenträger und einige Protokollierungen erwartet.
 4.
Der ab 1.1.2002 mögliche elektronische Vor-steuerabzug mit den Finanzbehörden setzt die höchsten Hürden. Einerseits wird die quali-fizierte digitale Signatur mit Anbieter-akkreditierung verlangt und andererseits sogar zusätzlich die Ablage dieser Datenströme auf unveränderbaren Medien. Wie in einem Kom-mentar zu lesen war, wird davon ausge-gangen, daß in ca. 5 Jahren die elektronische Signatur „geknackt“ sein könnte. Daher könnten dann die Inhalte der Transaktion nachträglich unbemerkt modifiziert werden. Dies soll im Sinne der GDPdU durch sichere Datenträger verhindert werden.
Stichwort Datenträgerüberlassung
Hier dürfte nicht unbedingt ein selbsttragendes Archiv gemeint sein. Dies trifft sicherlich bei Anwendungen mit Dokumenten zu. Bei den Daten, ein Export aus dem ERP- oder Archiv-system, sind dies ganz einfach exportierte Daten-bank-tabellen, abgelegt als xls, dbase oder ASCII-Tabellen. Dazu eine Dokumentation der Struktur (Felder), damit die Steuerprüfer mit Tools wie WinIDEA oder ACL ihre statistischen Auswertungen und Verknüpfungen vornehmen können. Eine klassische Archivfunktionalität für Suche über Attribute braucht man in diesem Ansatz offensichtlich nicht. Bei Dokumenten jedoch schon. Eine weitere Herausforderung ergibt sich durch die geforderte Abgrenzung. In einem hoch integrierten ERP-System ist es sehr schwierig, den Zugriff des Prüfers sowohl zeitlich (Prüfungszeitraum), als auch inhaltlich (aufbe-wahrungs-pflichtige Unterlagen) präzise einzu-schränken. Eine Lösungsmöglichkeit könnte der gezielte Export in ein Archivsystem sein. Bitte jedoch wieder beachten, daß die betriebs-wirt-schaftlichen Zusammenhänge nach-vollziehbar bleiben müssen. Viele weitere Aspekte wurden in der Presse schon genannt, insbesondere die Fähigkeiten der Systeme mit der qualifizierten elektronischen Signatur umzugehen und alle Protokollierungsanforderungen zu erfüllen.
Noch zwei Dinge zum Trost:
   
 1.
Die Entscheidung für Archivsysteme bringen Nutzen für Unternehmen, es ist nicht nur lästige Pflichterfüllung für die Abgaben-ordnung.
 2.
Die Anwendung der geänderten AO wird ab 1.1.2002 Pflicht. Prüfungen, die diesen Zeitraum betreffen, folgen erst später. Und die Konsequenz für die Unternehmen, die sich nicht an die GDPdU halten heißt nur: nachträglich verfügbar machen, keine „Bestrafung“.
Trotz allem: Aktion der Unternehmer ist nun gefragt – am sinnvollsten mit einem inter-disziplinären Team aus IT- und Archiv-experten mit Unterstützung von Steuerberatern, die auch eine Mindestvorstellung von EDV haben.
Anmerkung der Redaktion: Der Beitrag von Herrn Kottenbrink wurde ungekürzt und ohne redaktionelle Bearbeitung veröffentlicht. Die Autorenrechte und die Verantwortung für den Inhalt liegen beim Autor.
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