New York – Die AIIM Conference & Show ( http://www.aiim.org ) ist weiterhin die wichtigste Veranstaltung für Dokumenten-Technologien. Unter dem diesjährigen Motto „Enterprise Content Management – Create, Capture, Customize, Deliver & Manage Enterprise Content to Support Business Processes“ traf sich alles, was in der Branche Rang und Namen hat – so scheint es zumindest auf den ersten Blick. Die diesjährige AIIM im Javits Center ging vom 29. April bis zum 03.Mai, wobei sich die Hauptaktivitäten des Kongresses und der Ausstellung auf den 30. April bis 02. Mai konzentrierten.
Content Management als neuer Leitgedanke
Das Motto der AIIM Show macht den Wandel deutlich. In den vergangenen Jahren dominierten andere Themen die Veranstaltung: Document Management, Knowledge Management, eBusiness.
Enterprise Content Management ist eine der wesentlichen Komponenten moderner eBusiness-Architekturen ohne den Anspruch zu verfolgen, gleich neue komplette Business-Anwendungen zu generieren. AIIM hat sich hier auf ihre ursprünglichen Kompetenzen besonnen.
Enterprise Content Management umfaßt alle bisherigen Dokumenten-Technologien wie Imaging, Workflow, klassisches Dokumentenmanagement, COLD, Scannen usw., öffnet jedoch auch den Weg zu den neuen Internet-orientierten Lösungen wie Portalen, B2B und anderen.
Vom Begriff Content Management ausgehend fällt es jedoch schwer, immer eine eindeutige Abgrenzung zum Web Content Management zu finden. Letztlich werden diese Bereiche, wie viele Lösungen auf der diesjährigen AIIM zeigten, zusammenwachsen. In allen Marktstudien zum Anwenderkaufverhalten von namhaften Analysten wie Gartner, BIS, MetaGroup oder Strategy Partners rangiert Content Management auf den allerersten Plätzen.
Enterprise Content Management bildet die Verbindungsschicht zwischen Plattformen und modernen Anwendungen Dies machte besonders die Keynote von Martin Brauns, CEO von Interwoven, deutlich. Die verschiedenen Plattform- und Infrastruktur-Komponenten werden inzwischen deutlich von wenigen Anbietern dominiert: Sun, Microsoft, Cisco und Oracle. Die darüberliegende Middleware stammt mehrheitlich von Unternehmen wie ATG, Tibco, IBM, Interwoven und Bea. Aber auch Anbieter wie iPlanet, Documentum, Ariba, I2, Siebel, Broadvision und andere spielen hier eine wichtige Rolle.
Die Konsolidierung des Marktes im Bereich von eBusiness-Basiskomponenten ist in den USA bereits weit fortgeschritten. Das Zusammenwachsen von DataWarehouses und DocumentWarehouses in einheitliche, universelle Repositories für alle Arten von Informationen liefert hier zukünftig die Grundlage für Enterprise Content Management.
EAI Enterprise Application Integration übernimmt die Rolle der Integration nicht nur auf der Ebene der Middleware-Komponenten selbst, sondern auch die Integration der eigentlichen Geschäftsanwendungen wie CRM Customer Relationship Management, ERP Enterprise Ressource Management, kaufmännische Anwendungen und anderen. Deutlich wird dabei die Transformation der alten Begrifflichkeit – ECM Enterprise Content Management ist sehr nah beim Thema Dokumenten-Management im weiteren Sinn, EAI nutzt vorrangig Workflow-Technologien.
Die AIIM/Gartner Marktstudie
Ein ähnliches Bild zeigt auch die neue AIIM/Gartner-Studie, die auf der AIIM Show präsentiert wurde. Der Inhalt und die Aussagen sind jedoch nicht unumstritten (siehe auch Märkte & Trends).
Die Studie richtet sich weder direkt an die Anbieter von Dokumenten-Technologien noch an die Anwender. Sie dokumentiert vielmehr den Wandel des Marktes. Gartner nahm eine neue Segmentierung des Marktes vor und berücksichtigte auch Integrationsaspekte in ERP-Lösungen. Die neue Segmentierung macht es jedoch schwierig, bisherige Einschätzungen fortzuschreiben, und auch die Stichprobe für bestimmte Gebiete, Branchen und Unternehmensgrößen läßt zu wünschen übrig.
Wichtige Erkenntnisse sind, daß der Markt für Imaging in den USA nach Meinung von Gartner zum Ende des Jahres bereits zu 80% ausgereizt sein soll – neue Anwendergruppen sind offenbar nicht in den Blickwinkel von Gartner geraten. Archivierung und Records Management findet sich auf der Applikationsebene wieder und nicht etwa als Basis-Infrastruktur für alle denkbaren Anwendungen.
Die Studie beklagt, daß es bei vielen Anwendern noch keine Enterprise Content Management Strategie gibt und daß häufig kurzfristige adhoc-Entscheidungen, die Einrichtung von Einzellösungen oder die Ausstattung nur bestimmter Unternehmensbereiche die mögliche Effizienz von ECM-Lösungen verhindern.
Aus den Zahlen läßt sich allerdings auch ein Wiedererwachen des Workflow-Gedankens ablesen, ob innerhalb von Office- und Groupware-Lösungen (diese Begriffe tauchen selbst nicht mehr auf), als Email-basiertes E-Forms oder als EAI Enterprise Application Integration verbrämt.
ASP war ebenfalls ein Thema der Studie, jedoch sind die Ergebnisse für den speziellen Dokumenten-orientierten Markt kaum aussagefähig zu nennen.
Interessant für Europäer ist die Bedeutung, die „wireless applications“ zugemessen wird. Alle namhaften Sprecher wiesen hier – ebenso wie bei Multilingualität und automatischen Klassifizierungslösungen – auf einen Vorsprung der Europäer hin.
What`s new ?
Fragt man einen Aussteller nach seinen Neuheiten, hört man in den USA sehr häufig, man habe nichts. Dies mag zunächst befremden, hat jedoch einen tieferen Hintergrund – zunächst einmal vorhandene Produkte verkaufen, damit sie sich amortisieren. Da die AIIM Show eine Fachmesse ist, hält sich die Branche mit Neuankündigungen zurück, da hier die Gefahr der unbeabsichtigten Offenlegung zum Wettbewerb besonders groß ist. Dementsprechend gab es auch keine herausragenden Neuankündigungen.
Der Microsoft Information Portal Server war kaum ein Thema, da Microsoft in diesem Jahr nicht mit einem Partnerstand vertreten war. Viele Partnerschaften fanden auch jüngst ein Ende, da Microsoft selbst in den Markt für Content Management eingetreten ist. Nur indirekt dominierte Microsoft auch weiterhin die Branche durch Themen wie Integration in Tahoe, Exchange oder Outlook und Standards wie BizTalk oder Soap. Andere Anbieter, die im vergangen Jahr nicht präsent waren, wie z.B. FileNET, hatten trotz der Pause wenig Neues zu bieten.
Wenn es einen Trend gab, dann war es der zur Produktkonsolidierung. Die angebotenen Lösungen präsentierten sich ausgereifter und vollständiger. Neuigkeiten beschränkten sich hier auf Ergänzung der Funktionalität und das Hochsetzen der Versionsnummer. Zahlreiche Anbieter saßen aber auch noch auf inzwischen veralteten Lösungen und Architekturen. Inzwischen überwiegen die schlanken, webbasierten Clienten, die allerdings vielfach auf herkömmliche Lösungen aufgepfropft wirken.
Trendthemen in Europa, wie automatische Klassifikation, sind offenbar in den USA noch kein heißes Thema. Hier entwickelt sich erst jetzt die Debatte um geordnete Taxonomien. Branchenexperten gehen davon aus, daß die Ansätze der automatischen Klassifikation, Indizierung, Taxonomie, Nomenklatur und Thesaurusnutzung erst zusammenwachsen müssen, um effizient nutzbare Lösungen zu schaffen. Im Bereich der automatischen Klassifikation und Personalisierung von Informationen hat zumindest Insiders sich einen deutlichen Vorsprung vor SER, EASY oder Autonomy erarbeiten können – das Produkt wird allerdings erst im dritten Quartal d.J. wirklich verfügbar sein.
In den USA beginnt inzwischen auch die Diskussion um die Nutzung von elektronischen Signaturen. Viele Anbieter bieten die Kombination mit TrustCenter-zertifizierten Lösungen wie z.B. Jetform mit Entrust. Aber auch Systeme mit manueller Unterschriftserfassung wie ePad waren auf der AIIM zu sehen.
Deutschstämmige Anbieter auf der AIIM Show
Inzwischen kann man von einem Sog sprechen, der Anbieter aus Deutschland, mittlerweile aber auch aus anderen europäischen Ländern, in die USA zieht. Dabei muß man allerdings stark differenzieren. Alle, die zum ersten oder zweiten Mal zur AIIM Show kommen, beginnen klein, mit einem Arbeitsplatz bei einem Partner oder wenigen Quadratmetern. Hierzu gehörten in diesem Jahr Unternehmen wie AsOne, Asimus, Biometric Systems, Kleindienst und andere. Einige arrivierte wie Gauss, GID, EASY, SER Systems, Saperion oder Ceyoniq leisten sich repräsentativere Bauten. Jedoch kann man bei letzteren nicht mehr von „deutschen Unternehmen“ sprechen sondern muss sie als internationale Anbieter betrachten.
Besonders deutlich wurde dies bei Ceyoniq. Der Schriftzug „Ceyoniq, former Treev“ und das neue Logo fanden sich allerorten und machten die Integration von Treev in den internationalen Konzern deutlich. Das Gesicht, das Ceyoniq auf der AIIM Show zeigte, war durchweg amerikanisch geprägt. Aber es gab auch noch einen anderen Ansatz. Drei deutsche Unternehmen, InoTec, ImageWare und Microform traten als GIS German Imaging Solutions mit einem gemeinsamen Stand und unter gemeinsamen Logo auf. Ob es bei einer Standpartnerschaft bleibt oder ob sich dahinter auch ein engerer zukünftiger Unternehmenszusammenschluß verbirgt, ließ sich den Geschäftsführern nicht entlocken.
Alle drei unterschiedlichen Strategien der Präsentation auf der AIIM Show haben nur ein Ziel, den immer noch stark wachsenden Markt für Dokumenten-Lösungen in den USA zu erschließen, der als einheitlicher Sprachraum ein außerordentlich großes Potential bietet. Vielen der deutschstämmigen Anbieter sei jedoch angeraten, zunächst das heimatliche Haus und den europäischen Markt in Ordnung zu bringen – besonders angesichts zahlreicher neuer amerikanischer Anbieter, die ihrerseits nach Europa drängen. Die Beteiligung europäischer Aussteller ist im Vergleich zu den Vorjahren stark gestiegen und macht auch die Veränderung des DRT-Marktes deutlich.
Die Ausstellung zeigt die Veränderung der DRT-Landschaft
Die Ausstellung bot ein für Amerika typisches Bild. Wo in Deutschland CeBIT-gemäß „Mammut-Stände“ dominieren, geben sich in den USA selbst große Unternehmen mit ein paar Quadratmetern zufrieden, die durch Vorhänge vom nächsten Stand getrennt sind. Die Größe von Ständen steht hier selten in einer Relation zum Unternehmen. Anbieter, die in einem Jahr mit einer großen Fläche präsent waren, können durchaus im Folgejahr nur mit ein paar Quadratmetern vertreten sein, ohne daß dies dem Selbstverständnis und dem Ansehen schadet. Das gesamte Show-Business in den Vereinigten Staaten ist derzeit rückläufig. Die AIIM Show dagegen hat vergleichsweise gute Zahlen. Die durchschnittliche Quadratmeterzahl je Aussteller liegt deutlich über vergleichbaren Veranstaltungen. Der Rückgang der Flächenbuchungen ist auf ein anderes Phänomen zurückzuführen. Ca. 30% der Aussteller ist neu auf der AIIM-Show. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um Unternehmen aus dem Web-Content-Management-, Internet-, Portal- und System-Integratoren-Umfeld. Da die Ausstellerzahl mit knapp über 350 nur geringfügig gewachsen ist, fehlt ein Drittel der Aussteller aus dem vergangenen Jahr. Das Feld der Mikrofilm-Anbieter und –Dienstleister ist arg geschrumpft, viele Unternehmen wurden „geschluckt“ oder verschwanden ganz, andere sehen sich nicht mehr durch die AIIM Show repräsentiert. Deutlich wird aber auch, daß die Anbieterschaft den Wandel der AIIM zum Thema Enterprise Content Management mitvollzogen hat. Entscheidend war hier, daß wichtige Anbieter aus der Portal-Welt wie Interwoven, Gauss, Vignette und IBM die AIIM Show als ihre Plattform ansehen. Auf die Besucherzahlen hatte dies keine Auswirkung, mehr als 29.000 Besucher kamen ins Javits Center.
Der AIIM Kongress
Auch der AIIM Kongress wendete sich den neuen Themen zu. Begleitend zur Ausstellung fand das 4-tägige Konferenzprogramm statt, das durch zahlreiche andere Veranstaltungen, Keynotes im Ausstellungsbereich und Lehrgänge ergänzt wurde. In den sieben parallelen Reihen der Konferenz wurden Vorträge den wichtigsten Trendthemen zugeordnet: E-Business, Content Management, Records & Document Management, Web-based Technologies, Information Delivery, Strategic Management Issues und Fallstudien. Insgesamt hatten die Teilnehmer die Qual der Wahl zwischen über 100 Vorträgen. Von der Teilnehmerzahl her war die diesjährige Konferenz selbst für die Organisatoren ein unerwarteter Erfolg. Nach Jahren rückläufiger Teilnehmerzahlen nutzten diesmal über 2.300 Delegierte das Angebot. Die Qualität der Vorträge selbst ist jedoch sehr zwiespältig zu beurteilen. Dem fachlich Vorgebildeten bieten sie zu wenig, dem Einsteiger fehlt häufig die Orientierung im vom „Fach-Chinesisch“ geprägten Thema. Leider waren auch in diesem Jahr viele Vorträge reine Produktvertriebsveranstaltungen. Anderen merkte man deutlich an, daß die Folien vom letzten Jahr nur auf den neuen Sprachgebrauch angepaßt wurden. Bei einigen Themen ist dies sogar legitim. Betrachtet man die Durchführung von Projekten, so gibt es bei den dort auftretenden Problemen kaum einen Unterschied, ob dies nun ein komplexes ERP-, CRM-, ECM- oder DRT-Projekt ist – um einmal die gängigen Akronyme zu verwenden. Den vornehmlich amerikanischen und asiatischen Teilnehmern war aber offenbar Stil und Inhalt der Vorträge recht, wie die überwiegend positiven Beurteilungen zeigten.
AIIM orientiert sich neu
Bereits im vergangenen Jahr fand die thematisch Neuausrichtung auf ECM Enterprise Content Management statt. Die Schwerpunkte bei den Standards haben sich verändert. Auf der AIIM Show wurde ein neues Gremium ins Leben gerufen, das sich zusammen mit ISO und OASIS um einen XML-Standard für Imaging bemüht. Auf der AIIM Show wurde auch das neue Internet-Portal der AIIM vorgestellt, in das zukünftig auch Inhalte von europäischen Unternehmen in deren Landessprache einschließen werden. In diesem Jahr zeigten sich die ersten organisatorischen Veränderungen. Neben das Europäische Board of Directors trat nunmehr ein Nordamerikanisches Board of Directors. Das internationale Board wird verkleinert und fungiert zukünftig als übergeordnet koordinierendes exekutives Gremium. In der Sitzung des europäischen Board of Directors fielen eine Reihe von Entscheidungen, die den zukünftigen Ausbau der Aktivitäten der AIIM in Europa vorantreiben. Hierzu gehört eine gemeinsame Kongress- und Ausstellungsveranstaltung mit der Europäischen Kommission, die im Mai 2002 in Barcelona stattfindet. Neuer Vorsitzender (Chair) des europäischen Boards of Directors wurde Rory Staunton von Strategy Partners, London. Als seine Vertreter wurden Dr. Ulrich Kampffmeyer und Patrick van Loon bestätigt. AIIM Europe fungiert inzwischen als Dachorganisation für zahlreiche nationale europäische Verbände wie CSF, Aproged, DIMO, SIMO und NMA und ist die offizielle Vertretung der DRT-Branche bei der Europäischen Kommission. Der Grundstein für die Ausweitung des AIIM-Netzwerkes nach Asien wurde auf der AIIM-Show durch den Abschluß des Global-Partnership-Vertrages mit der japanischen JIIMA gelegt. AIIM ist so auf dem besten Weg nicht nur durch Show und Conference sondern als Fachvertretung der ECM- und DRT-Branche sich ihren Platz international zu sichern. (Kff/IKB)