20031021 \  In der Diskussion \  Verwerfungen
Verwerfungen
Der Markt für DRT Document Related Technologies befindet sich in einer massiven Konsolidierungsphase. Mit IBM, EMC, OpenText und FileNet haben sich nunmehr vier große Unternehmen gebildet, die mit der Mission ECM den Markt zunächst dominieren werden. Bei der Konsolidierung sind eine Reihe sehr unterschiedlicher Entwicklungen zu beobachten. Zum einen wird die Liste der Anbieter länger, andererseits verschwinden aber auch zunehmend Anbieter. Betrachten wir einmal die unterschiedlichen Aspekte dieser Marktveränderungen:
Mehr Produkte, mehr Anbieter ?
Die Liste der Anbieter wird länger (siehe auch die DRT-Marktübersicht in dieser Newsletterausgabe), weil immer mehr ursprünglich getrennte Produktkategorien Bestandteil von DRT Document Related Technologies oder ECM Enterprise Content Management oder BPM Business Process Management oder DLM Document Life-cycle Management oder KM Knowledge Management oder, oder, oder ... werden. Das eigenständige Profil der Branche verwischt sich immer mehr, Dokumenten-Technologien werden zunehmend Bestandteil der IT-Infrastruktur und Allgemeingut. Betrachtet man die klassischen Anbieter und Produkte aus dem ursprünglichen DMS-Markt der 90er Jahre, so wird hier deutlich, dass immer mehr Produkte und Unternehmen vom Markt verschwunden sind. Im klassischen Workflow gibt es nur noch eine Handvoll Anbieter wie Staffware oder Transflow, die noch eine eigenständige Workflow-Engine anbieten. Beim klassischen Dokumentmanagement sieht es ähnlich aus, hier finden sich nur noch Firmen wie EMC/Documentum oder Hummingbird wieder. Die Mehrzahl der klassischen Anbieter hat sich längst mit Suiten oder neuen Produkten in Arenen wie BPM, Collaboration oder ECM abgesetzt. Lediglich der Markt für elektronische Archivierung ist in Deutschland noch mit zu vielen eigenständigen Produkten überbesetzt – lichtet sich aber auch zusehends. Beim Records Management ist die Konsolidierung bereits fast abgeschlossen – die klassischen Anbieter wie Tarian, TrueArc oder andere wurden längst von größeren Anbietern übernommen. Ähnliches spielt sich auch im Capture-Markt ab. Geht man von den traditionellen Marktsegmenten aus, ist die „Liste“ deutlich kürzer geworden. Aber auch bei den Unternehmen auf der „Liste“ ist eine markante Veränderung zu beobachten: Eine Trennung a) in Komponenten- und Subsystemlieferanten, b) in Anbieter mit eigenen Produkten und zugehörigen Dienstleistungen und c) Anbieter mit spezialisierten oder Branchenlösungen hat sich vollzogen. Die Unternehmen auf solchen Listen sind daher nicht mehr direkt vergleichbar.
Mergers & Acquisitions treiben die Konsolidierung
Der gesamte Markt für DRT ist nach der Flaute der letzten Jahre wieder in Bewegung gekommen. Die Nachrichten, dass EMC das führende Collaboration und Document Management Unternehmen Documentum aufgekauft hat, und Open Text sich IXOS zulegt, sind nur zwei Beispiele der massiven Veränderungen im Markt. Sie zeigen deutlich, dass keines der mittelständischen Unternehmen eine ausreichende Größe hat, um allein zu überleben - besonders wenn sich die großen Standardsoftwareanbieter entschließen, konzentriert in diesen Markt einzusteigen und zum Beispiel die notwendigen Komponenten einfach integriert mitzuliefern. Dieses Problem haben auch, wie wir aktuell sehen, die größeren der Anbieter wie FileNet, Banctec, IXOS oder Documentum. Man wird also zwei Trends beobachten können. Die größeren der klassischen Anbieter, die bereits durch Mergers & Acquisitions ihr Portfolio ergänzt haben, werden weiterhin im Rahmen ihrer Möglichkeiten dazukaufen, um mehr Gewicht auf die Waage zu bringen. In der Vergangenheit diente der Aufkauf von Firmen vorrangig zur Ergänzung des Produktportfolios. Zukünftig wird es mehr um die Gewinnung von Marktanteilen und Marktsegmenten gehen. Dies zeigt sich deutlich bei OpenText, die sich mit dem IXOS-Portfolio Überschneidungen zur Gauss Interprise-Produktpalette ins Haus geholt haben. Die Technologie der aufgekauften Unternehmen bleibt bei dieser Strategie auf der Strecke. Andererseits werden die großen IT- und Softwarehäuser ihrerseits nach DRT-Anbietern Ausschau halten, um ihre Portfolios zu vervollständigen oder Zusatzfunktionalität ihren bereits vorhanden Kunden nachverkaufen zu können. Die kleineren Anbieter werden hierdurch zunehmend in die Aufgabe oder Nischen gedrängt. Nahezu alle kleineren Anbieter suchen zur Zeit nach Kapital und Partnerschaften.
Die wahren Gegner
Die Wettbewerber der klassischen DRT-Anbieter finden sich inzwischen außerhalb des ursprünglichen DMS-Marktes. Im Umfeld der betriebssystemnahen Software drängt Microsoft immer mehr mit dem SPS Sharepoint Portal Server und anderen zugehörigen Servern in den Bereich der Intranets der Unternehmen vor, um dort Portal-, Content-, Dokumenten- und Prozess-Management abzudecken. SAP als klassischer ERP-Anbieter dehnt sich von datenorientierten zu dokumentenorientierten Lösungen aus. Die derzeitigen integrierten Produkte wie Records Management, Workflow und Portale sind nur der Einstieg. Oracle ergänzt sein Portfolio kontinuierlich und greift damit inzwischen auch den klassischen DMS-Markt an. Aus dem Datenbank-Partner, dessen Datenbank man gern für die Verwaltung der Indizes in einem klassischen DMS oder Archiv verwendet, entwickelt sich ein gewichtiger Wettbewerber. IBM greift mit dem wohl umfassendsten ECM-Portfolio neue Märkte an. Besonders WebSphere als Portalplattform wird immer weiter ausgebaut. Mit Einstiegspaketen zu günstigen Preisen will IBM neue Märkte erschließen. Storage-System-Anbieter ergänzen ihre Speicherlösungen um die entsprechenden Verwaltungssysteme wie Dokumentenmanagement, siehe z.B. EMC. Selbst Netzwerkinfrastrukturfirmen wie Cisco bewegen sich langsam über den Storage-Bereich angreifend in das Gebiet des Content- und Document-Management. Wo diese Großgewichte der Branche nicht selbst Produkte haben, wird dazugekauft. Selbst bei dem neuen ECM-Schwergewicht OpenText ist es noch fraglich, ob die kritische Größe mit 2000 Mitarbeitern und einem zu erwartenden kombinierten Umsatz von ca. 350 Millionen US$ erreicht wurde.
Preiskampf
Und was macht der Rest der Branche, die Vielzahl der Anbieter in Deutschland? Der Trend der Vertikalisierung mit Branchenlösungen setzt sich fort – vom Produktanbieter zum Lösungsanbieter oder Systemhaus. Einige suchen ihr Heil jedoch darin, über den Preis ihren Marktanteil zu erhöhen. Der derzeit zu beobachtende Preiskampf schadet jedoch allen. Die Dumping-Anbieter können mit den Erlösen die langfristige Weiterentwicklung nicht sicher stellen, geschweige denn die Vielzahl der „gekauften“ Projekte professionell abwickeln. Die Strategie ist daher nicht als nachhaltig für die Unternehmensentwicklung zu sehen. Das Vordringen der großen Anbieter setzt den Kleinen besonders bei der „Vertrauensfrage“ zu – wird das Produkt, wird das Unternehmen überleben. Der Preiskampf ist offenbar das letzte Aufbäumen der ursprünglichen DMS-Branche vor der Neuordnung des Marktes für DRT- und ECM-Lösungen.  (Kff)
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