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Monitoring Informationswirtschaft
3. Trendbericht 2003
Gastbeitrag Dr. Willi Bredemeier (w.bredemeier@gmx.de), Geschäftsführer und Herausgeber von PASSWORD (http://www.password-online.de) . PASSWORD ist WebPartner von PROJECT CONSULT.
Für den 3. Trendbericht wurden 111 Experten aus Informations- und Kommunikationstechnik, Telekommunikation, Elektronischen Informationsdiensten und E-Commerce gebeten, einen Blick in die informationswirtschaftliche Zukunft zu wagen. Aus den Ergebnissen:
Konjunkturelle Erwartungen. Bis zum Jahre 2001 hatte es aus der Sicht aller befragten Experten ein nahezu uneingeschränktes Wachstum in der deutschen Informationswirtschaft gegeben. So blickten im Jahre 2001 98,5 % auf eine Aufwärtsentwicklung in den vergangenen zwölf Monaten zurück. 2002 kam es zu einem weitgehenden Stimmungsumschwung zum Schlechteren – nicht zuletzt bewirkt durch eine Ausweitung der Krise der New Economy auf die Online-Werbung, die Verlage und die audiovisuellen Medien. Zwar wurde für 2003 eine verbesserte wirtschaftliche Entwicklung erwartet. Doch bleibt der erwartete Aufschwung, würden sich die Erwartungen der Experten realisieren, weitgehend hinter den Entwicklungen der Boomjahre zurück:
   
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2002 Abschwung: Das Jahr 2002 erleben 57 % der Experten als einen Abschwung (zum Vergleich: Stagnation 26 %, Aufschwung 11 %).
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2003 Stagnation: Hingegen wurde für 2003 seitens der Experten zu 46 % eine Stagnation vorausgesehen (zum Vergleich 22 % Abschwung, 27 % Aufschwung).
Beschäftigungs- und Qualifikationsentwicklung. Nach den Angaben der Experten kam es 2001/2 sowohl in ihrer Teilbranche als auch im Gesamtmarkt der Informationswirtschaft ganz überwiegend zu Beschäftigungsverlusten. 75 % sahen einen solchen Rückgang bezogen auf die gesamte Informationswirtschaft, 71 % bezogen auf ihre Branche. Diesen Verlusten standen kaum expandierende Unternehmen gegenüber. Solches war, bezogen auf die Informationswirtschaft, nur nach 3 %, bezogen auf die eigene Teilbranche, nur nach 4 % aller Nennungen der Fall. Anscheinend war das Beste, was einem Unternehmen unter den rezessiven Bedingungen des Jahres 2002 widerfahren konnte, den eigenen Mitarbeiterbestand konstant zu halten. An Fehlern, die die gegenwärtige Krise mit verursacht hatten, wurden den informationswirtschaftlichen Unternehmen vor allem vorgehalten: Fehlen neuer Strategien und mangelnde Perspektiven, defizitäre Kunden- und Nutzerorientierung sowie falsche Personalpolitik, insbesondere Einstellungen über den bestehenden Bedarf hinaus.
2001/2 stuften im Durchschnitt 54 % der Experten alle vorgeschlagenen Maßnahmen zum „Qualifikationserwerb“ als prioritär ein. 2002/3 war dieser Anteil lediglich auf 53 % zurückgegangen. Dabei war die Dringlichkeit, die die Experten Fragen des Qualifikationserwerbs zuordneten, bereits im Jahr 2001/2 sehr hoch gewesen. Demnach wurden die strukturellen Probleme des Qualifikationserwerbs von dem gegenwärtigen konjunkturellen Einbruch im Arbeitsmarkt lediglich überlagert und bestehen gravierende Defizite beispielsweise im „Matching“ zwischen angebotenen und nachgefragten Qualifikationen auf dem informationswirtschaftlichen Arbeitsmarkt nach wie vor.
Fasst man mehrere Bewertungsindikatoren zu aktuellen Entwicklungen zum Qualifikationserwerb zusammen, so kam der Unternehmensbereich auf einen Wert von 2,12 (das heißt, dass hier 2,12 positive Stimmen einer negativen Stimme gegenüberstanden). Die Qualifizierungspolitik der Unternehmungen wird also nach wie vor positiv beurteilt. Mit einem Gesamtwert von 0,95 war die Bewertung der Bildungseinrichtungen zwar niedriger, aber keineswegs eindeutig negativ. Angesicht der weit schlechteren Ergebnisse für 2001 und 2002 ist man sogar versucht, die Bildungseinrichtungen als den großen Image-Gewinner des Jahres 2002 anzusehen. Allerdings lässt die weite Streuung der Bewertungen an der Stabilität der gewonnenen Beurteilungen für die kommenden Jahre zweifeln. Mit einem Indikatorwert von 0,19 – das heißt, dass hier auf eine positive Stimme in etwa fünf negative Stimmen kamen – fuhr der politische Bereich im Meinungsbild der Experten das schlechteste Ergebnis seit 1999 ein. Damit verbunden hat die Politik die Rolle des „qualifikationspolitischen Sündenbocks“ von den Bildungseinrichtungen aus dem 2. Trendbericht übernommen. Soweit es im Jahre 2002 etwa im Zuge des Bundestagswahlkampfes zu politischen Polarisierungsprozessen gekommen ist, kann dies eine Ausschöpfung von Kooperationspotenzialen zwischen Wirtschaft, Bildungseinrichtungen und politischem Bereich, wie sie seit drei Jahren von den informationswirtschaftlichen Experten für erforderlich gehalten wird, behindern.
Geschäftschancen. Das wichtigste Ergebnis auf die Frage nach besonderen Chancen für Existenzgründungen und neue Geschäftsbereiche lässt sich in einem Wort zusammenfassen: „Dienstleistungen“. Zum Teil wurden die besonderen Chancen eines Dienstleistungsengagements mit dem besonderen Nachholbedarf der „Dienstleistungswüste“ Deutschland begründet. Als weiterer Grund wurde die gegenwärtige konjunkturelle Lage genannt, in der keine Gelder für größere Investitionen im technischen oder Anwendungsbereich, vielmehr allenfalls für laufende Dienstleistungen zur Verfügung stehen. Die Kostensenkungsprogramme vieler Anbieter sowie ihr Rückzug auf Kerngeschäftsbereiche führten dazu, dass eine Reihe von Serviceaufgaben nicht mehr oder nur mehr unzureichend wahrgenommen wurde (Beispiel: Help Desk, Wartung). In diesen freigewordenen Bereichen können sich Existenzgründer positionieren. Als besonders viel versprechende Dienstleistungsbereiche wurden vor allem der Beratungsbereich sowie „Qualifizierung, E-Learning“ genannt.
Die Experten hoben die besondere Bedeutung der Informationswirtschaft als eine die gesamte Volkswirtschaft durchdringende Querschnittstechnologie hervor, wenn sie von Anwendungen wie Logistik, Mikrotechnik, Nanotechnologie, Energietechnik und Handwerk sprachen oder auf besondere Chancen von E-Government sowie im Gesundheitswesen und in der Automobilindustrie eingingen. Die eindeutigen „Gewinner des Jahres 2002“ sind Sicherheit im Netz, individualisierte und auf kleine Zielgruppen zielende Produkte und Dienstleistungen sowie E-Government. Die „Verlierer des Jahres 2002“, Mobilkommunikation und E-Commerce, dürften allerdings auf mittlere Sicht eine Renaissance erfahren.
Ungeachtet des konjunkturellen Einbruchs bewerteten die Experten ihre mittel- und längerfristigen Geschäftsaussichten über die Jahre konstant positiv. Auf die Frage nach technologischen Durchbrüchen sowie nach weitgehend neuen Produkten und Dienstleistungen, also nach den längerfristigen Perspektiven der Informationswirtschaft, ergab sich die folgende Verteilung der Antworten:
   
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73 % informationswirtschaftliche Produktbereiche
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12 % Entwicklungen außerhalb der Informationswirtschaft (z. B. Biotechnologie, Umweltbereich)
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11 % Anwendermärkte
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4 % keine Durchbrüche.
Innerhalb der Informationswirtschaft sahen die Experten an mittelfristigen Durchbruchsbereichen:

Kooperationsprobleme zwischen Anbietern und Anwendern. Nach den Ergebnissen des 2. Trendberichts bestehen gravierende Kooperationsprobleme zwischen Anbietern und informationswirtschaftlichen Anwendern aus dem privaten Bereich, obgleich die Anbieter gerade hier ihre größten kommerziellen Chancen haben („Chancenparadox“). Um hier zu vertiefenden Einsichten zu kommen und Ansatzpunkte für eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Anbietern und Anwendern zu schaffen, wurden 2002 zwei Expertenworkshops – für die norddeutsche Informationswirtschaft in Kooperation mit der AIIM sowie für die Teilbranche „Elektronische Informationsdienste“ in München – durchgeführt. Die Ergebnisse wurden in so genannten „Hamburger Thesen“ und „Schwabinger Thesen“ zusammengefasst. Wie sich zeigte, brennen der Praxis in der Tat die bestehenden Probleme „auf den Nägeln“ und besteht ein großes Interesse, die begonnene Zusammenarbeit fortzuführen.
Wie die Ergebnisse zum 3. Trendbericht zeigen, sind die Kooperationsprobleme im Private-Public-Bereich als noch gravierender als im Private-Private-Bereich einzuschätzen, da zusätzlich zu den in beiden Bereichen bestehenden Problemen die Lage durch die hohe Regulierungsdichte des öffentlichen Sektors und zu wenig Pragmatismus auf Seiten der Privaten erschwert wird. So zeigte sich der private Bereich in einem nur geringen Maße bereit, die Spezifika des öffentlichen Bereiches in seinen Kooperationsbemühungen zu beachten und lastete er dem öffentlichen Bereich weitgehend die Schuld an bestehenden Kooperationsproblemen an. Das wurde auch von den Experten aus dem öffentlichen Bereich so gesehen, die ein fast schon „übermenschliches Einfühlungsvermögen und Verständnis“ für die andere Seite zeigten, statt die eigenen Spezifika und Interessen gegenüber dem privaten Sektor offensiv zu vertreten.
Der private Bereich wünscht sich in der Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Bereich vor allem einen institutionellen und personellen Partner, mit dem man professionell ein gemeinsames Projekt durchziehen kann. Dazu gehören kompetente und motivierte Ansprechpartner, Transparenz der Vorgänge, Verständnis für den anderen, partnerschaftliche Gestaltung des Kooperationsprozesses, Schnelligkeit und Entscheidungsfähigkeit, Einfachheit und Vereinfachung der Zusammenarbeit sowie Flexibilität. Der öffentliche Bereich wünscht sich von seinem Kooperationspartner aus dem privaten Bereich vor allem Verständnis für die Gegebenheiten und Aufgaben der eigenen Seite.
Die Entwicklung der deutschen Informationswirtschaft bis 2007 – Ergebnisse einer Expertenumfrage im Auftrage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit, 538 Seiten, Hattingen 2003 – kostenfrei auch kapitelweise herunterzuladen unter http://www.password-online.de.
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