20020422 \  In der Diskussion \  Bekennerbriefe
Bekennerbriefe
Ja, schon wieder hat es einen erwischt – und das richtig heftig. Insiders insolvent, Group kaum verkäuflich, die Mitarbeiter denken über MBO`s nach, HAVI bereits davongesegelt, der Rest in Auflösung. Wir sprechen über die CEYONIQ AG. Der Niedergang war bereits längere Zeit abzusehen, wurde aber durch oberflächliche Erfolgsmeldungen kaschiert. Die zu späte Integration von SIDOC mit der notwendigen Ablösung des ARCIS Produktes (die jetzige Migrationsankündigung wird nur noch mehr Stammkunden in die Arme des Wettbewerbs treiben), ständige Wechsel bei den Entwicklungsleitern und unkonsolidierte Produkte, und spätestens seit der fatalen, teuren Übernahme von Treev war CEYONIQ ins Trudeln geraten. Im Mai 2001, bei den Gesprächen zur Schaffung einer konsolidierten „DMS Deutschland AG“ aus damals noch führenden DRT-Anbietern, wollte noch niemand von CEYONIQ die Krise sehen. Die zügigen Wechselspiele im Vorstand Anfang dieses Jahres konnten da auch nicht mehr helfen. Der Ausflug ins Gefängnis stellte nur eine bisher nicht dagewesene Eskapade des Niederganges unserer geliebten deutschen Börsengänger dar.
Ich will jedoch nicht lästern, dies überlasse ich vermeintlich Berufeneren (siehe auch unseren Beitrag zu SER im Newsletter 20020305Newsletter 20020305). Auch PROJECT CONSULT hat viele Kunden mit CEYONIQ-Lösungen. Nicht zuletzt in der Sparkassen-Finanzgruppe, in der CEYONIQ eine Empfehlung der Gremien hat – oder hatte? Wir kümmern uns lieber um die Konsolidierung von Lösungen, Integration in übergreifende Archivsysteminfrastrukturen und langfristig tragfähige  Migrationskonzepte. Uns bei PROJECT CONSULT sind die Risiken bei CEYONIQ – und bei anderen Anbietern – nicht verborgen geblieben (siehe auch unseren Kommentar zum DTX). Wir haben immer auf die Einhaltung von Standards, Offenlegung von Schnittstellen, saubere und vollständige Dokumentationen, einheitliche Archivformate und die Nutzung von Archiven als nachgeordnete Dienste, unabhängig von speziellen Anwendungen, gedrungen. Dies ließ sich jedoch nicht bei allen Kunden immer umsetzen. Wir haben hierbei manchen „Strauss“ mit den Anbietern ausgefochten, im Interesse unserer Kunden.
Die Frage hinter all dem Geschrei um die Krise der DRT-Anbieter, „warum hat man das nicht vorher gesehen, wie konnte das passieren?“ ist müßig, da der Ansatz für die Frage bereits völlig falsch ist. Ein kleiner Merksatz:
„Der Wegfall von Produkten oder Anbietern ist keine Katastrophe, sondern der Regelfall bei der Langzeitarchivierung“
Die Planung von Migrationen entsprechend dem technologischen Wandel und der Verfügbarkeit von Betriebssoftware, Anwendungsversionen, Hardware und DRT-Softwarekomponenten gehört zu jeder Einführung einer elektronischen Archiv-, Content-Management-, Records-Management- oder Dokumenten-Management-Lösung! Dieses Credo ist seit Gründung unseres Unternehmens Maßgabe unserer Beratung, hat sich in den von uns miterarbeiteten Codes of Practice, in unseren Publikationen, Ausschreibungen und nicht zuletzt in den von uns betreuten Lösungen niedergeschlagen. Wer in Jahrzehnten (oder gar Jahrhunderten – gibt es auch!) Verfügbarkeit von Information denkt, muss sich auf ständige Wechsel und Migrationen einstellen. Man kann das Thema Migration unterschiedlich angehen – mühselig mit harter Migration aus den Insellösungen die Dokumente herauszerren oder aber durch Integration in übergreifender Middleware-Architekturen ältere Archive einfach ausaltern. Eine Standardlösung gibt es auch hier nicht. Entscheidend ist, welcher Wert den archivierten Informationen beigemessen wird. An diesem Wert und an der Abhängigkeit des Unternehmens von der Verfügbarkeit von Information muss sich auch die Migrationsstrategie  messen lassen.
Positive Signale sind im Markt gefordert
Akzeptiert man dieses Paradigma, dass der Wegfall von Produkten und Anbietern ein natürlicher Prozess ist, kann man auch wesentlich beruhigter an die Projektarbeit gehen. Viele Projekte wurden auf „Stop“ gesetzt, Entscheidungen vertagt oder sogar ganz zurückgenommen. Unsere Botschaft ist, der Markt ist Matur und die meisten Produkte sind verlässlich. Die Herausforderungen in heterogenen IT-Umgebungen mit ständig neuen Produkten und Produktversionen bedürfen langfristig stabiler Komponenten. Dies betrifft besonders die Informationshaltung in Datenbanken und elektronischen Repositories – egal ob man diese nun Archiv-, Dokumenten-, Content-, Media Asset- oder Records-Management-System nennt. Vernünftig geplante und sauber implementierte Lösungen können heute dem Anspruch des „Gedächtnisses des Informationszeitalters“ gerecht werden. Die Zeit läuft uns davon. Wir haben bereits die ersten großen Lücken in der elektronischen Überlieferung. Wer von Knowledge Management in einer digitalen Welt spricht, muss sich dessen bewusst sein, dass die Verfügbarmachung und Erschließung von Information Geld kostet und ein langfristig ausgelegtes, ständiges Thema ist. Ohne gesicherte Informationsbereitstellung geht es überhaupt nicht: Wir sind die „Junkies“ der Computerrevolution, ohne Chance auf Entzug. Deshalb - nicht mehr weiter lamentieren, sondern wieder an die Arbeit! (Kff)
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