Umfragen unter potentiellen Anwendern von Dokumenten-Technologien führen immer wieder zu den gleichen Schwerpunktthemen. Eines dieser Themen ist die elektronische Akte. Sie soll strukturiert alle Informationen zu Geschäftsvorfällen zusammenführen und den Medienbruch sowohl in der Papierwelt, als auch in der elektronischen Welt überwinden. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei, die Akzeptanz der Mitarbeiter zu erhöhen, in dem man gewohnte Organisationsmittel elektronisch bereitstellt.
Da glaubten wir uns schon den angeknickten, verschmierten Vorgangsmappen und den eingestaubten, überquellenden Aktenordnern entkommen. Unglücklich zu handhaben, immer weg, wenn man den Ordner braucht, nie vollständig und das Gekrakel des Kollegen kaum entzifferbar. Und nun, zeigt es sich, dass die elektronische Akte eines der wichtigsten Themen der Anwender ist. Genau genommen die virtuelle Akte. Dabei geht es darum, Informationen aus verschiedenen Quellen strukturiert zusammenzuführen: gescannte Eingangspost, elektronisch empfangene Faxmitteilungen, E-Mails, eingegebene Notizen, Daten aus den operativen Systemen zum Vorgang, selbst erzeugte Textdateien und Links zu Informationsquellen. Diskutierte man früher über den Medienbruch zwischen Papier und Elektronik, so haben wir heute längst einen Medienbruch zwischen den verschiedenen elektronischen Kommunikationskanälen, Anwendungen und Speicherorten. In heterogenen IT-Umgebungen muss der Anwender von einer Anwendung zur nächsten wechseln, um einen Überblick zu erhalten, ohne sicher sein zu können, dass die Information immer richtig, aktuell und vollständig ist. Hier sollen elektronische Akten Abhilfe schaffen, die die Informationen ungeachtet der Quelle nach Vorgängen, Kunden, Produkten oder anderen Kriterien ordnen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass eine elektronische Akte ein wesentlich komplizierteres Gebilde ist, als die Zusammenstellung zusammengehöriger Dokumente in einer Ergebnisliste oder in Gestalt eines hierarchischen Baumes, wie im Dateisystem. Die elektronische Akte darf darüber hinaus nicht isoliert gesehen werden, sondern sollte sich in vorhandene Fachanwendungen integrieren. Dabei kommt es regelmäßig zu „Konflikten“, welcher Teil der Anwendung welche Funktionalität der Steuerung übernimmt.
Was macht eine virtuelle elektronische Akte aus?
Die Virtualität einer elektronischen Akte betrifft unterschiedliche Komponenten. Zum einen geht es um die Strukturierung des Inhaltes. Hierfür sind Ordnungskriterien zu definieren, denen die einzelnen Informationsobjekte entsprechend ihren Dokumentenklassen zugeordnet werden. Diese Ordnung kann hierarchisch abgebildet werden. Die Dokumente ordnen sich selbstständig entsprechend ihren Attributen in die verschiedenen Ordnungsgruppen ein. An dieser Stelle wird häufig der Fehler gemacht, dass die Ordnungsstrukturen und die Zuordnung „hart verdrahtet“ werden. Dies verhindert eine der wesentlichen Eigenschaften der virtuellen Akte, nämlich ohne Änderung von Programmen, Datenbankstrukturen, Metadaten und Objekten andere Sichten zu generieren. Wenn die Informationsobjekte selbst alle notwendigen Informationen besitzen, können sie beliebig zugeordnet und visualisiert werden. Hierdurch können auch die Unzulänglichkeiten tief strukturierter Aktenpläne überwunden werden, wo man häufig mit der Ordnungssystematik zu kämpfen hat. Die Nutzung der Attribute der Informationsobjekte zusammen mit den Ordnungsregeln ermöglicht auch vernetzte Strukturen und die von strengen Hierarchien losgelöste Anzeige der Informationen im richtigen Kontext. Ein zweites Thema ist die Personalisierung. Diese steuert, welche Akten und welche Inhalte in einer Akte ein Mitarbeiter zu sehen bekommt. Bei Änderungen der Berechtigungen und der Aufbauorganisation ist nicht mehr sichergestellt, dass alles Richtige angezeigt wird. Auch hier hilft die Virtualisierung der elektronischen Akte weiter. Nicht nur die Zuordnung zu Registern oder elektronischen Mappen wird über die Attribute der Informationsobjekte und der Dokumentenklassen gesteuert, sondern auch die Berechtigung. Damit ist z.B. steuerbar, dass ein Autor alle Versionen einschließlich der noch nicht freigegebenen und ein normaler Anwender nur die freigegebene Version zu sehen bekommt. Durch die Personalisierung in Zusammenhang mit der Rolle des Anwenders wird auch gesteuert, dass für einfache Aufgaben nur die betreffenden Teile der Akte angezeigt werden. Z.B. sieht man in der Antragsbearbeitung nur ein, zwei Dokumente, in der Sachbearbeitung eine vollständige Sicht aller Dokumente zum Vorgang, und in der Rechtsabteilung alle Dokumente zuzüglich des Schriftverkehrs mit Anwälten und Gerichten.
Durch die Virtualisierung ist die Anpassungsfähigkeit der elektronischen Akte sichergestellt. Bei ablauf- oder aufbauorganisatorischen Änderungen muss nicht das Programm geändert werden, sondern nur die Parameter und die Regeln. Dokumente und ihre Eigenschaften werden dadurch nicht berührt. Es können auf diese Weise neue Ordnungskriterien, Änderungen in den Beziehungen und den Hierarchien oder umgestellte Zugriffsrechte umgesetzt werden, ohne dass die Wiederauffindbarkeit und der Zusammenhang der Informationen gefährdet sind. Die Einrichtung einer elektronischen Akte erfordert daher eine Reihe von konzeptionellen Vorarbeiten um die Anpassfähigkeit für veränderte Geschäftsprozesse und Nutzungsmodelle sicherzustellen. Hierfür kommen kombiniert Records-Management- und Dokumenten-Management-Programme zum Einsatz, bei denen aber darauf geachtet werden muss, dass die virtuelle Struktur vernünftig und einfach administrierbar umgesetzt wird. Hiervon sind leider viele Produkte noch weit entfernt. (Kff)