Drei Tage in Essen, zum letzten Mal, Wehmut kam bei kaum jemanden auf. Man konnte sich in die Mitte der Messehallen stellen, die Augen schließen, an das Jahr 1999 oder 2002 denken, die Augen wieder aufmachen – und fühlte sich gleich zu Hause. Wenig Veränderung im äußerlichen Erscheinungsbild. Die Tafeln und Banner auf den Ständen werden immer größer, da immer mehr Schlagworte und Akronyme untergebracht werden müssen. Jedoch neue Produkte? Viele Verbesserungen, immer mehr Funktionalität und Suiten, aber kaum echte Innovationen. Man hatte den Eindruck, die DMS und die Branche ist in die Jahre gekommen – feierte nicht umsonst die DMS EXPO ihr 10jähriges Jubiläum – und man würde nur noch im eigenen Saft köcheln. Dennoch, rund 50% der 17.500 Fachbesucher waren zum ersten Mal auf der DMS EXPO, so zumindest die Stichprobe der Besucherbefragung. Neue Ansätze wurden mit einem Bereich für die technische Dokumentation und einer Demonstration des „papierarmen Büros“ geboten. Ersterer ging am Rande der Ausstellung fast unter, der von verschiedenen Herstellern gemeinsam errichtete Pavillon zur Demonstration des digitalen Büros führt zumindest bei zwei Besuchern zu der Frage, ob man jetzt denn für jeden Arbeitsplatz eine andere Software benötigen würde. Dennoch zwei gute Ansätze, die DMS EXPO wieder für bestimmte Zielgruppen und Newcomer interessant zu machen. Die rund 360 Aussteller und Unteraussteller zeigten sich denn auch weitgehend zufrieden mit dem Besucherergebnis. Viele der traditionellen Aussteller waren jedoch nicht da. Sie ziehen es vor, eigene Roadshows zu veranstalten oder setzen auf vertikale Branchenveranstaltungen. Mehr als ausgeglichen wurde dies durch die Vielzahl von Partnern, die die Stände der großen Produktanbieter bevölkerten. Sie trugen nicht nur dazu bei, die Kosten der Hauptaussteller in Grenzen zu halten, sondern boten interessante Lösungen an. Auch Anbieter, die erst jetzt in den Markt für ECM Enterprise Content Management vordringen, wie SAP und Microsoft setzten auf die Beteiligung von Partnern. Trotz des optischen Eindrucks der Hallen verändert sich das Bild der DMS EXPO zunehmend.
Die sogenannten Trends sind allerdings immer noch die gleichen, wobei man sich fragen muss, ob dies eine Wunschvorstellung der Anbieter ist oder wirklich die Interessenslage der potentiellen Anwender widerspiegelt. Compliance-Themen wie GDPdU, Post- und Rechnungseingangserfassung, E-Mail-Archivierung, ECM-Suiten, virtuelle elektronische Akten usw. Interessant war jedoch, dass das Thema Workflow und Business Process Management wieder an Boden gewinnt. In den vergangenen Jahren wurden viele eigenständige Workflow-Anbieter aufgekauft. Nunmehr finden sich Workflow und Business Process Management in fast allen größeren Suiten und Produkten als Komponente wieder. In der Prozessoptimierung und der Prozess-Software-unterstüt-zung liegen halt die großen Effizienzpotentiale für die Anwender begraben. So setzen denn auch die traditionellen Archiv- und DMS-Anbieter zunehmend auf das Thema BPM, man kann fast von einer Okkupation sprechen. SOA Service Oriented Architecture war eines der Schlagworte, das sich unterschwellig überall breit machte. Noch fehlte es in den Marketingbroschüren – dies dürfte sich aber im kommenden Jahr ändern.
Ein herausragendes Ereignis sollte jedoch nicht vergessen werden: die Verleihung des ersten ddaa, d.velop digital art award. Hier wurden Zeichen gesetzt, die über den engen DRT-Branchenhorizont weit hinausgingen. Der erste ddaa wurde nach jahrelanger, aufwendiger Vorbereitung von d.velop und dem Digital Art Museum (DAM in Berlin) am 27. September 2005 in der Philharmonie Essen an die französische Künstlerin Vera Molnar verliehen. Molnar ist als Künstlerin in beiden Welten, der digitalen und der analogen Kunst zu Hause und gilt als eine der Pionierinnen des Einsatzes von Software zur Schaffung von grafischen Kunstwerken. Die Auswahl muss der Jury sehr schwer gefallen sein, denn neben Molnar waren Wegbereiter der digitalen Kunst wie Jean-Pierre Hébert, Myron Krueger, Tony Longson und Georg Nees nominiert. Die Werke von Molnar sind in der Bremer Kunsthalle in einer Sonderausstellung zum ddaa zu besichtigen. Digitale Kunst gibt es seit etwa 40 Jahren und die Anerkennung der vielfältigen Ausdrucksformen durch eine Auszeichnung, die immerhin mit 20.000 EURO dotiert ist, war bisher den Künstlern versagt geblieben. Besonders für Vera Molnar freute es mich, da sie im hohen Alter noch als erste Preisträgerin des ddaa die Anerkennung für ihre Leistungen selbst in Empfang nehmen konnte. Für die DMS EXPO war die Verleihung eine echte Bereicherung, die auch etwas über die Reife und den Stellenwert der Branche aussagt. Es gibt ein Leben außerhalb der Messehallen. Die Stiftung und Ausrichtung des ddaa durch d.velop, DAM, KölnMesse und weitere Institutionen verdient höchste Anerkennung. (Kff)