Das Akronym ECM und den Begriff Enterprise Content Management gibt es schon 10 Jahre. Wann und wie es genau begann, läßt sich nicht einfach rekonstruieren, da es DAS Buch, DIE Veranstaltung oder DIE Kampagne nicht gegeben hat. Die Anfänge von ECM liegen in den USA, wo die meisten Akronyme und Drei-Wort-Begriffe geboren werden.
Hier spielte und spielt die AIIM International als der Dachverband der Branche eine wichtige Rolle. AIIM ist der Verband für ECM Enterprise Content Management und so macht es Sinn, zunächst in den AIIM Quellen nach dem Aufkommen des Begriffes zu suchen. Im AIIM-Glossar TR02-1998 "Glossary of Document Technologies" aus dem Jahr 1998 taucht ECM noch nicht auf. Auch in der Ankündigung des Zusammenschlusses der beiden Verbände AIIM und IMC am 17. November 1998 wird der Begriff nicht benutzt, obwohl ECM als die neue Leitlinie für die beim Merger AIIM diskutiert worden war. Erst im Jahr 1999 beginnt die AIIM gelegentlich und noch nicht strategisch das Akronym ECM und den Begriff Enterprise Content Management zu benutzen. Erst im Jahr 2000 wird die erste Definition und Beschreibung von der AIIM veröffentlicht: „"The technologies used to create, capture, customize, deliver, and manage enterprise content to support business processes.” Diese Definition sollte sich im Detail noch über die Jahre ändern, ist aber im Grundsatz stabil geblieben. Aber nicht AIIM benutzte den Begriff zuerst, bei Gartner taucht er ebenfalls gelegentlich seit 1998 auf – der berühmte ECM-Magic-Quadrant war aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht geboren. Literaturrecherchen zeigen, dass 1998 vereinzelt schon Artikel zum Thema erschienen, so zum Beispiel im Journal „Microcomputer abstracts", Band 19, Ausgabe 1-2, Seite 30, oder im Journal "Publish!" Band 14, Ausgabe 7-12, Seite 96 – dort allerdings mit dem Hinweis, Enterprise Content Management ist ein Hype-Thema. Seitens der Anbieter von ECM-Lösungen ist sicher das Unternehmen Interleaf (wer erinnert sich noch an Interleaf?) zu nennen. Auf der Seybold Conference vom 31.08. bis 02.09.1998 ist Enterprise Content Management das Kernthema des Vortrages "Putting XML to work". Dies schlug sich auch in der Neuorientierung des unternehmens Interleaf als „Enterprise Content Management Systems Group“ am 22.01.1999 nieder. Im August 1999 veröffentlichte Interleaf dann auch den maßgeblichen Artikel "Putting XML to work" in der Fachzeitschrift "Information Management & Technology", Band 32-33, Seite. 102. Am 13. Dezember 1999 findet sich dann die erste Erwähnung von „Enterprise Content Management“ in einer Pressenotiz von FileNet. Auch Open Text benutzt zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich auch schon den Begriff, obwohl nicht eindeutig feststellbar ist, ob bereits 1997/1998 das LiveLink-Server-Produkt „ECM Server“ hieß. Die Dokumenten-Management-Industry beginnt so nach und nach im Jahr 1999 den Begriff Enterprise Content Management aufzunehmen. Bis 2002 waren neben ECM aber weiterhin Begriffe wie Content Management (ohne das „E“), Document Management, IDARS Integrated Document Archive and Retrieval Systems und EDM Enterprise Document Management in Benutzung. Erst von 2002 an, als AIIM ihre allährliche Messe und Konferenz unter das Motto „Enterprise Content Management“ stellten und Doculabs ihren ersten Bericht zu ECM, den ECM Report, veröffentlichten, kam der Durchbruch. Hier wurde nun auch konkrert definiert, was unter ECM zu verstehen sei. Ein weiterer Meilenstein für eine breite Anerkennung war das erste ECM Poster. Das „ECM 101“ Poster wurde von AIIM, DocuLabs und zahlreichen Anbietern erstellt und 2003 veröffentlicht. Es bildet die Grundlage für die bekannte Grafik mit den fünf Hauptkomponenten Capture, Manage, Store, Deliver und Preserve wobei Manage die Themenbereiche Document Management, Web Content Management, Records Management, Collaboration und Business Process Management umfasst. Seitdem wurde die Definition zwar gelegentlich angepasst, aber das Grundgerüst wurde lediglich um weitere Komponenten und Facetten erweitert. Der „offizielle“ Geburtstag von ECM liegt so irgendwo im Jahr 1999, es sei denn, man erklärt einfach einen anderen passenden Zeitpunkt zum Geburtstag – weill nämlich niemand so richtig bemerkt hat, dass es ECM schon 10 Jahre gibt..
Blickt man nach Deutschland, so zeigt sich, dass der Begriff ECM zunächst überhaupt keine Bedeutung und keine Akzeptanz hatte. Wie oben schon erwähnt, war Interleaf einer der Vorreiter von Enterprise Content Management, und auch einer der ersten Artikel in deutscher Sprache stammt von Interleaf: "XML in der Praxis: Unternehmensübergreifende Vorteile durch Enterprise Content Management. David A. Patrick, Interleaf, nfd Information Wissenschaft und Praxis, ISSN 1434-4653, 1999, Band. 50, Ausgabe 1, Seiten 5 bis 12, August 1999. Bei PROJECT CONSULT griffen wir Akronym und Begriff auch erst im Jahr 2000 auf, zunächst nur in zwei Vorträgen in deutscher und in englischer Sprache. Erst 2001 folgte dann der große Artikel „Enterprise Content Management – Herrscher über Informationen“ in der Computerwoche Extra, 24. September 2001, sowie mehrere Vorträge, Interviews und kleinere Artikel im PROJECT CONSULT Newsletter. PROJECT CONSULT und AIIM waren hier zunächst einsam auf weiter Flur, das Akronym der Wahl in Deutschland war DMS Dokumentenmanagementsystem. Auch heute konkurriert ECM noch mit DMS um die begriffliche Vorherrschaft und finden sich häufig in Kombinationen wie DMS/ECM oder ECM/DMS wider – weder Fisch noch Fleisch. Doch nun ist ein Wettlauf angesagt – ECM allerorten.