20030807 \  Artikel \  Der Arbeitsplatz der Zukunft
Der Arbeitsplatz der Zukunft
Der diesjährige, zweite DoQDAY ( http://www.doqday.de ) am 23.06.2003 in München konnte einen erheblichen Zuwachs an Teilnehmern verzeichnen – positiv gegenläufig zu anderen Veranstaltungen mit Themen der DRT-Branche. Der DoQDAY ist ausführlich in der DoQ ( http://www.doq.de ), Ausgabe 4, 2003, Seite 56ff, beschrieben. Den abschließenden Vortrag der Konferenz hielt Dr. Ulrich Kampffmeyer, Geschäftsführer von PROJECT CONSULT, zum Thema „Der Arbeitsplatz der Zukunft“. Im folgenden ist der erste Teil der Mitschrift dieses Vortrages wiedergegeben. Teil 2 und Teil 3 folgen in den nächsten Ausgaben des PROJECT CONSULT Newsletter.
Meine Damen und Herren, ich habe jetzt die Aufgabe, Sie zum Schluss der Veranstaltung noch einmal ein wenig auf die Zukunft einzustimmen. Ich habe jetzt allerdings ein Problem mit meinem Thema. Vieles von dem, was Ihnen heute präsentiert worden ist, hätte man durchaus auch als Zukunftsvision verkaufen können. Ich möchte mich ungern wiederholen und bin nun in einer etwas misslichen Lage, nachdem ich bereits vor einem halben Jahr mit den Kolleginnen vom DoQ-Verlag über diese Veranstaltung gesprochen und mein Thema abgestimmt hatte, das Schicksal des letzten Referenten auf einer Tagung mit vielen interessanten Vorträgen. Von der DoQ wurde damals der Wunsch geäußert: „Lieber Herr Kampffmeyer, Sie haben doch immer so provokante Thesen. Sagen Sie doch mal was über den Arbeitsplatz der Zukunft. Wo stehen wir im Jahr 2010?“! Dies war allerdings vor der Verkündung der Agenda 2010.
Meine Agenda sieht heute etwas anders aus als die des Bundeskanzlers. Ich werde lediglich ein wenig in das Umfeld Dokumenten-Technologien hineinblicken und andere Entwicklungen, die sich parallel abzeichnen, nur am Rande touchieren. Wenn Sie in den Veranstaltungsprospekt hineinsehen, stellen Sie fest. dass alle schönen Schlagworte der Branche unter meinem Vortragstitel versammelt sind. So z.B. Anforderungen an IT-Projekte, Investitionssicherheit, ROI, Arbeitsplatz, Zukunft. Allein schon die Anzahl der Schlagworte hat es mir schwer gemacht, meinen Vortrag in ein 45-Minuten-Korsett zu zwängen. Mein erster Ansatz war, dass ich zunächst einmal im Internet recherchiert habe, wo es Filme gibt, mit diesen schönen neuen Arbeitsplätzen, z.B. mit dem Bildschirm in die Arbeitsfläche des Schreibtischs integriert. Ich habe dann auch noch einmal im Film Odyssee 2001 aufmerksam nach dem Arbeitsplatz der Zukunft Ausschau gehalten – Mikrofon und Lautsprecher im Helm, der durchsichtige Kleinstbildschirm vors Auge geklappt. Aber ich glaube, wir haben alle selbst genügend Fantasie, und es ist für das Thema „Der Arbeitsplatz der Zukunft“ eher hinderlich, mit Bildern, mit MultiMedia oder mit Video-Clips zu Ihnen zu sprechen. Denn wir wissen alle, es wird anders aussehen! Deshalb spreche ich heute frei zu Ihnen, ohne Folienpräsentation, und damit Sie sich nicht ganz auf dem nach Hause Weg langweilen, habe ich Ihnen ein Manuskript erstellt, damit Sie den einen oder anderen Aspekt meines Vortrages nachlesen können. Diejenigen, die früher gehen müssen, kann ich auch trösten: Es wird wieder eine Mitschrift meines Vortrags von heute geben, die über unsere Webseite bereit gestellt werden wird.
Der Arbeitsplatz
Fangen wir einfach einmal mit dem Begriff Arbeitsplatz von meiner Themenliste an. Wir erleben heute, dass die Technik, Software und Hardware, sich jedes Jahr überholt. Mancher von Ihnen wird vielleicht gelächelt haben, als hier heute ein Projekt mit einer Zwei-Bildschirm-Lösung vorgestellt wurde, wo es doch so wunderschöne große Bildschirme gibt, wo man alles zusammen anzeigen kann, wo uns Prospekte versprechen, dass man auch Riesen-Bildschirme einfach an die Wand hängen kann, wo man dann mit den Kollegen davor steht, einfach mit dem Finger zeigt, sich die Sprachausgabe direkt als Text an die Wand werfen lässt, und was es alles noch von diesen schönen Zukunftsvisionen gibt.
Jedoch müssen wir eines immer noch berücksichtigen: der Arbeitsplatz wird auch in zehn Jahren noch ein Arbeitsplatz sein. Es geht darum Arbeit zu erledigen und wir hoffen alle, dass uns die Technik dabei optimal unterstützt. Es wird zwar wunderschöne Kleidungsstücke geben, wo das Telefon, der Kommunikator, vielleicht sogar der PC direkt im Kragen eingebaut sind, so dass man beim Gehen und Stehen direkt kommunizieren und arbeiten kann – ohne dass man noch diese drückenden, kleinen Ohrstöpsel braucht. Aber auch dies wird immer noch ein Arbeitsplatz sein. Ob dieser Arbeitsplatz noch eine Tastatur hat? Es gibt mehrere Indizien, dass auch die Nutzung von Tastaturen sich erheblich verändern wird. Eine Option sprach ich schon an: das ist die Spracheingabe. Wir werden durch die Sprachverarbeitung endlich ein natürliches Medium erhalten, um mit den Rechner zu kommunizieren. Dies wird bereits in sieben Jahren allgemein verbreitet sein, im Jahr mit der magischen 2010 meiner Themenliste. Es gilt aus heutigen Spezialanwendungsgebieten, wo diese Technik schon weit verbreitet ist, wie zum Beispiel in Krankenhaussystemen, einfach zu bedienende Anwendungen zu erstellen, die jeder nutzen kann. Aber es gibt auch andere Entwicklungen. Z.B. wenn Sie Kinder haben, so im Alter zwischen 10 und 16, dann können Sie sich natürlich fragen: Hat die heutige Tastatur überhaupt noch eine Zukunft oder wird sie abgelöst durch ein Tastenfeld „a la Handy“ mit nur noch 12 Tasten? Man muss nur beobachten, wie unter den Schulbänken so mit einer Hand SMS geschrieben werden. Alles kleine Details, wo man sich fragen muss: Werden die Technologien, die heute den Arbeitsplatz bestimmen - Maus, komplexe Oberflächen mit vielen Schaltfeldern, Funktionen, Fenstern, herkömmliche Bildschirme, der Schreibtisch selbst - die nächsten Jahre überleben?
Ich bin der Überzeugung, in den nächsten sechs Jahren wird sich schon aus Kostengründen nicht so sehr viel tun. Es wird zwar als Modeerscheinung zum Beispiel Kleidung mit eingebauten Computern geben, jedoch nichts, was man für die breite Masse einsetzen könnte. In Teilbereichen wird immer mehr Funktionalität und Technologie zusammen geführt werden – das Ergebnis wird aber immer noch ein Arbeitsplatz sein. Allerdings verlagert sich dieser Arbeitsplatz, er wird mobil, er wandert im Unternehmen, er findet sich Zuhause wieder. Und so erreicht der Arbeitsplatz der Zukunft vielleicht auch die Hausfrau in der Küche, als intelligenter Kühlschrank, der mit dem Herd Rezepte austauscht und beim Kaufmann frische Milch zur Lieferung am Abend bestellt. Doch zurück zur Arbeit im Sinne von Büroarbeit, alle sprechen hier heute von den Chancen der Heimarbeit. Aber auch von mobilen Arbeitsplätzen, wo wir zum Beispiel uns in Werbeanzeigen in Lounges auf dem Flughafen wiederfinden, unsere E-Mails abarbeiten, Dokumente verfassen oder Geschäftstransaktionen tätigen, einen Kreditvertrag mit unserer elektronischen Signatur unterzeichnen – wenn wir denn alle irgendwann einmal eine solche Signaturkarte haben werden.
Gerade die Bereitstellung von elektronischen Dokumenten fördert den Heimarbeitsplatz, dies wurde bereits vielmals angekündigt. Dokumente und Daten jederzeit unabhängig von Öffnungszeiten von jedem Ort aus bearbeiten können. Nur wenn man sich jetzt neuere Untersuchungen zur Heimarbeit ansieht, wird man auch feststellen, dass die Effizienz und die Akzeptanz für Heimarbeit gar nicht so groß sind, wie man ursprünglich gedacht hat. Unter Umständen ist es doch besser im Team zusammen zu sitzen, um effizient zusammen zu arbeiten. Technische Lösungen des Knowledge Management und der Collaboration wollen wir hier einmal beiseite lassen, denn selbst wo sie eingeführt wurden, kehrte man häufig ergänzend zum technologisch-getriebenen Ansatz zu bewährten Gruppentreffen in physischen Räumen und gemeinsamen Kaffeetrinken zurück. Wir dürfen nicht glauben, dass allein eine technische Kommunikation und Informationsbereitstellung, sei es nun Video-Conferencing, Telefonkonferenzen, WebCasts oder kooperatives Bearbeiten von Dokumenten in einem Collaboration-System, wie man das heute modern nennt, wirklich entscheidende Verbesserungen bringt. Das größte Hindernis sind immer noch verkrustete Organisationen und mangelhafte Arbeitsabläufe, da führt die Einführung von Technik häufig nur zur Elektrifizierung der Ineffizienz. Solche modernen Systeme ergänzen unsere Arbeitswelt, sie können – und sie sollten – nicht unsere Arbeitswelt ersetzen. Der Mensch definiert sich heute über einen langen Zeitraum seines Lebens durch seine Arbeit. Er ist damit auch Bestandteil unserer Perzeption von Arbeit, immer noch der Maßstab, an dem sich alles misst.. Ich bin auch der Überzeugung, dass der Mensch eine der wichtigsten Ressourcen der Unternehmen ist. Gerade im Umfeld des vielzitierten Knowledge- oder Wissensmanagement können wir nicht davon ausgehen, dass so schnell alles das, was die Qualität der menschlichen Arbeit ausmacht, unsere Interaktion, unsere soziale Kompetenz, unsere Individualität, unser Wissen, unsere gewachsene Erfahrung, unsere Fähigkeit Entscheidungen auch in komplexen Situation unter Umgehung von Regularien dennoch richtig zu treffen, mit Systemen adäquat nachgebildet werden kann. Dort kann ich auch nur den Ausführungen meines Vorredners, Herrn Dr. Schulz folgen: Knowledge-Management-Systeme sollen Unterstützungssysteme sein, die uns bei unserer Arbeit, unserer Interaktion, unserem Wissensaufbau und unserer Wissensvermittlung unterstützen sollen. Aber wie sieht denn diese Software-Unterstützung heute aus?
Wir haben heute wieder viele Bilder „wunderbarer“ Benutzeroberflächen gesehen, eine Schwemme von Knöpfen, Eingabefeldern, hier eine Funktion, da eine Funktion. Alles, was wir hier an Software in diesem Umfeld der Dokumenten-Technologien heute sehen, ist für eine ganz bestimmte Umgebung gemacht, nämlich für die Büroarbeit in Unternehmen und Verwaltungen. Wo man trainiert und geschult wird, wie man die Systeme bedient, wo man irgendwann weiß, welche Positionen auszufüllen sind, welche Funktionen für welchen Zweck zu nutzen sind. Selbsterklärend ist das alles nicht was uns hier die DRT-Industrie anbietet. Aber ich glaube auch, dass eine echte Revolution, die Office Revolution, einmal kommen wird, wenn es endlich gelingt, intuitive Benutzeroberflächen mit einfach zu bedienender Funktionalität zu schaffen, wirklich nur noch mit zwei, drei Knöpfen für das Wesentliche, was gerade getan werden muss. Erst dann wird sich die Trennung zwischen der Privatwelt und der Wirtschaftswelt aufheben lassen, wo heute auf der einen Seite mit Bürosoftware gearbeitet wird, auf der anderen Seite Multimediasysteme, Heim-PCs und intelligente Fernseher sich ausbreiten. Ziel muss es sein, diese Welten zusammenzuführen, den technologisch geschieht die Konvergenz bereits. Das Motto muss sein: Einfach, schnell, benutzerfreundlich! Manche benutzen hier inzwischen auch den Begriff der „Barrierefreiheit“, obwohl er nur im übertragenden Sinn Anwendung finden kann. Ich bin hier übrigens der Überzeugung, dass weder die heutigen Windows-Oberflächen noch die vielzitierte universelle Browser-Oberfläche das adäquate Mittel für die Zukunft sind, wenn man diese beiden Welten, die Arbeit im Büro und die Nutzung von modernen Kommunikations-, PC-, Fernseh- und MultiMedia Zuhause, zusammenführen will.
Ich bin der Überzeugung, dass das, was wir heute überall als Benutzeroberflächen angeboten bekommen, von der Ergonomie her wenig berauschend ist, häufig belastet und eine effiziente Nutzung sogar behindern kann. Auch die Taktvorgabe durch prozesssteuernde Software kann schnell zu einer zusätzlichen Arbeitsbelastung werden. Der schnelle Wechsel von Releases und Versionen trägt ein Übriges bei. Mitarbeiter müssen sich ständig neu auf neue Oberflächen, neue Knöpfchen, noch mehr Funktionalität einstellen. Nicht jeder Mitarbeiter ist diesem ständigen Wechsel gewachsen. Wir erleben heute einen Trend, dass die Systeme so ausgelegt werden, dass immer weniger Menschen in der gleichen Zeit immer mehr Arbeit erledigen können. Dies ist einer der wichtigsten Aspekte der vermeintlichen Effizienz, die Effizienzsteigerung. Die Grenzen der menschlichen Aufnahmefähigkeit und Belastbarkeit werden dabei immer häufiger überschritten.
Wir erleben hier auch eine „Information Divide“. Dieser Begriff ist eigentlich reserviert für den Unterschied des Informationszuganges der Bevölkerung beim Vergleich zwischen der Ersten und der Dritten Welt. Aber wir finden diesen Unterschied auch heute in Unternehmen. Wir haben einerseits eine Generation, die mit der Nintendo-Konsole aufgewachsen ist und die sich schon beschwert, wenn Sie in Ihrem Unternehmen noch nicht mal in der Lage sind, schwarz-weiß Images an den Arbeitsplatz zu transportieren. Und wir haben diejenigen, die mit diesen neuen Oberflächen, mit diesen neuen Arbeitsweisen einfach nicht mehr fertig werden. Die heutigen Systeme werden trotz sogenannter Personalisierung beiden Extremen des Mitarbeiterspektrums nicht gerecht. Ich erinnere, es gab einmal Zeiten, da hatte man ein Leben lang einen Job, ein-und-denselben Job. Selbst wenn man die Firma nicht wechselt, müssen wir davon ausgehen, dass wir während eines Lebens „x“ Jobs haben, mit „x“ verschiedenen Softwarelösungen, mit „x“ verschiedenen Funktionalitäten, mit „x“ Varianten, mit ständig wachsendem Druck, immer schneller erwarteten Reaktionen und Ergebnissen, in „x“ verschiedenen Situationen. Ich frage mich manchmal, ob wir von unserer Humandisposition für das, was da auf uns zukommt, überhaupt ausgelegt sind. Zumindest klappt es nicht mehr mit alten Beförderungsstrategien, dass man solange befördert wird, bis man eine Position erreicht hat, für die man ungeeignet ist, wo man überfordert ist oder für die man inkompetent ist. Dies kann nun schon unten auf der Aufstiegsleiter beginnen.
(Fortsetzung folgt im Newsletter 20030903Newsletter 20030903)
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