20030807 \  Recht & Gesetz \  Records Management in der schwedischen Verfassung verankert
Records Management in der schwedischen Verfassung verankert
Stockholm/Hamburg – Die schwedische Verfassung wurde in Hinblick auf elektronische Dokumente und Records Management im Januar 2003 geändert. Damit ist die schwedische Gesetzgebung die erste in Europa, die die Anforderungen des Digitalen Zeitalters auf höchster Ebene verankert hat. Die erste Änderung betrifft die „Freedom of the Press“ Artikel. In § 2, Abschnitt 3, wird das Konzept „offizieller Dokumente“ eingeführt und definiert. Es orientiert sich an der „Record“ im angloamerikanischen Sprachgebrauch. In Schweden bestehen öffentliche Archive wie das Nationalarchiv in Stockholm de facto nur aus solchen „offiziellen“ Dokumenten“, die auf beliebigen Medien eingereicht werden können. Der „offizielle“ Charakter ergibt sich aus dem Vorgang, dass das ein Dokument an das Archiv übergeben und dort erfasst wird. Im Prinzip ergibt sich aber der „offizielle“ Charakter eines Dokumentes jedoch bereits bei seiner Entstehung. Dies bedeutet z.B., dass in dem Moment wo eine E-Mail eine öffentliche Verwaltung erreicht, diese E-Mail zu einem „offiziellen Dokument“ wird und an das jeweils zuständige Archiv zu überführen ist. Unter einem offiziellen Dokument werden im Übrigen alle elektronischen Objekte verstanden, die mit Software entstehen oder verwaltet werden, und schließen auch Datenbanken als Dokumente ein. Hieraus ergibt sich die Aufgabe für die Verwaltung, bereits bei der Entstehung oder beim Empfang zu entscheiden, ob ein Dokument aufbewahrungspflichtig oder aufbewahrungswürdig ist. Dies erfordert eine entsprechende Zuordnung zu einem Sachverhalt. Claes Granström vom National Arkiv Stockholm schreibt hierzu: „ From this follows that the agency must single out from the beginning and register/catalogue what are official documents and what is not. Also, what the agency can produce with routine measures above what they have done is conceived to be official documents. From this follows that we talk about completed and existing documents (the first category), which the agency can register/catalogue etc as they exist, and the other category not completed but existing documents which can not be catalogued/registered as they do not exist before they are requested. There are also various levels of documents in a database. To simplify, a variable is one document, a combination of variables is one document and the database/file is one document.” Dies macht deutlich, dass man in Schweden von einem sehr universell aufgefassten Dokument-Begriff, eher einem Informationsobjekt-Begriff, ausgeht, der beliebige Daten umfassen kann, die durch ihren Inhalt und Charakter zum “offiziellen“ Dokument werden.
Die zweite bedeutende Veränderung findet sich im neuen Artikel 18. Hier werden die Grundanforderungen an das Records Management festgelegt. Aufbewahrung, Vernichtung und andere Regularien sollen nach Maßgabe in einem eigenständigen Gesetz gefasst werden. Dieser neuer Artikel hat daher zunächst nur den Charakter eines Ankers für weiterführende Gesetze in unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen. Damit wird über das Information of the Press Gesetz hinaus weiter ausgeholt. Das in Artikel 18 geforderte Gesetz wurde bereits im Herbst 2002 als Entwurf konzipiert und befindet sich in der Abstimmung mit den über 110 beteiligten Ministerien, Behörden, Verwaltungen und Organisationen öffentlichen Rechts. Das Ziel dieses Gesetzes ist den freien Zugang zu öffentlichen Dokumenten zu gewährleisten, Dokumente als Bestandteil des nationalen Erbes langfristig zu bewahren, die rechtlichen und verwaltungsspezifischen Anforderungen zu erfüllen und die wissenschaftliche Auswertbarkeit sicherzustellen. Aus diesem Gesetz ergeben sich dann die bindenden Regeln, wie Ministerien, Behörden und Verwaltungen zukünftig mit Erfassung, Ordnung, Aufbewahrung, Verwaltung, Schutz und Offenlegung umzugehen haben. Der Gesetzesentwurf beschreibt in vier großen Abschnitten detailliert, aber technologienabhängig, die notwendigen Voraussetzungen und Verfahren, definiert die Kriterien „offizieller“ Dokumente und Ablageregeln, geht auf die Fragen der Authentizität und Langzeitaufbewahrung ein, regelt die Zuständigkeit, wenn Dokumente in mehrere Verwaltungsbereiche gehören, beschreibt die Anforderungen an die Migration und andere übliche Regularien des Records Managements wie sie sich in der ISO 15489 oder in MoReq wiederfinden. Es wird davon ausgegangen, dass das Gesetz Anfang 2004 im Parlament vorgelegt wird und noch in 2004, spätestens 2005, in Kraft tritt. Da dieses in Vorbereitung befindliche Gesetz eine Konsequenz der Verfassungsänderung ist und quasi in die Verfassung inkorporiert wird, ist nicht davon auszugehen, dass es in Bezug auf technische oder verfahrenstechnische Auswirkungen sehr detailliert sein wird. Die weiterführenden Details müssen auf anderen Ebenen erarbeitet werden. Dennoch stellt dieser Vorstoß Schwedens in Europa eine neue Qualität dar. In allen anderen europäischen Nationen sind Archivierungsfragen meist auf der Ebene nachgeordneter Gesetze und Verordnungen geregelt. Diese Frage grundsätzlich und auf der Ebene der Verfassung anzugehen, zeigt Weitsicht der Schweden. In Deutschland wäre die der schwedischen Verfassung vergleichbare Position das Grundgesetz – und es kann sicher jeder ermessen, was es heißt, das Grundgesetz ändern und ergänzen zu wollen. (Kff)
© PROJECT CONSULT Unternehmensberatung GmbH 1999 - 2016 persistente URL: http://newsletter.pc.qumram-demo.ch/Content.aspx?DOC_UNID=a0be43dbbe464fa8002572cf002a1934