Produktankündigungen gab es viele, Produkt-neuheiten eher wenige. Betrachtet man die Trendvoraussagen der Newsletterausgabe 20010302 so ergibt sich ein indifferentes Bild.
Content Management
Die zahlreichsten Neuheiten im CM-Umfeld gab es natürlich im Web-Content-Management. Nicht nur der Microsoft Sharepoint Portal Server sorgte für Bewegung, sondern auch zahlreiche andere Produkte. Der bisher durch verschiedene Produkte abgedeckte Zyklus von Erstellung, Bewilligung, Publikation, Management, Controlling, Statistik, Verwaltung, und Distribution beginnt sich zu schließen.
Im Endeffekt ist auch der Microsoft Sharepoint Portal Server hauptsächlich als Web Content Management System ausgelegt. Ob er jedoch angesichts eines Preises von ca. um die 10.000 DM (eine Preisliste gibt es noch nicht) schnell weite Verbreitung findet, muß abgewartet werden. Da der Sharepoint Portal Server auch noch eine ganze Reihe anderer Microsoft Services benötigt, stellt sein Einsatz zum heutigen Zeitpunkt für viele Anwender noch keine Option dar.
Portalsysteme beherrschten die Neuankün-digungen. Arrivierte und neue Anbieter versuch-ten den größer werdenden Abstand zu Plattformen wie mysap.com einzuholen. Ähnlich wie bei Betriebssystemen wird sich aber das Feld der Portal- und Middleware-Anbieter sehr schnell auf eine Handvoll Anbieter reduzieren. Vignette, Tibco, IBM, SAP, Microsoft, Oracle und wenige andere dürften mittelfristig den Markt dominieren.
Im Umfeld des Enterprise Content Management werden hauptsächlich alte Produkte mit neuen Etiketten versehen. Lediglich FileNET ist es gelungen seine Produktsuite zu konsolidieren und um ein Tool zu ergänzen (Acenza), das es erlaubt mit einfachen Mitteln Standardanwendungen zu generieren. IBM ist immer noch bemüht seine unterschiedlichen Produktansätze von Archivierung, COLD, und Workflow über Portal, WCMS und andere Module zu konsolidieren. Die zukünftige Rolle des Notes/Domino-Portfolios wird dabei nicht klarer. K-Station und Discovery-Server laufen auch ohne eigenständiges Domino.
Aber auch eine andere Ausprägung von Content Management Lösungen gewinnt Gewicht. Die Anbieter von Inhalten bieten inzwischen ebenfalls Lösungen an. Als Beispiel sei hier das Systemhaus von Bertelsmann erwähnt.
XML war trotz hoher Erwartungen eher ein Rand-thema. Schema und Software AG gehörten zu den wenigen, die sich auf das Thema fokussierten. Für andere Anbieter war XML ein Nebenkriegsschauplatz. Es überwiegt derzeit die Nutzung als Schnittstelle um Datenbanken standardisiert ansprechen zu können, der Einsatz als universelles, selbstbeschreibendes Dokumentformat läßt noch auf sich warten.
Dokumenten-Management-Integration
in Groupware
Fast alle DRT-Hersteller bieten inzwischen Konnektoren für die Integration Ihrer Produkte in die Lotus Notes/Domino-Umgebung an. Das „Group for ever“-Interface spielt dabei am Markt kaum noch eine Rolle. Andere Wettbewerber wie z.B. Kasten Consulting haben hier Group den Rang abgelaufen.
Interessant sind die Reaktionen der Branche auf den Sharepoint Portal Server. Noch erstaunlicher war jedoch die Positionierung des Microsoft Managements in Hinblick auf den Rest des DRT-Marktes. War z.B. A.I.S. windream zunächst als „gefährdet“ betrachtet worden, so stießen nun-mehr Äußerungen zu Koexistenz, Kombination und Integration von windream mit der Microsoft Palette auf großes Interesse.
Viele Anbieter von Autodigit über GFT Solutions bis iXOS bieten heute Mail-Archive zum Einsatz mit Exchange und Outlook an. Diese werden jedoch nur dann eine Chance haben, wenn sie auch als universelles Archiv unabhängig von diesen Microsoft Produkten genutzt werden können. Auch im Zeitalter des Sharepoint Portal Server stellt die Zusammenführung von Daten, Dokumenten und Nachrichten aus unterschiedlichen Quellen ein Desiderat dar. Lösungen wie DocMan können sich hier noch eine Weile neben den Standard-pro-dukten von Microsoft behaupten.
Knowledge Management
Wissensmanagement war nicht so prominent besetzt wie eigentlich erwartet. Natürlich hatten die Anbieter von Werkzeugen für die automatische Klas-sifikation, allen voran SER Systems, dieses Thema besetzt. Anbieter von Capture-Software und –Systemen sehen diesen Aspekt eher als Zusatz, den sie nicht mit eigenen Produkten abdecken wollen. Dies war zumindest die Anschauung von Captiva und KOFAX. Jeder bietet aber inzwischen diese Funktionalität über die Einbindung von Partnerprodukten.
Andere Anbieter sahen Knowledge Management jedoch eher als Problem der Integration und rückten es in die Nähe von EAI Enterprise Application Integration. Auffällig war dies besonders bei Opentext, einem der klassischen Knowledge Management Anbieter. Opentext besetzte in diesem Jahr den Gartner-Begriff des Collaborative Commerce. Lotus hat inzwischen den Arbeitstitel Raven verworfen und spricht von dem Knowledge Discovery System. Wesentliche Bestandteile sind K-Station, Sametime und der Discovery Server. Zeichnet sich hier die erste Abkehr von der Domino-Plattform ab ? Als Datenbank ist Domino immer noch die Plattform für den Knowledge Management Ansatz von Lotus und zahlreiche Anwender nutzen Domino.Doc inzwischen als Verwaltungssystem für ihre Dokumente. Zumindest muß Domino nicht extra gekauft werden sondern ist in die Suite als Service integriert.
Die Prozeßkomponente wird inzwischen stärker betont und führt zu einer Renaissance des Themas Workflow. Jedoch wird Workflow nicht mehr als eigenständige Anwendung sondern als nachgeordneter, integrativer Dienst im Rahmen von Enterprise Application Integration betrachtet.
Andere vor der CeBIT als „hot topics“ gehandelte Funktionen wie neuartige Navigationstools oder Agenten ließen sich nur mit Mühe finden.
ASP Application Service Providing
Rund 150 Anbieter zeigten bereits ASP-Lösungen, die Bewerbung war jedoch mehr als verhalten. Offenbar wird erst einmal abgewartet, wie der Markt auf das Thema reagiert. Neben dem Begriff ASP wird inzwischen auch wieder gern die Bezeichnung Outsourcing oder aber der Begriff SSP Service Solution Provider ins Spiel gebracht. Für viele Anbieter dürfte letzerer Begriff zutreffender als ASP sein.
Im Umfeld von DMCO, der Dokumenten-Management-orientierten Variante von ASP, war wenig Neues zu finden. Vorhandene Lösungen wurden – wie z.B. bei DataSec - um neue Funktionalität ergänzt. Jedoch scheint es so, daß der „Sturm der interessierten Anwender“ noch nicht so recht eingesetzt hat. Vorzeigeprojekte wie z.B. Einsteinet verzögern sich, iXOS stieg während der CeBIT aus MemIQ aus und bei vielen Anbietern sind die Lösungen noch nicht aus dem Probierstadium herausgekommen. Die Anforderungen an echte DMCO-Lösungen sind höher als von vielen Anbietern erwartet.
E-Business
Wo im vergangenen Jahr noch Paneele, Plakate und Parolen die eBusiness-Botschaft verkündeten war in diesem Jahr kaum eine vergleichbar deutliche Marktpositionierungen wahrzunehmen. Besonders die DRT-Anbieter haben sich etwas von diesem „allumfassenden“ Begriff abgesetzt. Der Begriff E-Business findet sich vornehmlich bei Anbietern, die aus den USA kommen. Das Lösungsangebot konzentrierte sich auf der CeBIT eher auf die konkreten Anwendungen, nicht mehr auf eBusiness als ganzheitliche Vision. Zu den Anwendungsschwerpunkten gehörten CRM, SCM, CCM und andere C-Akronyme. Herkömmliche Dokumententechnologien verschwinden dabei vollständig in den Hintergrundsystemen. Die traditionellen DRT-Anbieter tauchen allenfalls als Partner, kaum mit eigenen Lösungen auf. Im Fokus der DRT-Anbieter lag eher das E-Business-Teilsegment Enterprise Content Management, das die notwendige Infrastruktur bereitstellen soll.
E-Business selbst wird häufig noch mit E-Commerce in einen Topf geworfen. Dies ist sicherlich falsch, da E-Commerce nur ein Bestandteil von E-Business ist. Es ist aber bereits abzusehen, daß sich die „e“, „c“, „m“, „b“ und anderen Modewörter langsam verbrauchen und angesichts der Börsenschwäche eher den potentiellen Kunden abschrecken.
Elektronische Archivierung
Das Thema elektronische Archivierung und Records Management gewinnt durch die Veränderung der Rechtssituation wieder stark an Gewicht. Die sich anbahnende Gleichstellung von Papier- und elektronischen Dokumenten, der ständig wachsende E-Mail-Verkehr mit geschäftsrelevanten Informationen, die nicht mehr in Papier vorliegen, Forderungen nach der elektronischen Speicherung und Erschließung von Informationen aus Buchhaltungssystemen – all dies führt zu einer Renaissance der elektronischen Archivierung. Auch wenn die Hersteller von Magnetplatten- und Band-Speichersystemen sowie die Anbieter von HSM hierarchischem Speichermanagementsystemen ebenfalls ein starke Ausweitung ihres Geschäftes sehen, bleibt ein Großteil des Bedarfes für die revisionssichere elektronische Archivierung übrig.
Dementsprechend besannen sich auch viele DRT-Anbieter auf ihre ursprünglichen Stärken. Marketing Slogans mit „modernen“ Schlagworten wurden um das Thema Archivierung wieder ergänzt. Bei den Lösungen lassen sich grundsätzlich zwei Tendenzen feststellen: Spezialarchive nur für einen Zweck, z.B. für SAP, E-Mail oder Internet-Transaktionen; oder unternehmensweite Lösungen als Archivinfrastruktur, wo ein einheitliches Archiv alle Informationen aus verschiedenen Quellen zusammenführt und übergreifend erschließt.
Farbe und Bewegung
Farbscannen wurde von den meisten Capture- und Archivanbietern adressiert. Mehr als der Anschluß von entsprechenden Geräten war jedoch nicht zusehen. MPEG4 und JPEG2000 sind eigentlich noch kein Thema bei den DRT-Anbietern. Anders sieht dies aber im Umfeld von digitaler Fotografie, digitalem Video (dort etabliert sich gerade ein weiterer Standard DivX, der mit MP3 vergleichbar ist), und vor allem für zukünftige mobile Anwendungen aus. Es hat sich zwar derzeit „ausgeWAPt“, jedoch ist der Home-Bereich, MultiMedia, Web-Publishing, digital Video und das Umfeld von professionellen Print-Services bei Farbe und Bewegung führend. Dementsprechend wurde JPEG2000 in diesem Umfeld auch stark betont. Die Welle wird jedoch sehr kurzfristig auf die Content-Management-, Dokumenten-Management- und Archivierungsbranche überschwappen, denn irgendwo müssen ja all die speicherintensiven Informationen bleiben. Ob die traditionellen Anbieter oder die Hersteller von Web-Content-Management den größeren Teil des Kuchens für sich sichern können, wird die Zukunft zeigen. In Hinblick z.B. auf JPEG2000 ist jedoch noch nicht sehr viel zu sehen. Erste Geräte können dieses Format zwar erzeugen, die Anzeige gelingt zur Zeit aber nur ausschließlich durch das kostenlos downloadbare Plugin der Berliner Luratech. Ohne die Unterstützung effektiver Kompressionsstandards, die einheitlich alle Plattformen und Anwendungen unterstützen, ist jedoch keine schnelle Markterschließung möglich. (FvB/Kff)