Von Dr. Ulrich Kampffmeyer, Chefberater bei PROJECT CONSULT
Die Veränderungen im Markt machen es dem potentiellen Anwender nicht einfacher, eine geeignete Lösung zu finden. Die Begriffsvielfalt, der Überschwang an Funktionalität, die Wahl zwischen einer reinen DMS-Lösung oder einer Fachanwendung mit DRT wird immer schwieriger. Herkömmliche Produktauswahlverfahren helfen hier nicht mehr weiter.
Jeder Anbieter kann heute bei fast jeder funktionellen Frage sein „Ja-Kreuz“ machen. Konkrete Aufgabenstellungen und detaillierte Fachkonzepte sind gefordert, um die richtige Lösung zu finden. Auf der anderen Seite hilft dieses Verfahren auch dem Anwender, sich konkret über seinen Bedarf und seine Anforderungen klarzuwerden. Durch die umfassende Darstellung des fachlichen Einsatzgebietes werden auch die Projektdurchführung und die Prüfung des vom Anbieter abgelieferten Ergebnisses erheblich erleichtert. Die Projektarbeit beginnt hierdurch wesentlich früher als bisher. Wurden in der Vergangenheit zwar erhebliche Aufwände in die Produktauswahl investiert, so konzentrierte sich die Hauptarbeit jedoch auf die Realisierungsphase zusammen mit dem Anbieter. Inzwischen ist die Design- und Konzeptphase die wichtigste geworden. Dies trägt auch dem Ansatz der Anwender Rechnung, möglichst wenig individuelle Programmierung notwendig zu machen und weitmöglichst auf Standardkomponenten und Standardfunktionalität aufzusetzen.
Am Markt werden inzwischen unterschiedlichste Produkte und Lösungen für nahezu jeden Anwendungszweck angeboten. Die Anforderungen einer langfristigen Informationsbereitstellung kollidieren hierbei häufig mit den schnellen Veränderungen im Markt. Firmen und Produkte, die vor kurzem noch als stabil und führend angesehen wurden, sind heute nicht mehr vorhanden. Der Anwender sieht sich dem Problem gegenüber, optimale Lösungen zu finden, die in seine Anwendungslandschaft passen. Hierbei sollte nicht von den Produkteigenschaften ausgegangen, sondern die fachlichen Anforderungen in den Vordergrund gestellt werden. Der Grundsatz "Strategie vor Organisation, Organisation vor Technik" von Hartmut Storp gilt hier noch immer.
Die Veränderungen im Markt, Mergers & Acquisitions und die Kurzlebigkeit von Software-Releases haben erheblich zu einer Verunsicherung der Anwender beigetragen. Der potentielle Anwender ist sich inzwischen klar geworden, daß die organisatorische Komponente wichtiger als die Technologie ist. Unter Berücksichtigung des zu betreibenden Aufwands wurden daher häufig die Investitionen in Lösungen zurückgestellt. Bei einer realistischen Projektplanung und einem geordneten Vorgehen ist dies jedoch nicht mehr zeitgemäß. Die Produkte sind ausgereift und bei den großen Anbietern in Tausenden von Lösungen im Einsatz. Der qualitative Nutzen ist unumstritten. Es gibt inzwischen Branchen, in denen die Unternehmen ohne den Einsatz von DRT nicht mehr effizient arbeiten können oder nicht mehr wettbewerbsfähig sind. DRT sind die Voraussetzung für neue kundenorientierte Dienstleistungen, die Verbesserung der Betriebsorganisation und die effiziente Handhabung des immer größer werdenden Informationsberges. Der DRT-Branche obliegt es, durch vertrauensbildende Maßnahmen die Verunsicherung zu überwinden und die Notwendigkeit des Einsatzes von Dokumenten-Technologien einfach, verständlich und nachvollziehbar zu vermitteln.
Dokumenten-Management, besonders in den Ausprägungen des Knowledge-, Workflow- oder klassischen Dokumenten-Managements ist weiterhin vorrangig eine organisatorische Aufgabe. Intensive Vorbereitung und Begleitung während der Einführung sichern die Akzeptanz. Anwender besitzen in der Regel nicht das entsprechende Personal, um diese zeitlich begrenzten Aufgaben effizient abzudecken. Außerdem trifft der aktuelle Mangel an Fachkräften im Dokumenten-Management-Umfeld Anwender und Anbieter gleichermaßen.
Lösungen kommen heute häufig nicht mehr aus einer Hand, es sind auf seiten der Anbieter unterschiedlichste Systemintegratoren und Lieferanten zu managen. Auch beim Anwender sind verschiedene Gruppen zu berücksichtigen: von der Fachabteilung über Organisation und Informatik bis hin zu Revision und Personalvertretung. Unterschiedliche Bildungsstände, Machtpositionen und Interessen treffen aufeinander. Sie alle müssen in einem Team zusammengefaßt und geführt werden, um der angestrebten Lösung zum Erfolg zu verhelfen. Die Einführung von elektronischem Dokumenten-Management verändert Arbeitsweisen, Abläufe, Organisationsstrukturen und die Interaktion der Mitarbeiter. Hier sind begründete und unbegründete Ängste zu überwinden, durch Qualifizierung und „sanfte Einführung“ vorhandene menschliche Ressourcen zu sichern und einen Ausgleich zwischen den wirtschaftlichen Zielen des Unternehmens und der gewachsenen Unternehmenskultur zu finden. Technologie ist nur dann sinnvoll, erfolgreich und effizient einführbar, wenn den organisatorischen Herausforderungen Rechnung getragen wird.
Die aufgeführten Beispiele von der Konzeption und Produktauswahl über die Abdeckung von Ressourcen bis zum qualifizierten Projektmanagement und Coaching zeigen den Bedarf für Beratung. Berater sind in der Lage, spezielles Know-how und Erfahrungen aus gleichgerichteten Projekten zielgerichtet einzubringen. Sie ermöglichen die "Betriebsblindheit" sowohl beim Anwender in Hinblick auf gewachsene Strukturen und Prozesse als auch beim Anbieter in Hinblick auf seine Produktverliebtheit zu überwinden. Sie sind Mittler zwischen den Welten von Technik, Organisation und Mensch. Sie können einerseits durch innovative Lösungsansätze die Effizienzpotentiale des Dokumenten-Managements ausschöpfen helfen. Andererseits wissen sie um die Tücken der Einführung von technischen und organisatorischen Lösungen und verhindern unrealistische Visionen, die nicht umsetzbar sind. Gute Berater verfolgen das Ziel, ihre Kunden so auszubilden, daß sie später mit der implementierten Lösung auch "leben" können. Wesentliche Komponenten sind hierbei, daß sowohl Berater, Kunde und Anbieter im Team effektiv zusammenarbeiten. Die Auswahlkriterien haben sich damit nicht nur für Anbieter und deren Produkte sondern auch für die Wahl einer qualifizierten Beratungsunterstützung geändert.