20080930 \  Normen & Standards \  CMIS
CMIS
Am Mittwoch, den 10. September, quasi auf der DMS EXPO, haben EMC, IBM und Microsoft einen neuen Standard für Enterprise Content Management angekündigt, der die Interoperabilität zwischen den verschiedenen ECM Systemen sicherstellen soll. Alfresco, Open Text, Oracle, und SAP haben ihre Beteiligung in der Entwicklung der Content Management Interoperability Services (CMIS) Spezifikation bereits zugesagt. Damit haben sich wesentliche ECM-Hersteller zu diesem Standard bekannt, der Ende 2009 an OASIS (Organization for the Advancement of Structured Information Standards) eingereicht werden soll.
CMIS soll die einfache Nutzbarkeit von Inhalten über verschiedenen Repositories hinweg ermöglichen. So plant IBM beispielsweise sowohl diverse Lotus-Produkte wie auch IBM FileNet P8 CMIS-kompatibel zu machen. Die oben genannten Anbieter konnten zur Ankündigung auch bereits Demos zeigen, wie die verschiedenen Produkte interagieren können.
CMIS könnte so ein wichtiger Schritt sein, um ECM einem größeren Kreis von Anwendern zugänglich machen. Im Gegensatz zu vielen anderen Standardisierungsbemühungen beteiligen sich hier alle wesentliche Anbieter im ECM-Markt. Kunden und Systemhäusern könnte CMIS grosse Vorteile bringen, da Anwendungen, die auf schwach und unstrukturierte Informationen zugreifen müssen, nun auf einer Standardschnittstelle unabhängig vom Repository entwickelt werden können. (SMe)
  
PROJECT CONSULT Kommentar:
In der Paneldiskussion „Kampffmeyers Rotes Sofa“ zu ECM 2.0 am 10.09.2008 auf der DMS EXPO war eigentlich nur Stefan Pfeiffer von IBM in der Lage, etwas zu CMIS zu sagen. Die anderen Teilnehmer, wie auch die meisten Anbieter in der Ausstellungshalle, waren eher überrascht. Schon vorher gab es Gerüchte zur neuen Initiative und IBM hat unlängst erklärt, dass die Arbeit in den herkömmlichen Standardisierungsgremien unzureichend ist und überdacht werden müsse. Auch die iECM-Standardisierungsgruppe bei der AIIM, die sich einen ähnlichen Anspruch auf die Fahne geschrieben hat, herrschte eher Verunsicherung und man suchte nach einer geeigneten Formulierung für eine Stellungnahme. Verfechtern anderer Standards in diesem Umfeld, wie JSR 170 oder JSR 283, trieb die Ankündigung Sorgenfalten ins Gesicht, auch wenn offenbar der Hauptkonkurrent von CMIS offenbar WebDAV sein dürfte. Aber auch gegen die Java-basierten Schnittstellen, die von der Firma Day vorangetrieben werden, richtet sich die CMIS-Initiative. Die Schnittstelle Java Specification Request 170 (JSR 170) in Version 2 für den Repository-Zugriff gibt es inzwischen auch für .NET oder Perl, längst liegt auch die Weiterentwicklung als JSR 283 Spezifikation vor. Zahlreiche Anbieter unterstützen in ihren Produkten den JSR-Ansatz, der von Day, Oracle, IBM, EMC und SUN vorangetrieben wird. Hier verwundert natürlich etwas, dass fast die gleichen großen Anbieter auch bei CMIS engagiert sind. Lakonisch wird immer wieder betont, der Standardisierungsprozess laufe bei diesen JSR-Spezifikationen zu langsam. Ein weiteres Argument der CMIS-Gruppe gegen vorhandene Interface-Standards wie WebDav oder die JSR-Standards ist, diese seien einerseits unzureichend oder aber zu komplex. In Blogs und Artikeln wurde das Thema lebhaft aufgegriffen.  
Auch die Gartner Group wurde gleich zitiert, die der CMIS-Initiative gute Chancen einräumt. Laut Gar
tner adressiert CMIS eines der wichtigsten Probleme der Anwender, die über einen Wildwuchs von vielen Repositories verschiedener Hersteller klagen. Für eine unternehmensweite ECM-Strategie ist es daher notwendig, diese unterschiedlichen Speicherorte miteinander zu verknüpfen. Als Vorteile von CMIS sieht die Gartner Gruppe vor allem die Unterstützung des SOA-Architekturansatzes und Unterstützung durch die marktführenden ECM-Anbieter. Eine besondere Rolle nimmt dabei sicherlich Microsoft ein, denn im Gegensatz zu den Java-basierten JSR Standards ist Microsoft stark in der CMIS-Initiative  involviert.  
Bei CMIS geht es um die Bereitstellung von Web-Services, die als Kommunikationsprotokoll SOAP Simple Object A
ccess Protocol oder REST Representational State Transfer (genaugenommen das APP Atom Publishing Protocol) verwenden können. Ziel ist es, Programmiersprachen- und Plattform-unabhängig die ECM-Basisfunktionen für das Erstellen und Erfassen (Create), Speichern (Store), Suchen und Präsentieren (Retrieve)  von beliebigen Inhalten aus einer heterogenen Repository-Landschaft mit unterschiedlichen Produkten zu ermöglichen. Es geht als bei CMIS um eine einheitliche Zugriffsschicht für verschiedene Speicherverwaltungslösungen. Im Fokus stehen Collaborative Content Applications, Portale mit Zugriff auf föderierte Speicherorte und Mashups. Sieht man sich den ersten Entwurf der Spezifikation, Version 0.5, genauer an (www.emc.com; www.alfresco.com; Beschreibungen, Ressourcen), so stellt man fest, dass komplexere Anforderungen aus dem Umfeld von dokumentenorientierten Business Process Management Anwendungen, Compound Document Management, elektronischer Archivierung und des E-Discovery nur eingeschränkt über das Domain- und Binding-Modell unterstützt werden sollen. Andere ECM-Disziplinen wie Records Management und Anwendungen für die Erfüllung von  Compliance-Vorgaben, Digital Asset Management, Web Content Management aber auch Services für Subscription and Notification sind nicht im Scope vom CMIS.  Viele stellen sich daher die Frage, ob hier nicht zu kurz gesprungen wird, ob es sich im Prinzip doch nur um den gleichen Ansatz wie bei WebDAV oder JSR, aber ohne „den Kaffee“, handelt.  
Die beteiligten Anbieter verfolgen mit ihrer Unte
rstützung zu dem verschiedene Strategien.  
Alfresco ist das Unterne
hmen, das CMIS als einer der ersten aufgegriffen und demonstriert hat. Auf der Alfresco-Wiki-Webseite http://wiki.alfresco.com findet sich bereits die vollständige Installationsanweisung inklusive Mapping für die Alfresco-Produktumgebung. Alfresco setzt schon immer auf offene Standards und sieht mit der frühen CMIS-Implementierung einen Wettbewerbsvorsprung.  
IBM muss seine P8-, CM8-, Lotus- und sonstigen Reposit
ories zusammenbekommen und arbeitet daher per se bereits an einer CMIS-artigen Verbindung als Middleware für federated Repositories. Ein solches Produkt gab es bereits von Filenet, das die Grundlage für die derzeitige IBM-Lösung ist. Einen übergreifenden, von Herstellern unabhängigen Zugriff zu realisieren, erklärt auch das starke Engagement von IBM für CMIS, da sich IBM bei Großkunden schon immer in sehr heterogenen Umgebungen bewegen musste. 
Microsoft braucht offene, einheitliche Schnittstellen für das Sharepoint-Integrationsumfeld. Dies wurde schon im Wh
itepaper von Microsoft für Sharepoint diesen Jahres deutlich. Mit CMIS ergibt sich die Möglichkeit, das Java-Lager „auszubooten“ und selbst bei den ECM-Standards, natürlich unter Berücksichtigung der Microsoft-Interessen, mitzureden. Nicht umsonst taucht SOAP in der Spezifikation auf. Dass Microsoft übrigens nicht grundsätzlich gegen Java-Standards eingestellt ist, zeigt die zukünftige Unterstützung von jQuery. Microsoft geht in seinem Enterprise-Content-Management-Blog ausführlich auf die Gründe für die Unterstützung von CMIS ein und macht deutlich, das CMIS nicht die Lösung für die Unterstützung aller ECM-Funktionen ist. Zu einem Datum, wann CMIS in Microsoft-Produkten (auch außerhalb des Sharepoint) verfügbar sein soll, lässt sich Microsoft nicht hinreißen. Man wolle erstmal die Version 1.0 und die Standardisierung durch die OASIS abwarten.  
Die Anbindung an MOSS ist auch ein Schlüsselargument für Open Text und EMC. Bei zahlreichen Kunden wird Sh
arepoint schon vielfach für die dynamische Verwaltung der Informationsobjekte genutzt, die dann in die großen Repositories der ECM-Anbieter übernommen werden. Ein übergreifender Zugriff, auf die Dokumente an den verschiedenen Speicherorten, und die Migration von Objekten ohne Neuindizierung sind inzwischen Standardanforderungen.  Gerade Open Text ist auf ein optimales Zusammenwirken seiner Pro-dukte mit dem Microsoft-Portfolio angewiesen und wird daher die Standardisierung nicht allein Dritten überlassen. 
Interessant ist, die Positionierung von SAP zu verfolgen. Bisher setzt SAP auf WebDAV. Mit Microsoft hatte man im Ra
hmen von Duet bereits die Integration der Office-Welt ausgelotet. Bisher gibt es von SAP noch kein eindeutiges Commitment für CMIS. Aber andere Anbieter zeigen sich inzwischen sehr interessiert. 
So macht die CMIS-Initiative eines deutlich: Die Trends und Standards werden von den großen Anbietern im IT-Markt gesetzt. Dies gilt inzwischen auch für Enterprise Content Management. Alle kleineren Anbieter laufen hi
nterher, denn dem Sog eines Standards wie CMIS, wenn er denn einmal von Microsoft, IBM, Open Text, EMC und all den anderen großen ECM-Mitspielern implementiert wird, kann sich keiner mehr entziehen. Man kann also davon ausgehen, dass auch alle anderen ECM-Anbieter kurzfristig auf den Zug aufspringen. Ob der Standard gut und praktikabel ist, ob er auch alle Kundenanforderungen erfüllt, ob er in die bisherige Plattform-Strategie des Softwareherstellers passt - all dies interessiert dann nicht mehr. Nicht allein durch ihre Größe, Marktmacht und den Umfang des Produktportfolios bestimmen die großen ECM-Anbieter den Markt, auch durch das Setzen von Standards und Trends. (Kff)   
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