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Mit systematischem Projektmanagement zum Erfolg (Teil 4: Kostenmanagement)
Eine Einführung in den internationalen PMI Standard
von Christoph Jeggle, PMP, E-Mail: Christoph.Jeggle@PROJECT-CONSULT.com. Die Teile 1, 2 und 3 erschienen in den vorangegangenen Newsletterausgaben 20040315, 20040512und 20040617. Christoph Jeggle ist als Seniorberater freier Mitarbeiter von PROJECT CONSULT.
In diesem Teil des Artikels werden wir uns vornehmlich mit dem Kostenmanagement beschäftigen. Zugleich wird eine Methode vorgestellt, wie Projekte hinsichtlich des Scopes (Inhalt und Umfang), der Zeit und der Kosten analysiert werden können.
Kostenmanagement
Um die Kosten eines Projektes planen und managen zu können, bedarf es einiger Voraussetzungen. Eine dieser Voraussetzungen ist mit dem Inhalts- und Umfangsmanagement gegeben, das das Ergebnis oder Produkt des Projektes definiert. Basierend darauf wird durch das Zeitmanagement die Zeitplanung durchgeführt. Inhalts- und Umfangsmanagement und Zeitmanagement haben wir im letzten Artikel behandelt. Dem aufmerksamen Leser des letzten Artikels wird vielleicht nicht entgangen sein, dass die im Inhalts- und Unfangsmanagement erstellte Work Breakdown Structure nicht allein reicht, um eine Zeitplanung erstellen zu können. Es reicht nicht aus, nur zu wissen, was gemacht werden muss, sondern es ist auch wichtig zu wissen, mit welchen Ressourcen - sowohl Personen als auch andere Einsatzmittel - das Ziel erreicht werden kann. Dabei müssen nicht namentlich Personen bereits benannt werden, aber die fachlichen Anforderungen an die Personen müssen klar sein. Diese Ressourcenplanung gehört zum Kostenmanagement, da die verwendeten Ressourcen ein entscheidender Faktor für die Kosten sind. Zugleich ist die Ressourcenplanung aber auch ein wichtiger Input für die Zeitplanung, da diese von der Verfügbarkeit bestimmter Ressourcen abhängt. Die Ressourcenplanung gehört ebenso wie die im nachfolgenden beschriebenen Kostenschätzung und die Kostenplanung zur Prozessgruppe Planung.
Bei der Kostenschätzung kommen nun alle zuvor geplanten Elemente zusammen: die Work Breakdown Structure, die Schätzung der Dauer der einzelnen Vorgänge und der ermittelte Bedarf an Ressourcen. Auch hier wird der Leser mit Projekterfahrung vielleicht denken, dass die Realität oft anders aussieht. Oft muss bereits eine Kostenschätzung im Projekt erfolgen, wenn weder Scope noch Zeit noch Ressourcen wirklich klar sind bzw. geplant werden konnten. In diesen Fällen bleibt nur eine Form von Analogieschätzung. Dabei wird das Projekt mit anderen ähnlichen Projekten verglichen, deren Kosten bekannt sind. Basierend darauf werden die Kosten des neuen Projektes geschätzt. Diese Schätzung ist natürlich sehr ungenau und mit dem Risiko behaftet, dass sich das neue Projekt als doch nicht so ähnlich wie gedacht herausstellt.
Wenn die Faktoren Scope, Zeit und Ressourcen bereits vorliegen, kann besser mit der Bottom-up Schätzung gearbeitet werden. Dabei werden die einzelnen Arbeitspaket basierend auf den Faktoren Zeit und benötigte Ressourcen hinsichtlich ihrer Kosten geschätzt und zu den Gesamtkosten aufsummiert.
Bei der Kostenplanung werden die so geschätzten Gesamtkosten entsprechend der Zeitplanung auf der Zeitachse verteilt. So entsteht der Kostenbasisplan, gegen den die tatsächlichen Ausgaben im Projekt zu bestimmten Zeitpunkten kontrolliert werden können.
Aufgrund dieses Kostenplans kann eine Steuerung der Kosten erfolgen. In der einfachsten Form erfolgt diese Steuerung und Kontrolle über den Vergleich der tatsächlichen Projektkosten mit den im Kostenbasisplan geplanten Kosten zu einem bestimmten Zeitpunkt. Dieser Vergleich zeigt allerdings nicht die ganze Wahrheit, da hier nur Kosten betrachtet werden und nicht, was im Projekt zu dem Zeitpunkt erreicht worden ist.
Eine Methode um die Scope, Zeit und Kosten gegenüber den geplanten Werten zu vergleichen und so das Projekt in seinen wesentlichen Faktoren unter Kontrolle zu halten, ist die Earned Value Analyse (EVA) oder übersetzt die Analyse des Fertigstellungswertes.
Hinter dieser Analyse verbirgt sich eine Methode, den Grad der Fertigstellung der Projektergebnisse mit in die Kostenrechnung einzubeziehen, um so Scope, Zeit und Kosten zu berücksichtigen.
Die Methode beruht auf drei Variablen. Die Methode analysiert immer den Zustand des Projektes zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Die erste Variable ist der Planned Value (PV). Dieser bezeichnet den Wert der Arbeit im Projekt, die zu einem bestimmten Zeitpunkt laut Planung fertig gestellt sein sollte.  Hier ein Beispiel: Ein Projekt besteht aus vier Arbeitspaketen, die jeweils Kosten von € 1000 verursachen. Wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt die Fertigstellung von drei dieser vier Pakete geplant ist, beträgt der Planned Value zu diesem Zeitpunkt € 3000.
Die zweite Variable ist der Earned Value (EV). Das ist im Deutschen am ehesten mit Fertigstellungswert zu übersetzen. Dieser bezeichnet den Wert der Arbeit im Projekt, die zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich fertig gestellt ist. In unserem Beispiel: Von den geplanten drei fertig gestellten Paketen sind nur zwei fertig gestellt. Zu diesem Zeitpunkt beträgt der Earned Value € 2000.
Die dritte Variable sind die Actual Cost (AC). Diese bezeichnen die Kosten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich aufgelaufen sind. In unserem Beispiel sind € 2800 ausgegeben worden.
Mit diesen drei Variablen lassen sich nun die Cost Variance (CV) und die Schedule Variance (SV) berechnen.
Bleiben wir bei unserem Beispiel. PV beträgt € 3000, EV beträgt € 2000 und AC beträgt € 2800. Wenn in diesem Beispiel nur PV mit AC verglichen werden, also die Kostenplanung mit den tatsächlichen Kosten, sieht das Projekt so aus, als sei es auf dem richtigen Weg. Die tatsächlichen Kosten sind geringer als die geplanten Kosten. In Wirklichkeit aber müssen in diesem Projekt alle Warnlampen auf Rot stehen. Weder ist das mit den Kosten erreicht worden, was geplant war, noch sieht es so aus, dass das Projekt rechtzeitig fertig wird. Das lässt sich sehr einfach durch folgende Werte darstellen.
Die Cost Variance (CV = EV – AC) beträgt in unserem Beispiel -800. Negative Zahlen bedeuten immer, dass das Budget überschritten worden ist. Nicht besser sieht es bei der Zeitplanung aus.
Die Schedule Variance (SV = EV – PV) beträgt in unserem Beispiel -1000. Negative Zahlen bedeuten immer, dass die Zeitplanung überschritten worden ist.
Mit weiteren Zahlen lässt sich das Ausmaß der Misere in unserem Beispiel noch verdeutlichen. Der Cost Performance Index (CPI) verdeutlicht, wie viel für jeden ausgegebene Kosteneinheit (Euro, Dollar, …) im Projekt erarbeitet worden ist.
In unserem Beispiel beträgt der CPI = EV/AC, also 0,71, ein ziemlich verheerendes Ergebnis, da für jeden ausgegeben Euro nur 0,71 Euro an Gegenwert geschaffen worden sind.
Der Schedule Performance Index (SPI) zeigt an, wie viel Prozent von dem geschaffen worden ist, was zu einem bestimmten Zeitpunkt geplant war. In unserem Beispiel beträgt der SPI 0,66. Das heißt, dass nur 66 Prozent von dem erreicht worden ist, was eigentlich hätte erreicht werden sollen.  
Mit den so berechneten Werten kann auch weiter berechnet werden, wie viel voraussichtlich das Projekt am Ende kosten wird (EAC = Estimate at Completion). Dazu wird die ursprüngliche Budgetplanung (BAC = Budget at Completion) durch den Cost Performance Index geteilt. Daraus ergibt sich in unserem Beispiel EAC = BAC/CPI = 4000 €/0,71 = 5634 €. Diese Formel stellt nur eine von mehreren Möglichkeiten dar, den EAC zu berechnen Sie geht davon aus, dass die bisher im Projekt gezeigte Performance sich nicht ändert.
Wie werden nun die drei Ausgangsvariablen PV, EV und AC bestimmt? PV und AC stellen kein Problem dar. Der Planned Value (PV) ist die Summe der geplanten Kosten für die Arbeitspakete bis zum Analysezeitpunkt, die Actual Cost (AC) stellen die Summe der tatsächlichen Kosten für die Arbeitspakete im Projekt bis zum Analysezeitpunkt dar. Voraussetzung für diese Werte ist eine korrekte und gründliche Kostenplanung und Kostenkontrolle. Der Earned Value (EV) muss näher betrachtet werden. Um ihn zu bestimmen, muss der Grad der Fertigstellung der einzelnen Arbeitspakete festgestellt werden. Ein Arbeitspaket mit einem PV von € 1000 und einem Fertigstellungsgrad von 50% hat einen EV von € 500. Nur wie kann der Fertigstellungsgrad eines Arbeitspaketes wirklich gemessen werden? Oft wird das mit mehr zufälligen Schätzungen durchgeführt. Das erweist sich als untauglicher Weg. Besser ist es, sich von Anfang an auf eine der folgenden Regeln im Projekt festzulegen.
   
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die 50/50 Regel: Ein Arbeitspaket, das begonnen wurde, wird immer als zu 50% fertig gestellt angenommen. Erst wenn es fertig gestellt ist, kommen die restlichen 50% hinzu.
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 die 20/80 Regel:  Ein Arbeitspaket, das begonnen wurde, wird immer als zu 20% fertig gestellt angenommen. Erst wenn es fertig gestellt ist, kommen die restlichen 80% hinzu.
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die 0/100 Regel: Nur ein Arbeitpaket, das fertig gestellt ist, werden in der Earned Value Analyse mit ihrem Fertigstellungswert berücksichtig. Für nur angefangene Pakete wird ein Fertigstellungsgrad von 0% angenommen.
Welche der Regeln verwendet werden sollte, hängt von der Größe der Arbeitspakete und der Anzahl der nicht fertig gestellten Pakete ab. Mit einer dieser Regeln ist es dann leicht möglich, den Earned Value zu berechnen.
Nach dem Kostenmanagement wird sich der nächste Artikel mit dem Personal- und Beschaffungsmanagement beschäftigen.
Anm. d. Red.: Der Beitrag wird in der nächsten Ausgabe des PROJECT CONSULT Newsletter  fortgesetzt.
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