20081219 \  Gastbeiträge \  Mit System den Übersetzungsprozess optimieren
Mit System den Übersetzungsprozess optimieren
Gastbeitrag von Andreas Dürr, Marketing Director Across Systems GmbH. E-Mail: aduerr@across.net.
Kombination von maschineller Übersetzung, Terminologie-System, Translation Memory und Projekt-Management-Tool steigert Gesamtproduktivität des Übersetzungsprozesses
Die Aufwendungen für das Verfassen und Übersetzen technischer Dokumentationen und Produktinformationen belaufen sich auf mehrere Milliarden Euro im Jahr und werden aufgrund wachsender internationaler Verflechtungen weiter zunehmen. So ist beispielsweise eine komplette Dokumentation in der Sprache des Ziellandes für die Erschließung neuer Märkte nicht nur aus vertrieblichen Gründen, sondern auch aufgrund gesetzlicher Vorschriften unerlässlich. Deshalb ist die Optimierung der Erstellung mehrsprachiger Inhalte und der damit verbundenen Prozesse eine der zentralen Herausforderungen für alle Unternehmen, die auf internationalem Parkett punkten wollen.
Maschinelle Übersetzung als Baustein zum fremdsprachlichen Dokument
Wer kennt sie nicht, Stilblüten à la „Sie bekommen Software momentan. Nur bezahlen und auslasten. Die Programmen sind auf allen europaischen Sprachen uberlassen und fur Windows und Macintosh vorherbestimmt. Alle hier prasentierten Produkte der Software sind billig, aber nur original und vollig“? Sie ließen die Verwirklichung des Traums von der automatisch angefertigten und dennoch qualitativ hochwertigen Übersetzung erst mal in weite Ferne rücken. Inzwischen sind die sogenannten „Machine-Translation-Systeme“ (MTS) längst den Kinderschuhen entwachsen. Generierten die Systeme früher Übersetzungen mehrheitlich auf Grundlage linguistischer Regeln, so basieren die Übersetzungen heute vorwiegend auf statistischen Berechnungen, was zu erheblichen Qualitätssteigerungen führt. Das System lernt dabei durch die Analyse bereits übersetzter Dokumente, wie von einer Sprache in eine andere übersetzt wird. Dabei ist rein das Volumen des Referenzmaterials eine wichtige Voraussetzung: je umfangreicher die Dokumente sind, auf denen die Analyse beruht, desto besser das Ergebnis. Weitere Kriterien für die Auswahl des Referenzmaterials sind: die Aktualität der Texte, die Kohärenz, d. h. der Sinnzusammenhang der Texte, und die Konsistenz der Inhalte, sprich die einheitliche Verwendung von Begriffen und Termini.
Doch selbst wenn das Material den genannten Kriterien in hohem Maße entspricht, ersetzt maschinelle Übersetzung nicht den Übersetzer oder die inzwischen gängigen Translation Memory-Systeme. In diesen Systemen werden bereits erstellte Übersetzungen als Segment-Paare gespeichert. Während der Bearbeitung eines Textes bekommt der Übersetzer aus diesem Datenpool Vorschläge für die Lokalisierung angezeigt. Machine-Translation-Systeme hingegen sind vielmehr als Tool zu verstehen, mit dem sich die Gesamtproduktivität des Übersetzungsprozesses und die der menschlichen Übersetzer steigern lässt. Ein weiteres Einsatzgebiet sind Texte, die ohne Maschinenübersetzung gar nicht übersetzt werden würden und für die ein erster Entwurf ausreichend ist, um den inhaltlichen Kern eines Textes zu verstehen. Hierzu zählen beispielsweise Inhalte von Wissensdatenbanken oder Informationen aus CRM-Systemen.
Machine Translation als Ergänzung zur üblichen Arbeitsweise
Eine Übersetzung mit einem MTS ist meist nur eine Annäherung an den Text in der Fremdsprache und liefert selten bereits 100 % stimmige Ergebnisse. Nutzt man die maschinelle Übersetzung allerdings als Ergänzung zu der üblichen Vorgehensweise beim Übersetzen, lassen sich erhebliche Effizienzsteigerungen erzielen. Dafür muss ein MTS Teil eine integrierte Gesamtlösung sein, die die verschiedenen technologischen Übersetzungsansätze zusammenführt, d.h. durch Schnittstellen ein Zusammenwirken zwischen MTS und Translation Memory sowie entsprechenden Workflow- und Terminologie-Komponenten gegeben ist. Der mögliche Übersetzungsworkflow sieht dann wie folgt aus: bei einem neuen Übersetzungsprojekt werden die gesamten Texte zunächst mit den Einträgen im Translation Memory abgeglichen, d. h. das System überprüft, ob bereits Übersetzungen in der Sprach-Datenbank vorliegen, die hinsichtlich Wortlaut (und Formatierungen) identisch sind. Diese sogenannten 100 % Entsprechungen können automatisiert direkt aus dem Translation Memory als Vorübersetzung in die Übersetzung übernommen werden. Gibt es keine Treffer oder nur Treffer mit geringer Übereinstimmung, wird das Textsegment zunächst an das System zur maschinellen Übersetzung übergeben. Dieses liefert eine vorläufige Übersetzung, die im nächsten Schritt dem Sprachspezialisten zur weiteren Bearbeitung zugeführt wird. Die maschinell bearbeiteten Segmente kann er zum schnellen Textverständnis verwenden und dann davon losgelöst die Passage komplett eigenständig übersetzen. Er kann diese Vorschläge aber auch unmittelbar als Grundlage für seine Übersetzung nutzen und lediglich deren Anpassung und Korrektur vornehmen.
Lernendes System
Um die Anzahl der 1:1-Entsprechungen für weitere Übersetzungsprojekte zu steigern, bildet jede neue Übersetzung die wichtigste Datenquelle für ein Translation Memory. Jedes Paar aus quell- und zielsprachlichem Satz wird – je nach Voreinstellung in dem jeweiligen System – automatisch oder benutzergesteuert in der Datenbank hinterlegt. Somit steht bildet es die Grundlage für weitere Übersetzungen. Auch ein MTS kann mit den neu entstandenen Segment-Paaren und Übersetzungen trainiert werden, wodurch sich gleichzeitig die Qualität der Ergebnisse weiter verbessert.
Für konsistente Daten und Inhalte sorgt auch die Möglichkeit des vernetzten Arbeitens, die einige Sprachtechnologien bieten. Auf diese Weise stehen das Translation Memory und damit alle Sprachdaten, die hier gespeichert sind, allen am Übersetzungsprozess beteiligten Akteuren zur Verfügung. Dabei kann es sich um interne Mitarbeiter des Unternehmens handeln oder auch Niederlassungen des Unternehmens bis hin zu externen Sprachdienstleistern und freien Übersetzern, sie arbeiten dann alle auf der Basis des gleichen Übersetzungsmaterials.
Fazit
Die Kunst der Optimierung von Übersetzungsprozessen besteht in der maßgeschneiderten Einbeziehung aller zur Verfügung stehenden Technologien. Eine Technologieplattform sollte deshalb die die unterschiedlichen Ansätze unter einem Dach vereinen und diese in einen nahtlosen Workflow integrierten. Der Nutzen einer Integration von Maschinenübersetzung in den Workflow hängt allerdings stark von Art und Volumen der zu übersetzenden Texte, den Anforderungen an die Übersetzungen und dem Aufwand für das kundenspezifische Training des MTS ab. In der Mehrzahl der Fälle lohnt sich der Einsatz von Maschinenübersetzung erst für mittlere und große Volumina, in Ergänzung bestehender Prozesse, als zusätzlicher Workflowschritt zwischen Translation Memory und menschlichem Übersetzer. Der ROI (Return on Investment) lässt sich dabei relativ leicht aufgrund der erreichten Produktivitätssteigerung errechnen.
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