Dokumenten-Management in der öffentlichen Verwaltung - Vision oder Elektrifizierung des Status Quo?
Von Dr. Ulrich Kampffmeyer
Ich gehöre schon seit einiger Zeit zu den Verfechtern der These: „Strategie vor Organisation vor Technik“. Diese These ist heute weiterhin gültig. Denn auch heute werden noch viele Projekte begonnen unter dem Gesichtspunkt: „Ich suche mir bestimmte technische Komponenten der Software aus, und die übrigen Fragestellungen werden sich schon ergeben.“
Andere beginnen zuerst mit der organisatorischen Vorbereitung und überlegen ernsthaft, wozu eine solche Lösung eigentlich dienen soll, bevor sie an die Technik herangehen. Doch noch viel zu wenige Unternehmen machen sich Gedanken über eine Strategie, bevor sie mit dem Projekt beginnen. Dabei ist dies besonders wichtig, denn der Einsatz von DM- und WM-Systemen ist letztlich eine Unternehmensentscheidung, welche die Arbeitsweise und das Verhältnis zu Kunden und das Verhältnis innerhalb des Unternehmens erheblich verändert.
Mit der These „Strategie vor Organisation vor Technik“ treten heute auch die meisten Berater in diesem Markt an. Ich möchte die Frage ergänzend hinzufügen: „und wo bleibt der Mensch?“
Die menschliche Komponente wirkt sich auf zwei wesentliche Phasen des Einsatzes solcher Systeme aus. Einmal die Vorbereitungs- und Einführungsphase, um überhaupt ein solches System zum Laufen zu bringen und zum zweiten die Nutzung des Systems im Produktionsbetrieb selbst, also die Akzeptanz und der Nutzen der Lösung.
Vorbereitung und Einführung
In der Vorbereitungs- und Einführungsphase kommt es nicht nur darauf an, daß die gesamte Hard- und Software-Technik vorbereitet wird - dies ist nur ein Bestandteil des Projektgeschäftes. In der Vorbereitungsphase es vielmehr wichtig, bei Konzeption solcher Systeme, den späteren Anwenderkreis intensiv einzubinden - um die echten Anforderungen an die Lösungen, aber auch die Ängste vor dem Einsatz einer solchen Lösung abzubauen. Es müssen auch diejenigen eingebunden werden, die dieses System betreiben müssen, in der Regel also EDV-Abteilungen oder Organisationsabteilungen. Nur dann, wenn diese Abteilungen gemeinsam im Team zusammen mit dem Anbieter oder Integrator eine Lösung auf den späteren Einsatz vorbereiten, ist ein Erfolg in dieser Phase auch möglich.
Eine wichtige Projektaufgabe besteht also darin, die am geeignetsten Mitarbeiter unter Berücksichtigung all ihrer persönliche Interessen, Erwartungen und Ängste, in ein gemeinsames Boot zu holen. Um bei diesem Gleichnis zu bleiben: nur, wenn alle Insassen auch dieselbe Ruderrichtung im Boot einschlagen, kann das Ziel in kürzester Zeit erreicht werden. Die Teambildung ist daher ein wichtiger Erfolgsfaktor für das gesamte Projekt.
Einführung von DMS-Lösungen am Beispiel DOMEA
Die öffentliche Verwaltung hat unter Federführung der KBSt im Rahmen von DOMEA eine Infrastruktur für Archiv-, Dokumenten-Management- und Workflow-Lösungen definiert. Wenn wir vor dem zuvor genannten Hintergrund – der Integration von Dokumentenmanagement in Fachanwendungen - das Projekt DOMEA betrachten, so haben diese neuen Anforderungen mehrere Auswirkungen:
Zum einen wird DOMEA bisher meistens nur technisch gesehen, häufig nur als eine Archiv- oder Workflow-Anwendung verstanden. Die Umsetzung in Fachanwendungen wird diese Betrachtungsweise ändern.
Zum zweiten hat DOMEA eine sehr starke organisatorische Komponente. Denn die Systemlösungen, die im Laufe des DOMEA-Projekts definiert worden sind und jetzt zum Einsatz kommen, erfordern natürlich eine angepaßte Organisation. Das bedeutet, daß es die Inhalte, Strukturen, Schlüsselsystematiken und andere Merkmale sind, die aus einem Tool erst eine echte Fachanwendung machen.
Zum dritten – und das ist ein wesentliches Thema meines Vortrags – ist natürlich, das Zusammenwirken dieser Softwarelösungen mit dem Benutzer zu sehen. Häufig gewinnt man doch den Eindruck, besonders bei Mammutprojekten - und DOMEA ist hier keine Ausnahme - daß zwar Organisation und technische Lösungen im Vordergrund stehen, aber daß die Anwender als eigentliche Nutzer dafür mehr und mehr in den Hintergrund treten.
Das automatisierte Büro bleibt Fiktion
Hintergrund der Einführung von Dokumentenmanagement-Technologien ist die lange propagierte Idee des „papierlosen“ oder zumindest des „papierarmen Büros“ gewesen. Man erhoffte sich davon Verbesserungen, analog zur Einführung von Automatisierungsverfahren in Industrieprozessen, um die Arbeit mit Informationen, Dokumenten und Daten einfacher und schneller zu gestalten.
Wir wissen heute, daß das automatisierte Büro weitgehend eine Fiktion ist - insbesondere dann, wenn man Tätigkeiten unterstützen muß, die nicht vorhersehbar sind oder die einen stark individuellen Charakter haben und damit menschliches Einwirken auf das Ergebnis eines Prozesses notwendig machen. Vielmehr müßte man statt einem automatisierten Büro von Hilfsmitteln sprechen, die den Sachbearbeiter oder anderen Nutzer bei ihrer täglichen Arbeit unterstützen sollen.
Das Risiko solcher Begriffe wie „automatisiertes Büro“ oder „papierarmes Büro“ liegt darin, daß mit diesem Begriff häufig Ängste erzeugt werden – nach dem Motto: „Wozu werde ich als Mitarbeiter eigentlich dann noch gebraucht?“ Zum anderen werden jedoch auch übertriebene Erwartungen erzeugt, nämlich: „Ich kann soviel automatisieren, soviel erleichtern, daß alles wie von selber geht!“ Und zwischen diesen beiden Polen, einerseits der Angst um den Arbeitsplatz und andererseits einer übersteigerten Erwartungshaltung, befindet sich der Anwender heute.
Es ist richtig, daß in Registraturen und Archiven Personal eingespart werden kann. Im Vordergrund steht jedoch immer die Verbesserung der Informationsbereitstellung, die Beschleunigung von Arbeitsprozessen, die Übernahme von unnötigen, durch papiergebundene Organisation bedingten Routinetätigkeiten, die Schaffung von neuen Dienstleistungsangeboten, die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und damit auch die Sicherung von Arbeitsplätzen.
Bisherige Erfahrungen haben gezeigt, daß zahlreiche Einführungsprojekte auch neue Arbeitsplätze geschaffen haben. Ich glaube außerdem, daß die Unternehmen heute keine Wahl mehr haben, ob sie solche Systeme einführen. In zahlreichen Branchen hängt die Überlebensfähigkeit der Unternehmen vom Einsatz von Archiv- und Workflowlösungen ab. Beispielsweise der gesamte Dienstleistungs- und Servicebereich bei Banken, Versicherungen, Telekommunikationsunternehmen, Handel usw. Es werden hier also eher Arbeitsplätze vernichtet, wenn die neuen Technologien ungenutzt bleiben.
Bestimmte neue Tätigkeitsprofile, neue Geschäfte und neue Dienstleistungen werden durch Technologien wie Workflow und Internet sogar erst möglich. Hier entstehen zahlreiche neuartige Arbeitsplätze, für die wir uns heute noch nicht einmal geeignete Berufsbezeichnungen ausgedacht haben. Bedingt durch den Boom der DMS-Branche werden auch von den Anbietern und Systemintegratoren neue Arbeitsplätze geschaffen. Der Bedarf an qualifizierten System- und Organisationsberatern läßt sich derzeit gar nicht befriedigen. Letztlich sind diese neuen Arbeitsplätze bei den DMS-Anbietern natürlich nicht mit den hohen Arbeitslosenzahlen in Relation zu setzen. Hinsichtlich des Themas „soziale Verantwortung“ sind meines Erachtens aber heute eher die Politik, Verwaltung, Gewerkschaften und Unternehmen gefragt - nicht die vergleichsweise kleine DMS-Branche.
Akzeptanz = Effizienz
Der zweite Aspekt ist, daß die Vorbereitungs- und Einführungsphase auch genutzt werden muß, um die notwendigen organisatorischen Vorbedingungen zu schaffen, damit das System im Anschluß auch genutzt werden kann. Das kann beispielsweise eine Umstrukturierung einschließen, die Hierarchien, Abteilungsstrukturen, Rollen und Aufgaben von Mitarbeitern und andere Dinge betreffen. Organisation und neue Lösung müssen optimal aufeinander abgestimmt sein, besonders dann, wenn z. B. durch die Einführung eines Workflow-Systems die Abläufe neu gestaltet werden oder dem Anwender sein geliebter Papieraktenordner weggenommen und durch eine virtuelle elektronische Mappe ersetzt wird. Häufig ist es erforderlich schon bereits vor der Inbetriebnahme der technischen Lösung mit der organisatorischen Umstrukturierung zu beginnen, damit der Bruch zwischen der alten und der neuen Arbeitswelt nicht zu hart ausfällt.
Qualifizierung
Qualifizierung ist wesentlich mehr als nur Schulung. Sie beinhaltet Aufgaben wie Coaching der Anwender, „Paten“ die aus ihrer Projektarbeit heraus die weiche Einführung bei ihren Kollegen sicherstellen. Ein Aspekt hierbei ist auch die Vermeidung von Frontalschulung im Hinblick auf reine Systemfunktionalität. Anbieter verfolgen leider häufig ein solches Schulungskonzept. Sie bieten Schulungen an, die zu theorielastig und zu technisch sind.
Die Systeme müssen jedoch an realen Abläufen geschult werden und auf die entsprechenden Mitarbeiter zugeschnitten sein. Wesentlich hierbei ist auch, daß bereits Daten und Dokumente aus der täglichen Arbeit im Schulungssystem bereits vorhanden sind, damit kein Bruch von der Schulung zur normalen Tätigkeit entsteht.
Es ist daher notwendig, nicht einfach ein Schulungskonzept auf Basis eines Schulungsplans von Schulungsunternehmen oder Anbietern zu erstellen. Man muß sich eher damit beschäftigen, ob die Mitarbeiter überhaupt geeignet sind, selbständig mit dem System zu arbeiten. Und das ist von Mitarbeiter zu Mitarbeiter unterschiedlich.
Doch bei dieser Evaluierung des Qualifizierungsbedarfs spielt nicht nur eine Rolle, was die Kollegen für Kenntnisse in der Nutzung von Software haben, sondern auch, wie ihre sozialen Interaktionen sind. Welche Rolle spielen die Mitarbeiter, unabhängig von ihrer Position in einer definierten Hierarchie, beispielsweise einem Informationsnetzwerk? Dies gibt im Rahmen der Qualifizierung auch die Möglichkeit, eine Umorganisation bereits vor der technischen Einführung vorher so zu strukturieren, daß sich hinterher das ganze Projekt nicht in politischen Streitereien verliert.
Wenn bereits vor der Einführung eines Systems in einem dieser Themenbereiche Probleme auftreten, die nicht während der Projektlaufzeit gelöst werden können, ist auch die spätere Nutzung des Systems in starkem Maße gefährdet.
Wenn wir denn nun glücklich in eine Rollout-Phase eingetreten sind, wo jetzt ein solches System zahlreichen Anwendern zur Verfügung gestellt wird, zeigt sich, wie erfolgreich das Projektteam in der Einführungsphase war. Ab diesem Zeitpunkt muß man mit Eingewöhnungsschwierigkeiten rechnen.
Ansprüche, die vielleicht von der Geschäftsführung oder von der Verwaltungsdirektion gestellt worden sind, werden nicht beim ersten Anlauf in Erfüllung gehen. Deshalb ist es wichtig, daß man von vornherein bei der Konzeption und der Einführung der Systeme erwogen hat, daß man zyklisch die Lösung im Realbetrieb verbessert, ohne daß gleich das gesamte Programm, die gesamte technische Umgebung und bereits gespeicherte Informationen davon betroffen sind.
Die Akzeptanz einer Lösung hängt von vielen Faktoren ab – der wichtigste ist jedoch, daß eine wirkliche Verbesserung oder Erleichterung bisheriger Arbeitsweisen erreicht wird. Denn wir müssen bei der Einführung von Dokumentenmanagement-Systemen immer berücksichtigen, daß die bisherigen, liebgewonnenen Arbeitsweisen mit Papierordnern, Mappen usw., abgelöst werden. Die Mitarbeiter haben häufig eine sensitive, geradezu taktile Beziehung zur Information, die sich beispielsweise folgendermaßen ausdrückt: „Ich weiß doch, in welchem Aktenordner die Information steht.“ Oder: „Ich kenne doch den Vordruck, der hat immer einen roten Rand, den picke ich doch sofort aus allen Akten raus.“ Dieses direkte Wissen um den Standort und die Bezüge zwischen Informationen ist in einem elektronischen System nicht mehr gegeben. Es muß daher ein Vertrauen der Anwender geschaffen werden, daß alle Informationen auch mit dem neuen System zur Verfügung stehen - die Mitarbeiter müssen all die Informationen wiederfinden können, mit denen sie vorher gearbeitet haben.
Andererseits müssen aber auch z. B. liebgewonnene Ordnungssystematiken verändert werden, um effizient mit den neuen Systemen arbeiten zu können. Ein wichtiger Punkt ist hier die Ablösung der bisher monostrukturierten Ablagesystematik durch den datenbankgestützten Zugriff nach beliebigen Kriterien in einem Dokumentenmanagement-System. Dies bedeutet, daß die eingesetzte Lösung einen „Spagat“ vollbringen muß: einerseits Schaffung von Akzeptanz der Anwender durch Nähe zur bisherigen Arbeitsweise und andererseits Erhöhung der Arbeitseffizienz durch die Überwindung der bisherigen Arbeitsweise.
Zwischen Unter- und Überforderung
Die papierlose, computergestützte Büroarbeit unterscheidet wesentlich von der konventionellen Papierarbeit. So ist es beispielsweise für die meistens Sachbearbeiter viel einfacher, mit zehn ausgebreiteten Seiten auf dem Schreibtisch zu arbeiten, als mit denselben Dokumenten am Bildschirm. Zudem erzeugen Bürokommunikations-, Groupware- und Workflow-Systeme mit sich ständig erneut füllenden Eingangspostkörben einen ungeheuren psychologischen Druck. Die Mitarbeiter haben häufig den Eindruck, nie mit ihrer Arbeit fertig zu werden. Hinzu kommt noch die Anforderung, hundertfach im vorgegebenen Rhythmus die gleiche Aufgabe am Bildschirm zu erledigen. Demotivation der Mitarbeiter ist hier die Folge. Die Arbeitsweise mit den elektronischen Systemen ist besonders für die Mitarbeiter gewöhnungsbedürftig, die mit diesem Medium bisher nur am Rande konfrontiert waren. Zwischen einem hostbasierten Dialogprogramm und einer komplexen Dokumentenmanagement-Anwendung besteht ein erheblicher Unterschied.
Wenden wir uns daher einmal dem Benutzer dieser Systeme zu – wobei ich gleich vorausschicken möchte, daß es nicht nur den vielzitierten „Überforderungseffekt“, sondern auch zunehmend Anwender gibt, die über „Unterforderung“ und mangelnde Ausnutzung bestehender technischer Möglichkeiten klagen.
Der „papierverhaftete Sachbearbeiter“
Das am häufigsten zitierte Szenario ist der überforderte Sachbearbeiter, der sich in der elektronischen Ablage nicht mehr zurechtfindet, sich durch „Entscheidungen“ des Systems bevormundet sieht, seine bisherige Arbeitsweise mit „Papier und Bleistift“ ablegen muß. Papiergebundene Arbeiten führt zu bestimmten Restriktionen in der Organisation von Archiven, bei der Verteilung von Dokumenten und bei der Arbeit mit Dokumenten. Es bedeutet eine erhebliche Umstellung von der bisherigen Arbeitsweise – besonders für Verwaltungen, deren Zweck im Anlegen von Vorgängen, Lochen und Abheften besteht.
Vielfach gerieten besonders ältere Mitarbeiter ins Visier, die nicht mehr in der Lage sind, sich mit den modernen Techniken auseinanderzusetzen. Nach meinen Projekterfahrungen hat das Alter spielt das Alter geeigneter Einführung und Konzeption einer Lösung nur eine nachgeordnete Rolle. Es ist eher eine Frage der Motivation, insbesondere wenn in Jahren erkämpfte Freiräume, regelrechte „Fürstentümer“, durch ein solches System obsolet werden. Vielfach ist es nur eine psychologische Hemmschwelle der Mitarbeiter, die sich in Argumenten wie „Ich habe sowieso nur noch ein paar Jahre vor mir“ oder „ich lasse mir doch nicht von diesen jungen Leuten vorschreiben, wie ich zu arbeiten habe“ ausdrücken. Das muß überwunden werden.
Als viel gravierender hat sich herausgestellt, wie lange ein Mitarbeiter in einer bestimmten Rolle, Abteilung oder Arbeitsprozess bereits tätig war – und wie lange es gedauert hat, bis er sich seine jetzige Position erarbeitet hatte. Unternehmen, deren Mitarbeiter unternehmensintern häufig zwischen Funktionen und Abteilungen wechseln, haben hier deutlich geringere Schwierigkeiten als starre, stark hierarchisierte Unternehmen.
Hier liegen auch die Herausforderungen für das Thema Qualifizierung.
Der „Internet-Freak“
Wie bereits dargestellt, ist das Generationenproblem bei der Einführung eines Dokumentenmanagement-Systems ein erheblicher Risikofaktor. Hier sind die unterschiedlichsten Vorbildungen und Altersgruppen bei einer Einführung zu berücksichtigen. Inzwischen tritt aber auch eine neue Generation ins Arbeitsleben, die mit dem Multimedia-PC, der Nintendo-Konsole und dem Internet aufgewachsen ist. Hier kann es sogar zu einem umgekehrten Effekt wie zuvor beschrieben kommen.
Während wir uns heute noch abmühen, simple Schwarz-/Weiß-Faksimiles an den Arbeitsplatz des Sachbearbeiters zu transportieren, ist diese Generation mit Farbe, Sprache, Film, Interaktion – und dies bei hoher Performance – aufgewachsen.
Wir haben bereits erste Projekterfahrungen, in denen solche Mitarbeiter sich beschweren, warum es so lange dauert bis die Dokumente da sind, warum man immer noch die Host-Bildschirmmaske braucht, warum der Zugriff auf Informationen beschränkt wird, warum man nicht längst in Farbe scannt usw. Solche Mitarbeiter sind ebenso schnell von einem neuen System enttäuscht wie der zuvor beschriebene „papierverhaftete Sachbearbeiter“.
Setzt man nun in einem Unternehmen ein Dokumentenmanagement-Projekt auf, so sind es jedoch gerade häufig diese Mitarbeiter – weil jung, dynamisch, engagiert und mit DV-Kenntnissen ausgestattet –, die in das Projektteam delegiert werden. Mit technologisch orientierten Vorgaben, die häufig in einer großen vernetzten Umgebung heute noch nicht umsetzbar sind, können sie eine Erwartungshaltung und Anforderungen an das System generieren, die den Erfolg eines Projektes stark bedrohen. Hier muß häufig seitens der Projektleitung „die Bremse“ gezogen werden.
Hinzu kommt, daß diese Mitarbeiter meistens noch nicht über die notwendige Kenntnis ihres eigenen Unternehmens verfügen. Zu hohe Anforderungen und Erwartungen können dann nicht nur zu herben Enttäuschungen bei der Einführung führen – häufig werden diese Mitarbeiter für die geschaffene Lösung verantwortlich gemacht und finden nicht mehr in die Linienorganisation zurück. Wertvolles Know-how über die Lösung geht damit dem Unternehmen so vielfach sofort wieder verloren.
Die neue Trennung der Welt:
Informationsarme und Informationsreiche
Wir erleben heute eine neue Trennung der Welt, in informationsarme und informationsreiche Mitarbeiter und Mitmenschen. Global gesehen hat dies zukünftig die gleiche Qualität wie entwicklungspolitische Aufteilungen in die Erste, Zweite und Dritte Welt oder in das Nord-Süd-Gefälle. Trotz der Ausbreitung der PC-Technologie und trotz des Internets steigt die Anzahl derer, die keinen, einen stark eingeschränkten oder stark gefilterten Zugang zu Information haben.
Eine solche Trennung findet auch in Unternehmen statt, die Informationstechnologie intern einsetzen.
Es gibt diejenigen, die wie bisher mit Schreibmaschine und Lineal weiterarbeiten „dürfen“.
Jene, die sich „recht und schlecht“ mit der DV-Welt arrangiert haben.
Diejenigen, die in der elektronischen Welt sich wie ein „Fisch im Wasser“ bewegen und sogar an Informationen herankommen, von denen der Administrator glaubte, daß sie eigentlich geschützt seien.
Mitarbeiter, die ihre Einfluß- oder Machtposition aus einem gewachsenen persönlichen Netzwerk aufgebaut haben, sehen sich nunmehr von denjenigen abgehängt, die alle Möglichkeiten einer DV-Umgebung voll ausnutzen können. Dies gilt weniger für streng reglementierte Workflow-Systeme als für Groupware-Lösungen, die dem Anwender sehr viel Freiheit lassen.
Und es gibt die Raucher. Untersuchungen haben ergeben, daß diese diskriminierte Gruppe zu den am besten informiertesten gehört, weil sie sich regelmäßig, fern des Arbeitsplatzes, zu ausführlichen konspirativen Meetings trifft.
Spaß beiseite – die Einführung eines Dokumentenmanagement-Systems bewirkt einen tiefen Einschnitt in gewachsene Informationskulturen. Alles was bisher auf dem „kleinen Dienstweg“ oder im persönlichen Gespräch geregelt wurde findet nunmehr allenfalls in Gestalt von E-Mails statt. Bei der Einführung eines solchen Systems müssen daher auch neue Mechanismen für den persönlichen Informationsaustausch geschaffen werden. Es darf bezweifelt werden, daß das ständige und alleinige Abarbeiten von Bildschirmdialogen die Gesundheit und die Motivation der Mitarbeiter – und damit natürlich auch die Effizienz – gefährde.
Die Unterschiede in der Informationsverfügbarkeit innerhalb einer Organisation können auch zu einer Umkehr der bestehenden Hierarchie führen.
Die Umkehr der Hierarchien
Wir erleben häufig in Projekten, daß zwar die Mitarbeiter mit der modernsten Dokumentenmanagement-Technologie ausgestattet werden, sich die Vorgesetzten aber häufig den Rechner nur zur Dekoration auf den Schreibtisch stellen und die Arbeit wie bisher der Sekretärin überlassen. Sie koppeln sich damit direkt vom Informationsfluß im Unternehmen ab und riskieren damit sogar – informationstechnisch gesehen – eine Umkehr der Hierarchien.
Mitarbeiter, die ständig an ihrem Arbeitsplatz mit Dokumentenmanagement-Systemen arbeiten, können sich hier einen Informationsvorsprung erarbeiten – sie sind schneller informiert und mit größerer Detailtiefe. Sie können sogar in ihrer Funktion als Vorgesetzter in Frage gestellt werden. Ich möchte dies an einem Beispiel erläutern.
In einem größeren Unternehmen mit stark hierarchischer Aufbauorganisation war es eine wesentliche Aufgabe der Abteilungsleiter, morgens die Post zu sichten, ihren Gruppenleitern und Mitarbeitern zuzuordnen. Am späten Nachmittag kontrollierten sie dann, was sich so alles im Postausgang befand. Bei der Einführung eines Workflow-Systems bestanden sie auf der unveränderten Abbildung der bisherigen Abläufe – ohne zu beachten, daß sich die Durchlaufzeiten für Vorgänge dabei erheblich beschleunigten. Der Effekt war, daß sie morgens am Bildschirm Dokumente öffneten und mit der Maus in Verteilerpostkörbe schoben – am Bildschirm leider alles etwas aufwendiger und langwieriger. Gleich danach begannen sie schon einmal, die digitalen Fax- und E-Mail-Ausgänge zu kontrollieren, denn durch die Einführung des Systems gab es nicht mehr den 15 Uhr Postausgangstermin.
Der Ärger nahm seinen Lauf bei der Betrachtung, was alles unformatiert und mal so schnell eben nach draußen gegangen war, ohne daß es über den Schreibtisch des Abteilungsleiters gegangen wäre. Spätestens jetzt hatte sich die erste Maske mit den Fehlzuordnungen in der eigenen Abteilung oder aus den anderen Abteilungen geöffnet und der Abteilungsleiter befleißigte sich nunmehr der Aufgabe der Clearingstelle. Zu seiner eigentlichen Arbeit kam er kaum noch, er war nur noch damit beschäftigt, sich durch Menüs, Postkörbe und Tasklisten zu klicken, bis dann spätestens mittags die erste elektronische Wiedervorlage oder Mitzeichnung auf den Bildschirm kam, die er dann bereits enerviert, nicht mehr die Dokumente am Bildschirm lesend, wegklickt – und damit seine elektronische Unterschrift als Bewilligung hinterläßt.
Die hochqualitative fachliche Arbeit, die Kenntnisse über Inhalte und Zusammenhänge sowie die eigentliche Entscheidungsfindung war damit längst beim gut informierten Sachbearbeiter zwei Hierachieebenen weiter unten gelandet.
Häufig erlebt man, daß solche „Aha-Erlebnisse“ dem Mittelmanagement während eines Projektes bewußt werden - und dann wandelt sich manchmal der Promoter des Einsatzes eines solchen Systems in einen Widersacher. Bei der Schaffung eines modernen und transparenten Informationssystems müssen daher alle betroffenen Rollen und Positionen betrachtet werden. Auch das Management muß sich in die neuen Prozesse – sinnvoll – integrieren.
Da stark hierarchisierte Strukturen ein hervorstechendes Merkmal der öffentlichen Verwaltung sind, möchte ich mich im nächsten Abschnitt mit den besonderen Bedingungen in diesem Umfeld auseinandersetzen.
Das Internet treibt auch die öffentliche Verwaltung an
Verwaltungen haben das Problem, daß sie sich nur mit Papier und Vorschriften und nicht mit realen Gütern oder Menschen beschäftigen. Sie produzieren selbst nichts „Dingliches“ und unterliegen daher meistens auch nicht dem Zwang, wirtschaftlichen Erfolg vorzuweisen oder sich am Markt behaupten zu müssen. Sie entwickeln daher naturgemäß eine Tendenz, sich immer mehr mit sich selbst zu beschäftigen.
Dies ergibt für die folgende Betrachtung zwei Aspekte des Einsatzes von Dokumentenmanagement-Systemen in der Verwaltung,
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| · | einmal die rein auf interne Abläufe bezogene Lösung, |
| · | zum zweiten die Einbeziehung des Bürgers. |
Interne Nutzung von DMS-Lösungen
Der Wunsch nach Verbesserung interner Verwaltungsprozesse hat bereits vielerorts zur Einführung von Archiv-, Dokumentenmanagement- und Workflow-Lösungen geführt. Wesentliches Merkmal dieser Systeme war, daß Ihnen meistens mit viel Aufwand die bisherige Struktur und die existierenden Abläufe „beigebracht“ worden sind.
Das von der Politik oft proklamierte Ziel der Effizienzsteigerung und größeren Bürgernähe wurde dabei selten erreicht. Prozessreorganisation oder Umstrukturierungen standen meistens nicht im Vordergrund der Betrachtung. Vom Beamtenrecht über die Verwaltungsvorschriften bis zur gesuchten Akzeptanz beim Anwender – es fanden sich immer sehr viele Gründe, das eigentliche Thema, die Verschlankung, die Optimierung von Prozessen und die Schaffung effizienterer Strukturen in Angriff zu nehmen. Stülpt man vorhandenen Strukturen und Arbeitsweisen einfach ein DMS oder WMS über, so verändert sich wenig. Die eigentliche Herausforderung für das Thema Dokumentenmanagement liegt hier längst nicht mehr in der Technik – das DOMEA-Projekt hat gezeigt, daß diese vorhanden ist – sondern in der Anpassung der Organisation.
Eine aggressive Einführung von Workflow vernichtet Arbeitsplätze – ich mußte erst kürzlich hierzu in einem Interview „Farbe bekennen“ – jedoch habe ich keine Verwaltung kennengelernt, in der es nach der Einführung des Systems nicht noch mehr Mitarbeiter beschäftigt waren, weil es neue Stellen wie Scan-Kräfte, Clearing, Administration etc. gibt.
Dabei gibt genügend Anwendungsfelder in der Verwaltung, wo bereits die rein interne Nutzung zu erheblichen Einsparungspotentialen führt – das Beamtentum ist hier jedoch ein nicht unerhebliches Hindernis. Zum Thema DOMEA, hier heißt es jetzt: umsetzen! Nicht mehr warten, ob das eine oder andere „i-Tüpfelchen“ schon ausgearbeitet ist oder auf den nächsten technologischen Trend zu warten. Verwaltungen sind das ureigenste Anwendungsgebiet für Dokumentenmanagement und die öffentliche Verwaltung bildet leider in den Statistiken der Analysten immer noch das Schlußlicht.
Besonders freuen würde ich mich, wenn die öffentliche Verwaltung mit gutem Beispiel vorangeht – z. B. beim Einsatz der digitalen Signatur. Der Einsatz elektronischer Unterschriften und digitaler Signaturen könnte mit den „Viele-Stationen-Vorgängen“ drastisch aufräumen und für eine erhebliche Beschleunigung der Bearbeitung sorgen. Die hierdurch geschaffenen Zeitfenster könnten dann zur Verlängerung der Öffnungszeiten genutzt werden, für den Werktätigen vielleicht auch von 7:30 bis 19:30.
Damit sind wir beim Thema Einsatz von DMS-Technologien im „Kundenverhältnis“.
Externer Antrieb durch Einbeziehung des „Kunden“
Der „Kunde“ der öffentlichen Verwaltung ist nicht der Antragsteller oder Bezugsberechtigte, sondern der Bürger. Bei Dokumentenmanagement-Lösungen in der Wirtschaft ist die Verbesserung der Kundendienstleistung inzwischen das wichtigste Anwendungsfeld.
Dokumentenmanagement als integratives System eröffnet der öffentlichen Verwaltung neue Formen des Kundenservice:
Ganzheitliche Sachbearbeitung, d.h. alle Informationen, unabhängig von der Natur eines Amtes, stehen dem Sachbearbeiter zur Verfügung. Der Bürger muß nicht mehr von Amtszimmer zu Amtszimmer pilgern. Unterschiedlichste Anwendungen laufen unter einer Oberfläche zusammen – dies bedingt aber auch eine konsequente Weiterqualifizierung der Mitarbeiter, weg vom Spartendenken, hin zu einem zweistufigen „Betreuer-„ und „Spezialisten“-Konzept.
Kleine Bürgerzentren direkt in der Nachbarschaft. Unabhängig von den großen Verwaltungsfestungen können kleine Büros in den Bezirken eingerichtet werden, welche die wichtigsten Dienstleistungen sofort erledigen. Ich kann mir sogar vorstellen, das der „Bürger-Beamte“ zukünftig in der Einkaufszone oder in der Sparkasse seinen Schreibtisch hat oder gar mit dem Notebook Behinderte und ältere Mitmenschen aufsucht.
Warum taucht hier nun nicht sofort das Internet auf – der Bürger könnte ja seine Anträge direkt per Internet stellen, dort den Bearbeitungsstatus abfragen und Kommentare per E-Mail schicken. Es gibt bereits eine ganze Reihe solcher Anwendungen – zum Teil recht erfolgreich. Bevor wir uns dem Thema Internet widmen, einige eher kritische Überlegungen. Ich frage mich häufiger, für welchen Anwenderkreis kommt die direkte Kommunikation über das Internet mit der Behörde in Frage. Bis jetzt hat noch nicht jeder einen Internet-Anschluß und die Anzahl der möglichen Anwendungen ist begrenzt. Vielfach richten sich solche Angebote an Bürger, die von sich aus kaum Anforderungen an Behörden haben. Die Zeiten, wo jeder über seinen Fernseher mit Kabelanschluß von Zuhause aus beim Ortsamt einloggen kann, stehen uns erst noch bevor. Bis dahin muß die öffentliche Verwaltung überhaupt erst organisatorisch auf diese „neue, schöne Welt“ nach Orwell vorbereitet werden.
Dennoch gibt es zahlreiche Anwendungen, die per Internet bereits heute eine Erleichterung für Bürger und Verwaltung versprechen – von der digitalen Steuererklärung bis hin zur Beschwerde, auf die wir gleich noch näher eingehen. Andere Anwendungen, besonders im sozialen Bereich, werden auch zukünftig den „Auge-in-Auge“-Kontakt zwischen Homo Buerocraticus und Kunde erforderlich machen. Besonders dann, wenn es sich um Prüfungs- und Entscheidungstätigkeiten handelt.
Internet–Anwendungen vereinen beide Welten
Das Internet hat auch der öffentlichen Verwaltung neue Impulse gegeben. Der Einsatz des Internet verläuft dabei nach Zyklen, die auch in der Wirtschaft festzustellen sind. Heute lassen sich vier Entwicklungsphasen des Internet-Einsatzes feststellen:
„Selbstdarstellung“
Die Selbstdarstellung ist die typische Anfangsphase der Internetnutzung. Jede Stadt, jedes Land, jede Bundesbehörde hat inzwischen eine Web-Site. Der Inhalt ist meistens trostlos und häufig lieblos gestaltet. Es wird über die Aufgaben der Behörde, die Öffnungszeiten, die Schönheit des Ortes oder der Landschaft ohne Interaktion mit dem Benutzer berichtet. Im Prinzip hat jedes Unternehmen und jeder private Inhaber einer Web-Site auf diese Weise mit statischen Inhalten begonnen.
„Information“
Der zweite Schritt der Web-Site-Entwicklung ist die Aufnahme der Interaktion mit dem Besucher und die Bereitstellung von aktuellen Informationen. Einfache Antwortformulare für E-Mails, aktuelle Veranstaltungsübersichten, die Einbeziehung von Unternehmen am Ort – z. B. Tourismus, Gastronomie, Verkehrsbetriebe, Hotellerie etc. - kennzeichnen diese Phase. Kurze Tests des Antwortverhaltens beider Absendung einer E-Mail-Anfrage zeigen jedoch, daß hinter der Web-Site wenig passiert – man wartet auf die elektronische Antwort genauso lange wie auf einen Rückruf oder die Antwort auf ein Schreiben. Auch die Aktualisierungszyklen der kommerziellen Angebote sind häufig zu lang.
„Interaktion“
Der dritte Zyklus ist die Aufnahme der direkten Kommunikation mit dem Bürger. Mittels interaktiver Formulare können Pässe und Personalausweise beantragt, der Wohnsitz umgemeldet, ein neues Kfz-Kennzeichen ausgewählt oder der zuständige Sachbearbeiter erreicht werden. Verwaltungsregeln werden dem Bürger in leicht verständlicher Weise animiert erklärt und Vordrucke können auf dem eigenen Drucker zu Hause ausgegeben werden, das Anstellen und Ziehen einer Nummer auf dem Amt entfällt. Dies sind typische Szenarien für die kommunale Verwaltung, Landes- und Bundesbehörden sind noch nicht so weit, obwohl es auch hier die Möglichkeit gäbe, den Bürger z. B. in den Gesetzgebungsprozeß einzubinden oder ihm die Möglichkeit zu geben, Planungsverfahren zu kommentieren.
„Integration“
Erst im vierten Zyklus wird der Bürger direkt in die Prozesse eingebunden. Er nimmt aktiv am Arbeitsfluß der Behörde teil. Typisch hierfür sind z. B. die Möglichkeit der Abfrage des Status eines Vorganges, welcher Sachbearbeiter was noch zur Erledigung tun muß oder die Einreichung von Dokumenten mit digitaler Signatur, die den Besuch der Dienststelle vollständig überflüssig machen. Dies setzt voraus, daß auch die Behörde über interne Dokumenten-Management- und Workflow-Lösungen verfügt. Hierdurch läßt sich eine vollständige elektronische Bearbeitung mit Einbeziehung des Bürgers realisieren. Schnellere Bearbeitung und Nachvollziehbarkeit sind nur einer der Effekte, wichtiger ist, daß den Behörden hierdurch eine neue Möglichkeit der „Kundenbindung“ gegeben wird und Vorurteile über die unbewegliche Bürokratie abgebaut werden können. Dies ist ein wesentlicher Schritt nach vorn zu einer dienstleistungsorientierten Verwaltung. Inzwischen hat diese Form der Einbindung auch die Gerichte erreicht. Dies ist von besonderer Bedeutung, da hier auf die Originalität von Dokumenten besonderer Wert gelegt wird. In Hamburg ist es so z.B. bereits möglich, daß Anwälte ihre Eingaben in elektronischer Form machen können.
Spätestens ab den Phasen „Information“ und „Integration“ ist der Einsatz von Dokumenten-Management- und Workflow-Lösungen unerläßlich. Die notwendigen technolo-gischen Voraussetzungen – die Kombination von Internet-Techniken mit herkömm-lichen Dokumenten-Management-Systemen – sind inzwischen vorhanden. Jedoch sind eine Reihe anderer Hürden noch zu überspringen.
Zum einen müssen die rechtlichen Grundlagen für die Speicherung und den sicheren Austausch von elektronischen Dokumenten angepaßt werden. SigG und IuKDG sind hier Schritte in die richtige Richtung, aber auch ZPO und besonders das BGB mit all ihren nachgeordneten Verordnungen müssen für die neue elektronische Welt schnellstens – wenn nicht angepaßt oder ergänzt – zumindest neutralisiert werden, damit der elektronische Geschäftsverkehr greifen kann.
Die effiziente Nutzung von DMS- und Workflow-Technologien zusammen mit dem Bürger erfordert eine durchgreifende Verwaltungsreform. Hierarchische Strukturen, Zeichnungsregelungen, Verordnungen, Verwaltungsvorschriften, die gesamte Ablauf- und Aufbauorganisation muß für die Nutzung dieser Techniken drastisch angepaßt werden. Diese Aufgabe ist wesentlich größer und zeitaufwendiger als die reine technische Realisierung.
Die Mitarbeiter in Behörden und Verwaltungen müssen weitergebildet, qualifiziert und geschult werden. Die größere Transparenz ihrer Arbeit durch Dokumenten-Management, Workflow und die direkte Einbindung des Kunden in die Prozesse muß auch mental verkraftbar gestaltet werden. Hier muß Akzeptanz und ein neues Dienstleistungsbewußtsein erzeugt werden.
Die Aufgabenstellung muß als gesamtheitliche technisch-organisatorisch-mensch-liche Problemstellung begriffen werden. Behörden müssen sich selbst erst durch neue Organisationsformen in die Lage versetzen, diese Technologien einzuführen. Hierzu gehört auch die aktive Vermarktung zum Bürger hin und die Unterstützung durch die Politik. Für die Umsetzung muß kurzfristig Geld, Entscheidungskompetenz und externe Unterstützung bereitgestellt werden – mit Eigenmitteln ist die Aufgabe kaum zu schaffen.
Vision oder Elektrifizierung des Status quo?
Bei einem konsequenten und ganzheitlichen Ansatz zur Nutzung moderner Dokumenten-Management-, Workflow- und Intenet-Technologien wird in der Verwaltung, wie wir sie heute kennen, kein Stein auf dem anderen bleiben.
Dies ist jedoch derzeit noch Vision.
Es bleibt zu hoffen, daß jedoch mancher halbherzig geplante Ansatz, der zur Elektrifizierung des Status quo führen würde, überdacht und an die neuen Möglichkeiten, die die DMS-Technik heute bietet, angepaßt wird.