20020211 \  Gastbeiträge \  Digitale und analoge Medien, wo geht`s hin...
Digitale und analoge Medien, wo geht`s hin...
Gastbeitrag zum Diskussionsthema „Digital Preservation“ von Peter Seiler, Leiter Unternehmenskommunikation, GID – Gesellschaft für Informatikdienste mbH, http://www.gid-it.de
Zukunftsorientiert Daten archivieren 
Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit hat eine Zivilisation so viele Informationen produziert wie die unsrige. Die Zeugnisse jetziger und kommender Generationen existieren immer mehr in rein digitaler Form. Der Großteil heutiger Dokumente wird digital erzeugt, digital aufbewahrt und „stirbt“ digital, ohne dass jemals ein Ausdruck auf Papier erstellt wurde. Die wachsende Bedeutung des Internets für private und geschäftliche Anwendungen wird diese Entwicklung noch beschleunigen. Gleichzeitig steigt jedoch die Gefahr, dass ein Großteil der produzierten Informationen unwiderruflich verloren geht. Denn die digitalen Speichermedien sind vergänglich. Spätestens seit dem 11. September 2001 hat dieses Thema einen anderen Stellenwert bekommen und man macht sich wieder Gedanken über eine sichere Langzeitarchivierung der entsprechenden Daten. Das Beispiel eines der größten Banken in USA zeigte, wie durch entsprechende Datenauslagerung (in diesem Fall auf COM), der gesamte aktuelle Datenbestand gerettet werden konnten und das Unternehmen wieder operabel war. 
„Digital Preservation“, das heißt die langfristige Speicherung digitaler Daten, entwickelt sich daher mehr und mehr zu einer der vordringlichsten Aufgaben des Informationszeitalters.
Zwei weitere Beispiele mögen dies verdeutlichen: so stellte man bereits in den 70er Jahren in den USA fest, dass ein Teil der Volkszählungs-Daten von 1960 nicht mehr lesbar waren. So ergibt sich die groteske Situation, dass die Volkszählung von 1860 noch immer vollständig verfügbar ist, nicht mehr aber die von 1960. Eine ähnliche „Datenkatastrophe“ passierte der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA. Diese musste feststellen, daß bis zu 20 % der Informationen, die 1976 während der Viking-Mission zum Mars gesammelt wurden, verloren gegangen sind. Der Grund: die magnetischen Speichermedien, auf die die Informationen gespeichert wurden, weisen Beschädigungen auf und sind teilweise unlesbar geworden.
„‘Digital Preservation‘ ist im Prinzip für alle Organisationen wichtig, die 10, 20, 30 Jahre und länger authentisch aufbewahren müssen. Das sind zum Beispiel Finanzinstitute, Versicherungen, Öffentliche Verwaltung, Industrie, Forschung, Gesundheitswesen, und viele mehr“, erklärt Ernstfried Driesen, Geschäftsführer und Präsident der GID Unternehmensgruppe.
Die Herausforderung – die Datenmedien und die technologische Entwicklung
Die Herausforderungen, die sich aus der digitalen Speicherung ergeben, fallen im wesentlichen in zwei Bereiche: die Datenmedien sowie die beschleunigte technologische Entwicklung. Viele Speichermedien besitzen nur eine begrenzte Lebensdauer. Eine Studie des National Media Laboratory in den USA kommt zu dem Ergebnis, dass magnetische Speichermedien (dazu gehören Disketten, Festplatten sowie analoge und digitale Videobänder) eine Lebenserwartung von weniger als 30 Jahren haben. Bei optischen Speichermedien (wie CD und DVD) liegt die Lebenserwartung zwar höher, jedoch können auch hier technisch bedingte Datenausfälle auftreten.
Teils kommt es zu einer Korrosion der Metalle, teils zu kleinen Veränderungen der magnetischen und optischen Bereiche, die die Informationen erhalten. Feuchtigkeit und Wärme beschleunigen den Zerfall. Hinzu kommt ein weiteres Problem: manchmal genügt ein einziger Lesefehler, das heißt eine fehlerhafte Stelle auf einem Datenträger, um den ganzen Inhalt unbrauchbar zu machen.
Digitale Informationen stellen zudem unabdingbare Ansprüche an die Geräte, mit denen sie gelesen werden sollen. „Wir sind heute völlig abhängig vom Zugang zu den richtigen Maschinen und der richtigen Software geworden. Und die Technik von heute ist selten oder nie die von morgen“, gibt Ernstfried Driesen zu bedenken.
Software und Geräte veralten mit rasender Geschwindigkeit. Jeder, der heute versucht, Daten auf einer 5 ¼ Zoll-Diskette auszulesen, weiß davon ein Lied zu singen.
Migration – ein Ausweg aus dem Dilemma?
Ein Ausweg aus dem Dilemma scheint die permanente Migration zu bieten. Sämtliche Daten müssen in regelmäßigen Abständen jeweils auf die neueste Hard- und Software-Generation umkopiert werden. Zum einen ist der dafür benötigte Zeitaufwand enorm. Zum anderen können die dabei entstehenden Kosten unkalkulierbar werden. Schätzungen gehen davon aus, dass Unternehmen für die Migration 2,5-mal mehr ausgeben müssen als sie für die Erzeugung aufgewandt haben.
Und letztlich das Entscheidende: Allzu oft, wenn Daten von einem Medium zum nächsten übertragen werden, machen nicht alle Bits diese Migration mit. Manchmal geht eine Fußnote verloren, ein anderes Mal ein ganzer Datenabschnitt. In unserem Zeitalter der Rechtsstreitigkeiten kann der Zustand, dass Teile der Daten durch Migration verloren gehen, fatal sein.
Digital Preservation – was muss erfüllt sein?
Eine Archivierungs-Strategie, die langfristig Daten und Informationen sichert, muss folgende Anforderungen erfüllen:
   
 1.)
Langlebigkeit – es muss dafür gesorgt werden, dass digitale Dokumente auch noch nach einem längeren Zeitraum (von mehr als 10 Jahren) ausgelesen werden können, ohne dass der ursprüngliche Informationsinhalt, inkl. Formatierungen, verloren geht.
 2.)
Inter-Operabilität – die eingesetzt Digital
Preservation-Technologie muss mit existierender und zukünftiger Technologie zusammenarbeiten und somit den Zugang zu den gesicherten Dokumenten ermöglichen
 3.)
Total Cost of Ownership – angestrebt wird, die Speicher-Kosten eines Dokuments während des gesamtes Lebenszyklus‘ so gering wie möglich zu halten. Dies beinhaltet Kapitalausgaben, Kosten für Speichermedien, Wartungs- und Betriebsausgaben sowie Kosten für eine evtl. Migration.
 4.)
Schutz vor „Veralterung“ der Technologie–Informationen, die in digitalen Dokumenten enthalten sind, müssen auch mit zukünftiger Hard- und Software abrufbar sein.
Digital Preservation – zwei Wege, ein Ziel
Als Verfechter von „Digital Preservation“ sieht Driesen die Lösung in einem integrierten Ansatz. Danach sollen Unternehmen das analoge Medium, den Mikrofilm, für die Langzeitarchivierung einsetzen, während der digital gespeicherte Datenbestand für den schnellen, kurzfristigen Zugriff genutzt wird.
Daten für den Sofortzugriff müssen online zur Verfügung gestellt werden können. Die neuen, großvolumigen Storage-Lösungen von 2,5 bis 1.000 Terabyte sind heute in der Lage, diese Daten von der Kapazität her vorzuhalten. Im Falle der AO / GDPdU sprechen wir hier von einem Zeitraum von 10 Jahren. Digitale Dokumente (Text und Bilder), die entweder direkt digital erzeugt oder eingescannt wurden, werden vom eingesetzten IT-System zunächst gesammelt. Dokumente, die öfters benötigt werden, bleiben digital gespeichert. Bei den anderen Dokumente, die nicht kurzfristig benötigt, jedoch langfristig aufbewahrt werden müssen, wird der Digital-Analog Prozess eingeleitet. Dabei schreiben entsprechende Online-Systeme die digitalen Dokumente auf Mikrofilm. Falls nötig, bieten diese auch die Möglichkeit, zu jedem beliebigen Zeitpunkt die analog vorliegenden Informationen wieder zu digitalisieren.
Zwei Wege, ein Ziel oder wie es Ernstfried Driesen ausdrückt: „Es geht beim Thema ‚Digital Preservation‘ nicht um eine Entweder-oder-Lösung, sondern um eine sinnvolle Koexistenz beider Welten, bzw. Medien. Das heißt die Sicherung der digitalen Welt durch sinnvollen, parallelen Einsatz der bewährten analogen Technologien – preiswert und sicher“.
Hinweis der Redaktion: Der Beitrag wurde bei Firma- und Werbeangaben leicht gekürzt. Diskussionsbeiträge senden Sie bitte an newsletter@project-consult.com.
© PROJECT CONSULT Unternehmensberatung GmbH 1999 - 2016 persistente URL: http://newsletter.pc.qumram-demo.ch/Content.aspx?DOC_UNID=5b9c17989eef4447002571e9003dadfa