20041217 \  In der Diskussion \  Das Ende der Ordnung?
Das Ende der Ordnung?
Da kommen Sie nun, die Desktop-Suchmaschinen von Microsoft, Google & Co.. Microsoft macht zu dem nicht beim Desktop halt, sondern greift gleich auf das Netzwerk aus. Alle möglichen Typen von Dateiformaten sollen ohne Zusatzaufwand für den Anwender indiziert und erschlossen werden. Das Google-Prinzip als die ultimative Lösung für das Wiederfinden von Informationen wird uns auch für die eigenen Daten versprochen. Nun wird es in Beratungsgesprächen wieder schwieriger zu erklären warum man strukturierte Index-Datenbanken, Records Management, virtualisierte elektronische Akten und andere Methoden der Informationsorganisation braucht.
Als jahrzehntelang erprobter Dokumentenmanager macht man sich natürlich Gedanken über die Vor- und Nachteile solcher Lösungen. Zunächst besticht einmal der Vorteil, dass man automatisiert die Indizierung und Suche initiieren kann. Keine vergessenen Dokumente mehr und auch im hintersten Verzeichnis auf zwölfter Hierarchieebene werden noch Dokumente gefunden. Jeder weiß aber, was bei einer schlecht oder zu oberflächlich formulierten Frage an ein solches System herauskommt. Eine Trefferliste mit ein paar tausend Einträgen hilft auch nicht weiter, weil der benötigte sicher irgendwo hinten versteckt ist. Ein eng verbundenes Argument ist, dass man in Netzwerkumgebungen durch solche Anfragen beliebig große Last erzeugen kann, die die Performance unkontrolliert beeinträchtigt. Nun gut, dies ist Technik und da wird sich schon irgendwann eine Lösung finden. Wie sieht es aber denn mit der Frage der Berechtigungen aus. Darf das System alle Daten in allen Verzeichnissen aller Nutzer ungehindert durchsuchen? Welche Vorkehrungen muss ich zum Schutz von Dateien nunmehr treffen. Reichen meine bisherigen Filesystem-orientierten Systematiken aus oder muss ich jetzt alles neu strukturieren? Und dann natürlich die geliebte Festplatte C:. Hier ist ja der vorrangige Ansatz der neuen Suchmaschinen zu sehen. Festplatte C: auf dem Arbeitsplatzrechner ist zumindest in Firmennetzwerken die Horrorvision jeden Systemadministrators, der lieber alle Informationen kontrolliert irgendwo im Netz hat, bestmöglichst natürlich in einem ECM-System. Auf Festplatte C: ist schon so manche wichtige Information verschwunden oder „verschwunden worden“. Und es bleibt immer noch die Aufgabe, das richtige Dokument in der richtigen Version und, dies sei hervorgehoben, im Sachzusammenhang zu finden. Die Bedeutung bestimmter Informationen ergibt sich ausschließlich aus dem Sachzusammenhang. Diese als „Atom“ zu finden, hilft häufig nicht weiter. Und es gibt noch das wichtige Argument, dass bereits geordnet entstandene Information, z.B. aus operativen Anwendungen, Textbausteinsystemen oder Output-Management-Lösungen nicht dadurch besser wird, dass man die Information ungeordnet wegschreibt und auf die Schaffenskraft von Suchmaschinen vertraut. Ohne Ordnung, ob man dies nun Records Management, Ablagesysteme, Dokumentenmanagement oder wie auch immer nennt, wird es nicht gehen. Dafür sorgen schon die Compliance-Anforderungen, denn die Risiken, dass man mittels Suchmaschine etwas findet was eigentlich nicht gefunden werden soll (natürlich, es war immer nur ein „Entwurf“, eine „nie in Erwägung gezogene Idee“, die sich da in einem Dokument manifestiert hat ... es wird niemandem etwas Böses unterstellt) sind nicht unerheblich. Vielleicht fördert aber die universelle Suchmaschine im Unternehmen den „Open Access“-Gedanken (hier persifliert, um es ganz deutlich zu machen), wenn jeder auch die Gehaltsdaten, die Vorschläge an das Management und die Kommunikation zwischen den Direktoren zu den nächsten Entlassungen als „Information at your Fingertips“ erreichen kann.
Es gibt noch viele andere Argumente pro und Kontra zum Einsatz solcher Suchmaschinen auf Desktops und in Netzen. Eines muss aber der DRT-Branche klar sein. Wir erleben hier einen  Paradigmenwechsel,  der viele  althergebrachter Ideen zur  Organisation von Daten, Informationen, Content, Dokumenten und Wissen über den Haufen werfen wird. Nicht heute – aber vielleicht schon morgen. (Kff)
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