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Standards im E-Government
Von Rainer Clemens, Berater bei der PROJECT CONSULT Unternehmensberatung GmbH.  
Teil 2 des Beitrags wird in der komme
nden Ausgabe des PROJECT CONSULT Newsletter veröffentlicht.
Mit dem Begriff E-Government wird die Vision verbunden, in Zukunft alle Verwaltungsprozesse der öffentlichen Verwaltung mit Hilfe von Informations- und Kommunikationssystemen elektronisch abwickeln zu können. Konkret wurde dies in Deutschland durch die Initiative BundOnline2005 der Bundesregierung. Schaffung von Standards ist die Voraussetzung für die Umsetzung solcher Vorhaben. Grundlage der heutigen Verwaltungsprozesse sind noch immer Dokumente und Akten, die auf dem Medium Papier basieren. Diese in eine elektronische Form zu transformieren ist einer der ersten Meilensteine auf dem Weg zum erfolgreichen E-Government. Dokumenten-Technologien können zur erheblichen Effizienzsteigerung der Verwaltung beitragen, wenn sie richtig und adäquat geplant und eingeführt werden.
Deutsche E-Government-Standards
Auf Grund der führenden Rolle, die DOMEA bei der elektronischen Schriftgutverwaltung in Deutschland für die öffentliche Verwaltung einnimmt, wird dieser Standard ausführlicher betrachtet. Ein weiterer relevanter deutscher Standard ist SAGA, der im Rahmen der Initiative BundOnline2005 entwickelt wird.
DOMEA - Dokumentenmanagement und elektronische Archivierung
Das DOMEA-Konzept, 1996 ins Leben gerufen, ist ein deutsches Konzept für Dokumenten-Management und elektronische Archivierung in der öffentlichen Verwaltung, welches von der KBSt (Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik in der Bundesverwaltung) betreut wird. Der ursprüngliche Ansatz, eine einheitliche Software für DMS, elektronische Archivierung und Workflow für die gesamte Bundesverwaltung auszuwählen hat sich inzwischen dahin gewandelt, unterschiedliche Produkte nach einem einheitlichen Kriterienkatalog zuzulassen. Die vergangenen wesentlichen Projektphasen beinhalteten den Aufbau eines Pilotsystems zur Erprobung der elektronischen Vorgangsbearbeitung, die Fortschreibung der Anforderungen, eine öffentliche Ausschreibung (1999/2000) von Produkten und Prüfen der Übereinstimmung mit den fortgeschriebenen Anforderungen des Konzeptes sowie der Abschluss von Rahmenverträgen für konforme Produkte für die Bundesverwaltung mit Öffnungsklausel für die übrige Verwaltung bis Mitte 2002.
Ein wesentliches Ziel des Konzeptes DOMEA ist die Einführung vollständiger elektronischer Akten, um die behördlichen elektronischen Geschäftsprozesse vollständig realisieren zu können. Die Anforderungen an das Schriftgut im Verwaltungsprozess, die in Gesetzen, Geschäftsordnungen sowie Richtlinien und Vorschriften zur Schriftgutverwaltung festgelegt sind, gelten auch für Akten, die in der IT-gestützten Vorgangsbearbeitung erzeugt, erfasst oder verwaltet werden. Für Bundesministerien gelten insbesondere die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO), die Registraturrichtlinie (RegR) und das Verwaltungsverfahrensgesetz vom 25. Mai 1976 (BGBl. I S. 1253). Die in diesen Werken geregelten Anforderungen wie Vollständigkeit, Integrität und Authentizität behördlicher Unterlagen, sachsystematische Zusammenfassung von aufgabenbezogenen und zusammengehörigen Schriftstücken in der Verwaltung und die Nachvollziehbarkeit und Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns, stellen somit entscheidende Voraussetzungen für die IT-gestützte Vorgangsbearbeitung dar. Deshalb benötigen auch elektronische Akten hinreichenden Inhalt, Kontext und Struktur, um über ihre Funktion im unmittelbaren Bearbeitungszusammenhang hinaus auch ihre Nachweisfunktion erfüllen zu können. In Systemen zur elektronischen Vorgangsbearbeitung werden diese Merkmale einer Akte informationstechnisch jedoch meistens in verschiedenen Objekten abgebildet, weswegen das DOMEA-Konzept hierfür eine dreistufige Hierarchie mit den Objekten Dokument, Vorgang und Akte vorsieht. Die Dokumente stellen in dem DOMEA-Konzept die grundlegende Einheit zur Speicherung von Primärinformationen dar. Die Vorgänge, in denen die Dokumente bearbeitet werden, bilden den Geschäftsvorfall. Dies bedeutet, dass die durch Entstehungs- und Bearbeitungsprozesse nachzuweisende Kontext- oder Bearbeitungsinformationen mit den Vorgängen in nicht-veränderbarer Form automatisch durch das System protokolliert werden müssen. Die Zuordnungsmerkmale von Dokumenten und Vorgängen zu Akten durch Metainformationen müssen nach der Erfassung zu jeder Zeit einen nachweisbaren Charakter haben. Akten stellen dadurch auch bei elektronischer Speicherung und Verwaltung das primäre, benutzerunabhängige und sachsystematische Ordnungsgefüge dar.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die fehlende Berücksichtigung der Anforderungen an Schriftgut in der öffentlichen Verwaltung im Rahmen des DOMEA-Projektes von IT-Systemen bei der Zertifizierung zum K.O.-Kriterium wird.
   
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Zum vollständigen Nachweis des Schriftgutbestandes und Bearbeitungs-informationen müssen alle Dokumente, Vorgänge und Akten im elektronischen Register erfasst werden, welches das IT-System durch eine automatische, benutzerunabhängige Protokollierung gewährleisten muss.
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Mit Einführung der IT-gestützten Vorgangsbearbeitung ist eine möglichst vollständige elektronische Bearbeitung von Vorgängen und die Bildung elektronischer Akten zu realisieren.
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Auf die parallele Führung von Papierakten sollte generell verzichtet werden. Wenn Papierunterlagen dennoch abgelegt werden müssen, dann sollten sie als Bestandteil einer digitalen Hybridakte verwaltet werden.
Der DOMEA zugrunde liegende Anforderungs-katalog hat sich inzwischen als Standard-Katalog für die elektronische Vorgangsbearbeitung in der öffentlichen Verwaltung etabliert und gilt als Grundlage vieler behördenspezifischer Anforderungskataloge. Durch den direkten Erfahrungsaustausch mit Österreich und der Schweiz sind diese drei Anforderungskataloge inzwischen weitgehend harmonisiert.
Nachdem die ursprünglichen Rahmenverträge mit Anbietern von DOMEA-kompatiblen Lösungen ausgelaufen waren, wurde beschlossen, die DOMEA-Produktzertifizierung zum einen jährlich durchzuführen und von der in der Vergangenheit gehandhabten Zertifizierung von Unternehmen zu einer Zertifizierung von Produkten zu wechseln.
Die Produktzertifizierung erfolgt für dieses Jahr noch anhand des ursprünglichen Organisationskonzepts in der Version 1.0 und dem inzwischen leicht überarbeiteten Anforderungskatalog in der Version 1.2. Alle Zertifizierungen, die ab dem nächsten Jahr laufen, haben den überarbeiteten Anforderungskatalog in der Version 2.0 zur Grundlage. Der Anforderungskatalog soll zukünftig jährlich, das Organisationskonzept nur bei wesentlichen Änderungen fortgeschrieben werden.
Die Prüfung selbst wird durch sogenannte unabhängige Prüfstellen durchgeführt. Als Prüfstellen sind INFORA und Bearing Point (ehemals KPMG Consulting) zugelassen. Diese Prüfstellen erfassen die Ergebnisse in einem Prüfbericht zusammen, das nötige Zertifikat wird dann von der KBSt des Bundesinnenministeriums ausgestellt. Die Kosten für eine Zertifizierung trägt der Antragsteller. Die Bemessung erfolgt analog der Ermittlung von Selbstkostenpreisen des KBSt. Es werden also die Kosten der akkreditierten Prüfstelle durchgereicht. Ganz billig ist daher der offizielle Stempel nicht.
Aktuell stehen ca. 10 Produkte auf dem Prüfstand. Da die Prüfung allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, damit Produkte auch nach einer negativen Prüfung noch eine Chance auf dem Markt haben, muss die Bekantgabe erfolgreicher Zertifizierungen Anfang 2003  abgewartet werden. (RC)
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