Verfahrensdokumentation - oder wie bekomme ich alles unter einen Hut?
Gastbeitrag von Herrn Martin Rohte, CDIA+, Dresdner Bank Lateinamerika AG, Hamburg, verantwortlicher Projektmanager für DMS und elektronische Archivierung, E-Mail: Martin.Rohte@dbla.com. Auszug aus dem BMF (Bundesfinanzministerium) Schreiben vom November 1991:
Die obersten Finanzbehörden der Länder teilen die Auffassung, daß die Vorschriften der Abgabenordnung über die Aufbewahrung von Unterlagen (§147 Abs. 2 AO) grundsätzlich den Einsatz optischer Speicherplattensysteme in Rechnungswesen zulassen, wenn das jeweilige Verfahren den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoBS) entspricht. Eines Zulassungsverfahrens, in dem die Finanzbehörden im Einzelfall die Vorraussetzung für die Ordnungsmäßigkeit eines optischen Speicherplattensystems prüft und auf entsprechenden Antrag eines Benutzers Auflagen für dessen Einsatz erteilt, bedarf es daher nicht.
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Die Ordnungsmäßigkeit eines elektronischen Archivierungssystems beurteilt sich u.a. schließlich auch danach, ob die Belegspeicherung und die Wiedergabe der Daten geordnet und nachvollziehbar erfolgten, die Daten während der Aufbewahrungsfristen verfügbar sind und jederzeit innerhalb angemessener Frist lesbar gemacht werden können.
Die Prüfbarkeit des Archivierungsverfahrens erfordert eine entsprechende aussagefähige Verfahrensdokumentation.
Die rechtliche Grundlage für die Erstellung einer Verfahrensdokumentation ergibt sich aus dem HGB ( §§ 238, 239 sowie 257 und 261) und der Abgabenordnung. ( §§ 145 bis 147 AO ).
Die Verfahrensdokumentation dient dazu, den Nachweis der Erfüllung dieser allgemeinen definierten Anforderungen gerecht zu werden.
Aufbau und Umfang einer Verfahrensdokumentation sind in der GoBS nicht vorgeschrieben bzw. geregelt. Es gibt jedoch einen Gliederungsvorschlag des Arbeitskreises „Regelwerk Verfahrensdokumentation“ vom TüViT, Essen und des VOI e.V., Darmstadt und die VOI-Publikation “Grundsätze der Verfahrensdokumentation nach GoBS“.
Die Verfahrensdokumentation gilt in erster Linie für Systeme, die handels- und steuerrechtliche Daten und Dokumente verarbeiten und speichern, unabhängig von der Größe der Installation.
Dieses sind konventionelle Speicherbuchführungssysteme. Sie sind neben dem COM-Verfahren auch bei ähnlichen Verfahren wie z.B. COLD sowie bei Dokumenten Management Systemen entsprechend anzuwenden.
Verantwortlich für die vollständige Dokumentation ist ausschließlich der Betreiber des Systems selbst. Eine explizite Abnahme der Dokumentation ist nicht erforderlich. Es bietet sich jedoch an, dieses durch einen Wirtschaftsprüfer oder einer Revision abnehmen zu lassen.
Der VOI hat Prüflisten und Kompendien veröffentlicht, die als Leitfaden für die Erstellung der Verfahrensdokumentation sehr hilfreich sind. Sie beschreiben aber eine Verfahrensdokumentation, die nicht auf die spezifischen Anforderungen eines Unternehmens zugeschnitten ist.
Besonders bei der Ablösung oder Migration von Systemen ergeben sich zahlreiche zusätzliche Aspekte. Hier empfiehlt sich gerade bei sehr großen und heterogenen Installationen als zusätzliche Gliederungsebene die Aufteilung in drei Themenblöcke: Der Ist-Zustand des Systems (das migriert oder abgeschaltet werden soll) und seiner Nutzung, der Überführungsprozess der Daten und Dokumenten, und die Zielumgebung des verbleibenden Systems, in dem die aufbewahrungspflichtigen Informationen weiterhin vorgehalten werden.
In der Verfahrensdokumentation müssen folgende Punkte beschrieben werden:
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| · | die sachlogische Lösung |
| · | die programmtechnische Lösung |
| · | die Programm-Identität muss gewährt bleiben |
| · | die Integrität von Daten muss gewährt werden |
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| · | Arbeitsanweisungen für den Anwender |
In der Praxis erweist es sich als hilfreich, wenn zu Beginn der Einführung der Systeme in der Firma eine gute Dokumentation erstellt wird. Die Erstellung einer Verfahrensdokumentation zu einem spätern Zeitpunkt kann zu erhöhtem Aufwand führen, da bestimmt Inhalte nur sehr mühsam zusammengetragen werden können und somit sehr Zeit- und Kostenintensiv sind.
Dabei reicht das Handbuch des Herstellers bei weiten nicht aus. Dieses kann nur als Ergänzung dienen. Vielmehr muss auf den individuellen Aufbau der Systemlösung und seine Besonderheiten wie Konfiguration, Schnittstellen zu anderen Systemen etc. eingegangen werden.
Die Sprache in der die Verfahrensdokumentation geschrieben wird, ist im Prinzip frei wählbar und kann innerhalb der gesamten Verfahrensdokumentation entsprechend der Einsatzorte von Teilsystemen variieren. Jedoch ist es empfehlenswert das Hauptdokument in einer einheitlichen Sprache zu führen. Für die Anforderungen nach den GoBS und den GDPdU kann dies in Deutschland nur die deutsche Sprache sein. Die in dem Hauptdokument erwähnten Anhänge können oder müssen sogar in anderen Sprachen möglich sein. Dies gilt z.B. wenn bestimmte Systeme oder Ablagen einem anderen Rechtsraum mit anderen Dokumentationsanforderungen, wie z.B. SOX, unterliegen. In jedem Fall muss aber die Nachvollziehbarkeit sichergestellt sein.
Die Erfahrung zeigt, dass die Verfahrensdokumentation oft sehr komplex sein kann und nach der Erstellung häufig nicht mehr ordnungsgemäß nachgepflegt und aktualisiert wird, und somit nach und nach veraltert. Oft übersteigen auch die Kosten für die Erstellung und die Pflege der Verfahrensdokumentation für das einzelne System die Kosten der Anschaffung. Die nachträgliche Erstellung ist dabei in der Regel aufwändiger als eine parallel zur Installation und Einführung erstellte Dokumentation. Umso wichtiger ist es, von Beginn an das Thema Verfahrensdokumentation ernst zu nehmen und einen Verantwortlichen im Unternehmen zu benennen, der sich dem Thema annimmt.
Sollte dieses auf Grund der Komplexität der Verfahrensdokumentation nicht möglich sein, empfiehlt es sich im ersten Schritt von einem externen Berater Hilfe zu holen, der auf diesem Gebiet umfangreiche Erfahrungen hat, um die vom Gesetz vorgegebenen Anforderungen zu erfüllen.