von StB, CISA Stefan Groß, E-Mail S.Gross@pspmuc.de und StB Alexander Georgius A.Georgius@pspmuc.de, PSP Peters, Schönberger & Partner, München.
PSP und PROJECT CONSULT sind zusammen auch Autoren von Artikeln zum Thema und des FaQ „Elektronische Rechnung“. Die Schonzeit für GDPdU-Verweigerer scheint endgültig vorüber. Grund für diese Annahme bildet eine kaum beachtete Änderung der Abgabenordnung, welche mit dem Jahressteuergesetz 2009 (JStG 2009) einher geht. Demnach soll es künftig im Ermessen der Finanzverwaltung liegen, bei Nichteinräumung des Rechts auf Datenzugriff ein Verzögerungsgeld von EUR 2.500 bis EUR 250.000 zu erheben.
Sanktionen bislang eher die Ausnahme
Bei Verstößen gegen Vorgaben der Abgabenordnung (AO) stehen dem Betriebsprüfer im Wesentlichen zwei Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung: Einerseits die Androhung von Zwangsmitteln, insbesondere eines (1) Zwangsgeldes bis zu 25.000 Euro (§ 328 Abs. 1 S. 1, § 329, § 332 AO), andererseits das Instrument der (2) Schätzung von Besteuerungsgrundlagen.
(1) Zwangsgeld kann in allen Fällen angedroht werden, in welchen der Steuerpflichtige eine nach den Steuergesetzen gebotene Handlung unterlässt. Dies kann in Bezug auf den Datenzugriff in Betracht kommen, wenn dem Prüfer nicht gestattet wird, einen Rechner mit steuerrelevanten Daten selbst zu bedienen oder wenn die Buchungsdaten dem Prüfer nicht innerhalb einer angemessenen Frist auf einem Datenträger und in einem maschinell auswertbaren Format übergeben werden. Die Höhe des Zwangsgeldes hat sich dabei nach den Umständen des Einzelfalles zu bestimmen.
(2) Die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen ist auf der Grundlage des § 162 Abs. 2 S. 2 AO immer dann in Betracht zu ziehen, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann. Weiter ist eine Schätzung in Betracht zu ziehen, wenn die sachliche Richtigkeit der Buchführung i.S.d. § 158 AO zu beanstanden ist und mithin aufgrund gravierender Mängel nicht als Grundlage für die Besteuerung dienen kann. Nicht ausreichend erscheint dagegen, dass lediglich Anforderungen in Bezug auf den Datenzugriff nicht eingehalten werden, die Buchführung ansonsten jedoch keine formellen oder materiellen Mängel aufweist (vgl. auch Groß/Kampffmeyer/Eller, DStR 29/2005, S. 1214 (1218)). Soweit in diesem Kontext verursachte Unklarheiten und Zweifel durch anderweitige zumutbare Ermittlungen beseitigt werden können – etwa auf der Grundlage papierbasierter Unterlagen bzw. anhand von Ausdrucken – scheidet eine Schätzung u. E. aus.
Insoweit bleibt festzuhalten, dass bei einer Nichtbeachtung von Vorschriften zum Datenzugriff bislang faktisch lediglich die Androhung und Festsetzung von Zwangsgeld in Betracht kam. Die häufig propagierte Schätzungsbefugnis wurde mangels materieller und formeller Mängel hingegen meist zum stumpfen Schwert entwertet.
Das neue Verzögerungsgeld
Mit dem JStG 2009 soll diese, für die Finanzverwaltung zugegebenermaßen unbefriedigende Situation beseitigt und über ein Verzögerungsgeld der Durchsetzbarkeit des Rechts auf Datenzugriff entscheidend Nachdruck verliehen werden. Zunächst erscheint interessant, in welchem Kontext diese Verschärfung Eingang in das JStG 2009 gefunden hat. Während der neu hinzugefügte § 146 Abs. 2a AO dem Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen das Recht einräumt, elektronische Bücher in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zu führen und aufzubewahren, holt der auf diese Vereinfachungsvorschrift folgende § 146 Abs. 2b AO jedoch zum Gegenschlag aus. Mit bis zu EUR 250.000 sollen nicht nur Fälle einer unzulässigen Auslandsverlagerung, sondern darüber hinaus auch generelle Verstöße gegen § 147 Abs. 6 AO (also gegen das Recht auf Datenzugriff) sanktioniert werden. Insoweit hat es der Steuergesetzgeber geschickt verstanden, den Wunsch der Wirtschaft nach einer Bewilligung der Verlagerung elektronischer Bücher ins Ausland mit einer wirksamen Sanktion - unabhängig davon, ob es sich um einen In- oder Auslandssachverhalt handelt – zu verbinden. Ebenfalls anmutend klingt die Gesetzesbegründung. So heißt es dort, dass die Anwendung des Verzögerungsgeldes gleichermaßen für Steuerpflichtige, die ihre Bücher und sonstigen Aufzeichnungen im Ausland führen, und solche, die dies im Inland tun, geboten ist. Andernfalls käme es zu einer Ungleichbehandlung, welche fiskalisch nicht zu rechtfertigen sei.
Die betroffenen Unternehmen mögen sich zu Recht fragen, welche Sanktionshärten durch die Einführung des Verzögerungsgeldes zu erwarten sind. Zunächst ist festzustellen, dass es sich hierbei um einen bislang unbestimmten Rechtsbegriff handelt, welcher in der Praxis mit Leben zu füllen sein wird. Einen ersten Hinweis leistet erneut die Gesetzesbegründung, welche den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zum entscheidenden Maßstab erhebt und dem Betriebsprüfer insoweit eine unternehmensspezifische Sichtweise abverlangt.
Prädestiniert erscheint das Instrument des Verzögerungsgeldes beispielsweise für Fälle des Systemwechsels im Hard- oder Softwareumfeld, bei denen die maschinelle Auswertbarkeit von Altdaten nicht unverändert gewährleistet bleibt. Über das Verzögerungsgeld könnte der Steuerpflichtige insoweit mit Nachdruck angehalten werden, diesem Umstand zeitnah abzuhelfen. Problematisch erscheint allerdings, dass die Voraussetzungen für die Annahme einer Pflichtverletzung zur Gewährung des Datenzugriffs nicht ausreichend bestimmt sind. Insbesondere bedürfen Streitigkeiten darüber, ob es sich um steuerrelevante Daten handelt oder nicht, d. h. über den Umfang einer digitalen Betriebsprüfung, stets einer gesonderten Klärung und sind u. E. keine Fälle, in denen ein Verzögerungsgeld zur Anwendung kommen kann. Betrachtet man den möglichen pönalen Umfang, so bleibt zu hoffen, dass der Betriebsprüfer über das erforderliche Fingerspitzengefühl verfügt. Vielen Unternehmen sei hingegen angeraten, das Thema Datenzugriff nicht länger auf die leichte Schulter zu nehmen.
Weitere Informationen zum Thema finden Sie auf der PSP-Webseite http://www.psp.de. (SG, AG)