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Der ASP-Boom bleibt aus ?
Von Felix v. Bredow
Berater der PROJECT CONSULT Unternehmensberatung GmbH
Abstract
Im Dezember 2000 wurde dem ASP-Sektor ein stürmisches Marktwachstum vorausgesagt. Doch bevor sich der Markt entwickelt hat, befindet er sich bereits in einer Konsolidierungsphase. Dabei verspricht ASP eigentlich eine kostengünstige Alternative zu herkömmlichen Szenarien zu sein. Doch um mit diesem Argument potentielle Kunden zu überzeugen, stellt sich immer wieder im Vorwege die Vertrauensfrage. Die reine Softwarevermietung steht immer weniger im Vordergrund, vielmehr werden dem ASP-Dienstleister häufig sensible Daten, Informationen und Prozesse überlassen.
Einleitung
Neben den Buzzwords heutiger Tage, wie Content-Management, Portale usw., schleicht sich immer wieder der Begriff ASP Application Service Providing in die Pressemeldungen der größeren und großen Softwarehäuser. Doch was verbirgt sich hinter dieser Bezeichnung? Werden hier nur alte Techniken mit neuen Modellen vermarktet oder sind hinter diesem Begriff wirkliche Innovationen zu vermuten? Diese Frage kann nur mit vielleicht beantwortet werden. Zumindest die Lösungen, die den Internetanforderungen gerecht werden, werden auch langfristig das Rennen machen. Wesentlicher Motor stellt hierbei die Portalausrichtung von Microsoft dar, der sich die Konkurrenz nicht entziehen kann. Ein Beispiel für moderne ASP-Angebote stellen dabei die so genannten Web-Safes dar, die eine genauere Betrachtung Wert sind.
Äpfel & Birnen
Hinter der Bezeichnung ASP verbergen sich vielfältige Geschäftsmodelle, die sich grundlegend in zwei Hauptkategorien einteilen lassen. Da haben wir zum einen die reine Vermietung von Software über das Internet. Applikationen werden dem Benutzer über einen entfernten Server zur Verfügung gestellt. Dieser bezahlt dann die Nutzung nach den unterschiedlichsten Abrechnungsmodellen. Hierbei handelt es sich also um eine reine Softwarevermietung. Zum anderen wird ASP aber auch im Sinne von Outsourcing verwendet. Hier werden zwar auch Applikationen bereitgestellt, doch der wesentliche Nutzen für den Anwender liegt darin, dass Informationen auf dem entfernten Server gespeichert, vorgehalten und verarbeitet werden.
Ein anderer Blickwinkel auf dieses Thema ist die Sicht der Nutzer. ASP-Modelle lassen sich weiterhin dahingehend unterscheiden, wer der eigentliche Kunde des Dienstleisters ist. Zunächst wird die Nutzung durch Kunden, Mitarbeiter und Partner definiert. Hier steht die plattformunabhängige Verfügbarkeit von Funktionalität und Information an einem zentralen Ort im Vordergrund.
Herkömmliche Wertschöpfungskette, ASP-beteiligte und zusätzliche Eingangskanäle
Auf der anderen Seite, kann der Nutzen auch dahingehend erweitert werden, dass unterschiedliche Parteien einen zentralen ASP-Dienst nutzen, um verschiedenen Kundenkreisen Daten und Informationen zur Verfügung zu stellen. Dem ASP kommt in dieser Konstellation somit eine Mittlerfunktion zu. Damit wird er ein fester Bestandteil der Wertschöpfungskette und erschließt damit ganz neue Anwender als Kundengruppen. Schnell wird mit dieser Erörterung deutlich, dass ASP nicht gleich ASP ist. Daher auch die Betrachtung, Äpfel mit Birnen zu vergleichen.
Der Boom blieb aus
Um tatsächlich Unterschiede in den Angeboten in diesem Umfeld darstellen zu können, spricht man zumindest bei IBM nicht mehr ausschließlich von ASP, sondern es wird versucht den Begriff xSP zu prägen. Das vorangestellte x sagt aber gleichzeitig einiges über die Diversifizierung der Branche aus. Nicht nur bei IBM, sondern auch bei vielen anderen Anbietern in diesem Segment zeigt sich, dass sich die ursprüngliche Euphorie ein wenig gelegt hat. Wurde ASP noch Ende des vergangenen Jahres als der Hype schlechthin propagiert, zeigt sich heute, dass die Welt doch nicht ganz so einfach zu erobern ist, wie damals angenommen. Ohne dass sich der Markt bisher so richtig entfalten konnte, befindet er sich heute bereits in der Konsolidierung. Kleinere wie auch größere ASP-Anbieter versuchen Kooperationen einzugehen, um zum einen umfangreichere Leistungen anbieten zu können und zum anderen den kostenintensiven Betrieb eigener Rechenzentren auf mehrere Schultern verteilen zu können. Insgesamt kann daher auch erwartet werden, dass die zunächst wahrgenommene Anbietervielfalt zurückgehen wird. Die großen Anbieter werden in Zukunft das Geschäft machen. Kleinere werden sich deswegen zusammenschließen, um dieser Marktmacht entgegentreten zu können.
Interessant bei dieser Betrachtung ist, dass die Unternehmen, die heute ASP-Leistungen nutzen oder die Einführung planen, mehrheitlich nicht aus dem Mittelstand kommen, war doch der Mittelstand in den ursprünglichen Definitionen erklärte Zielgruppe. Ist ASP also für den Mittelstand kostentechnisch noch nicht attraktiv genug? Wird mit der eigentlichen ASP-Dienstleistung überhaupt genug Geld verdient? Der Einsatz bei Großunternehmen verspricht zumindest viele fakturierbare Anpassungen und Sonderleistungen, die dann in den Produktstandard mit aufgenommen werden können. Auch ist der Betrieb eines Sicherheitsrechenzentrums teuer und rechnet sich erst mit der Verarbeitung entsprechender Volumina wie sie bei größeren Unternehmen vermutet werden kann. Es kann also erwartet werden, dass die eigentliche Zielgruppe Mittelstand erst in einer zweiten Phase sinnvoll angegangen werden kann.
Marktsegmentierung im ASP-Sektor (Quelle: IDC 2000)
Laut aktuellen Einschätzungen stehen für den Einsatz von ASP-Diensten bei den Unternehmen zur Zeit folgende Bereiche im Vordergrund:
   
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e- und mCommerce
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eLearning und Knowledge Management
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CRM Customer Relationship Management
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Groupware
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Branchensoftware und ERP
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Websafes
Aus dieser Betrachtung heraus werden im Folgenden die so genannten Websafes genauer dargestellt, da diese einen vielversprechenden Ansatz im ASP-Sektor darstellen und mit Websafes die größten Sicherheitsanforderungen verbunden sind.
Strategien und Einsatzmöglichkeiten für Websafes
Mit derartigen Angeboten sollen Anwender überzeugt werden, ihre eigenen persönlichen Informationen wie Daten und Dokumente einem Provider zur sicheren Aufbewahrung zu überlassen. Der Nutzer kann fortan plattform- und standortunabhängig auf seine persönlichen Daten zugreifen. Neben den reinen Speicher-, Verwaltungs- und Anzeigekomponenten, können dem Benutzer weitere Module zur Verarbeitung und Erzeugung von Informationen zur Verfügung gestellt werden. Wesentlicher Nebeneffekt derartiger Lösungen ist, dass Unternehmen diese Repositories nutzen können, um den eigenen kostenintensiven Papierversand von Rechnungen und Belegen durch einen günstigen elektronischen Lösungsansatz zu ersetzen.
Dieser Ansatz ermöglicht es, dem Benutzer  die verwalteten Informationen sowohl per Internet, als auch per Handy oder PDA zur Verfügung zu stellen. Je nach betrachtetem Inhalt können eLearning und KM-Konzepte unterstützt werden und durch die integrierte Mittlerfunktion als Bestandteil einer Wertschöpfungskette scheint eine erfolgsversprechende Kundenbindung im Sinne von CRM naheliegend.
Doch auch ein Websafe ist nicht gleich ein Websafe. Dieser wird im Wesentlichen durch die zur Verfügung gestellte Sicherheit definiert. Einfache Varianten, auch als Web-Space oder Web-Store bezeichnet, können im Wesentlichen mit der Dateiablage wie bei herkömmlichen eMail-Diensten verglichen werden. Bei diesen einfachen Lösungen wird vom Provider lediglich der geschützte Zugang zu einem Speicherbereich angeboten. Die abzulegenden Daten und Dokumente organisiert der Anwender sich selbst in File- oder URL-Strukturen. Beschickung und Abruf erfolgen Online.
Ein echter Websafe bietet dagegen Sicherheitsmerkmale, die es einem Nutzer erlauben, sogar persönliche PIN-Nummern und Passworte geschützt vor der Außenwelt aufzubewahren. Die Daten werden derart verschlüsselt abgelegt, dass nicht einmal ein Systemadministrator Einsicht in diese hat. Websafes besitzen eine strukturierte Ablage. Neben dem Einbringen von Dokumenten aus Office-, email- und Webumgebungen über die Online-Verbindung können zusätzlich Informationen über Dienstleister als Faksimiles durch Import von COLD-Output überführt werden. Diese Lösungen sind aufwendiger, da Zugriffsschutz, Indizierung und Pflege von Datenbanken gelöst werden müssen. Besonders die Prozesse der asynchronen Einbringung von Daten und Dokumenten sind zu standardisieren. Unter der Berücksichtigung entsprechend sicherer Encodierung der Datenübertragung und der Speicherung wird auch von einem Web-Tresor gesprochen.
In Zukunft kann damit gerechnet werden, dass Websafes vor allem von Banken und Versicherungen genutzt und betrieben werden. Gerade in diesem Bereich werden häufig sehr vertrauliche Informationen ausgetauscht, die nur mit den beschriebenen hohen Sicherheitsanforderungen elektronisch verfügbar gemacht werden können.
Vertrauen ist alles
Wie kaum ein anderes Geschäftsmodell ist ASP vom Vertrauen der Kunden abhängig. Dieser Vertrauensfrage kann nur mit viel PR-Arbeit und hohen technischen Sicherheitsstandards begegnet werden. Doch genau in diesem Punkt ist im vergangenen Jahr zu wenig getan worden. Zwar wurden z. B. durch die Arbeit des deutschen ASP-Konsortiums Schritte dahingehend getan, Lizenzierungsmodelle für den Anwender transparenter zu gestallten, doch konnte auch beobachtet werden, dass einige Anbieter ihre herkömmliche Software durch die Verwendung von Terminalserver-Software ASP-tauglich machen wollten. Doch diese Lösungen können nur als Fernsteuerung herkömmlicher Applikationen betrachtet werden, wesentliche lokale Funktionen, mit denen der Anwender im Umgang vertraut ist, stehen hier nicht zur Verfügung. Es stand also im Vordergrund möglichst schnell in diesem neuen Segment Fuß fassen zu können – und dieses möglichst ohne größere Investitionen. Der eigentlichen Vertrauensfrage wurde auf der technischen Seite zu wenig Rechnung getragen. Kernanforderungen an ASP-Lösungen, wie Multilingualität, Mandanten- und Submandantenfähigkeit sowie kryptografische Verfahren lassen sich oftmals nicht auf Basis der herkömmlichen Produkte aus dem Client/Server-Umfeld nachprogrammieren. Häufig sind ganz neue Software-Architekturen gefragt. Gerade dieser Punkt ist bei den Anbietern seltener angegangen worden. Daher kann man sagen, dass die Branche teilweise für den ausbleibenden Boom in diesem Segment selbst verantwortlich ist. Da nützt es auch nicht zu erklären, dass ASP-Modelle zu sehr mit der gescheiterten New-Economy-Bewegung in Verbindung gebracht werden. Sicher kommen zahlreiche innovative Lösungsansätze von Start-Up Unternehmen, die auf Seiten der Software-Architektur ASP-tauglicher sind, doch wenn die klassischen Lösungsanbieter mit einem anzunehmenden Vertrauensvorsprung mit nicht immer geeigneten Lösungen vorangehen, hat dieses leider Auswirkungen auf die gesamte Branche.

Klassische Nutzen-Argumentation
Im Rahmen der aktuellen und der zukünftigen Gesetzgebung sind klare Anzeichen zu erkennen, dass sich Themen wie die rechtsverbindliche elektronische Signatur und damit elektronische Dokumente in der so genannten Textform durchsetzen werden. Im ASP-Umfeld ist aber leider kaum ein Anbieter zu erkennen, der mit dieser Thematik glänzt. Gerade die in diesem Rahmen zu implementierenden hohen Sicherheitsstandards und kryptografischen Verfahren beherrschen zu können, würde einem ASP-Dienstleister die Möglichkeit geben, die oben angesprochenen Vertrauensfrage unter Beweis zu stellen.
Ausblick
Doch was wird die Zukunft bringen? Sicher ist, dass ASP einen festen Platz im IT-Umfeld einnehmen wird. Doch kann auch gesagt werden, dass die zur Zeit stattfindende Konsolidierungsphase noch nicht abgeschlossen ist. Wie derzeit in den USA zu beobachten, werden auch in Deutschland einige Anbieter wieder von der Bühne verschwinden oder in Konkurrenzunternehmen aufgehen. Es kann erwartet werden, dass diese Phase noch mindestens das kommende Jahr überdauern wird. Auf jeden Fall bleibt zu hoffen, dass sich die Anbieter durchgängig den Architektur- und Sicherheitsanforderungen stellen werden, die durch das Internet vorgegeben sind. Portale werden in diesem Sinn weitere Verbreitung finden. ASP-Lösungen sind dann als individuelle Dienste zu verstehen, die in unterschiedlichsten Portal-Lösungen eingebunden werden können. Nicht zuletzt die .Net-Strategie von Microsoft wird diesen Trend beflügeln. Microsoft wird mit seiner Marktmacht zum einen die eigenen Produkte und Lösungen verbreiten können, zum anderen kann aber auch erwartet werden, dass sich die Konkurrenz an den Kernaussagen zumindest orientieren wird. Der Slogan „Empower people through great software, any time, any place and on any device“ gibt die strategische Portal-Ausrichtung vor. Viele Anbieter werden sich dem oben genannten Dienstekonzept unterwerfen, da ja auch nicht zuletzt Microsoft selbst bezeugt, auf Basis von Standards wie XML eine bessere Integration und Interaktion zwischen verschiedenen Produkten und Dienstleistungen ermöglichen zu wollen.
 
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