Vom 15. Bis 17.3.2000 fand die 68. Staatswissen-schaftliche Fortbildungstagung unter dem Motto „Regieren und Verwalten im Informationszeit-alter: Unterwegs zur virtuellen Verwaltung“ statt. Die Tagung wurde von der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften (www.dhv-speyer.de), in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Informatik e.V. (www.gi-ev.de) durchgeführt. Über 450 Teilnehmer aus Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen bekundeten ihr reges Interesse am Einsatz moderner IT-Verfahren in der öffentlichen Verwaltung. Prof. Roman Herzog, ehemaliger Bundespräsident, beleuchtete die Herausfordeung für Politik und Verwaltung unter dem Titel „Der Staat im Cyberspace: Die Rolle des öffentlichen Sektors im Zeichen globaler Vernetzung“. Dr. Thilo Sarrazin von der Deutschen Bahn AG äußerte hierzu seine Wunschvorstellungen, wie sich die private Wirtschaft eine öffentliche Verwaltung im Informationszeitalter wünscht. Der Vortrag von Staatssekretärin Brigitte Zypries, Bundesministerium des Inneren, machte die Zielrichtung deutlich. Moderne Informationstechnologien erfordern die Neugestaltung des Verhältnisses von Bürgern, Politik und Verwaltung. Wichtige Themen waren die neuen Schlagworte e-Government und e-Democracy. Die internationale Dimension wurde von Prof. Jerry Mechling, Harvard University, unter dem Titel „Information flows across organisational boundaries: preparing of the electronic intergovernmental enterprise“.
Die Vorträge wurden z.T. in fünf paralellen Sitzun-gen durchgeführt. Schwerpunkte waren Web-Aktivitäten, Digitale Signaturen, Cyberspace und Cybercrime, die Rolle der Rechenzentren und elektronische Vorgangsbearbeitung. Besonders die Vorträge von Prof. Hartmut Pohl zum Thema „Information Warfare“ und Prof. Gerald Quirchmeyer „Verbechensbekämpfung im Cyberspace“ sorgten für Diskussionen. Deutlich wurde die Abhängigkeit der Wirtschaft und der Verwaltungen von der Sicherheit und Verfügbarkeit des Internets. Allein die Zerstörung, erpresserische Abschaltung oder illegale Nutzung der zentralen URL-Name-Server von ICANN würde den gesamten Cyberspace ins Chaos stürzen. Im Bereich der Digitalen Signatur wurden besonders die unterschiedlichen Ansätze des europäischen Rechts und des deutschen Sig-naturgesetzes diskutiert. Ungelöst sind hier auch noch die Sicherheitsanforderungen und zukünftig einzusetzenden Verschlüsselungsverfahren. In der Session zum Thema Vorgangsbearbeitung sorgte besonders der Vortrag von Dr. Ulrich Kampffmeyer, der nicht nur die technologischen Potentiale sondern auch die notwendigen organisatorischen Veränderungen aufzeigte, für Diskussionen. Anlaß zum Nachdenken boten auch die Vorträge von Prof. Niels Björn-Andersen „Von der Hierarchie zur Heterarchie: Selbstorganisation statt Anordnungen von oben zur Beendung von Reformblöcken“ und die Umsetzung des Wissen in Handeln von Prof. Roland Traunmöller. Einen Höhepunkt der Veranstaltung stellte sicherlich der brilliante Abendvortrag von Michael Löhner aus Zürich mit dem Titel „Von Zukunftsangst zu Akzeptanz“ dar.
Der wissenschaftliche Leiter der Veranstaltung, Prof. Henrich Reinermann, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften, Speyer, wertete die Veranstaltung als vollen Erfolg. Die Tagungsdoku-mentation wird in Kürze publiziert. (CK)
| |
| PROJECT CONSULT Kommentar:
|
Die öffentliche Verwaltung ist längst in das Informationszeitalter aufgebrochen. Neben den programmatischen Beiträgen zeigten dies besonders die Berichte aus laufenden Projekten. Hier waren besonders die zusammenhängenden Vorträge von Martin Hagen und Gislea Schwellach, Bremen, für die Zukunft der bürgernahen Verwaltung von Bedeutung. Im Bremer MediaKom-Projekt werden derzeit zahlreiche Verwaltungsverfahren von den Ummeldung, Kfz-Anmeldung, Steuermeldungsabgabe bis zum Bauantragswesen mit Internet-Mitteln den Bürgern zugängig gemacht. Die Verfahren unterstützen die Digitale Signatur und vermeiden hierdurch den Medienbruch. Ähnliche Verfahren gibt es auch andernortes – der entscheidende Unterschied des Bremer Ansatzes ist jedoch die Schaffung eines Standards für den sicheren Dokumentenaustausch. Die hierfür geschaffene Schnittstelle OSCI Online Services Computer Interface orientiert sich am HBCI-Verfahren der Bankenbranche, geht aber technologisch und vom Anspruch inzwischen weit über HBCI hinaus. Das Ver-fahren basiert auf XML und wird im Rahmen von weiteren Projekten in Zusammenarbeit anderen Behörden, Universitäten und Anbietern gemeinsam weiterentwickelt. OSCI hat die Chance sich als Standardverfahren und –schnittstelle für die öffentliche Verwaltung durchzusetzen. Erst kürzlich wurde hierfür in Bremen eine vom Bundesministerium für Wirtschaft geförderte Leitstelle eingerichtet, die die Standardisierung vorantreiben soll. Offen ist jedoch, welchen Durchsetzungsspielraum die Leitstelle haben wird, denn zahlreiche andere Institutionen arbeiten parallel an ähnlichen Vorhaben. Nicht zuletzt sei hier das Bundesministerium des Inneren mit seiner DOMEA-Initiative genannt, die ursprünglich auf die verwaltungsinterne Nutzung ausgelegt war, sich aber auch inzwischen der Beteiligung des Bürgers in internetbasierten Verfahren öffnet. Eine Zusammenführung der unterschiedlichen Ansätze scheint in jedem Fall geboten, damit nicht die fortschrittliche Bedienung des Bürgers per Web in einer traditionell organisierten, kaum DV-gestützten Verwaltung steckenbleibt. Es müssen durchgängige Prozesse implementiert werden. (Kff)