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Elektronische Archivierung & Dokumentenmanagement in der öffentlichen Verwaltung (Teil 3)
von Dr. Ulrich Kampffmeyer, Geschäftsführer und Principal Consultant, und Stefan Meinhold, Seniorberater bei der der PROJECT CONSULT Unternehmensberatung GmbH. Teil 1und 2 des Artikels erschien in den Newsletter Ausgaben 20050218 und 20050309.
   
 9.
Records Management
Ein Record ist nicht einfach mit einem Dokument nach deutschem Verständnis gleichzusetzen. Er bezieht sich auf beliebige Aufzeichnungen, unabhängig davon, ob sie in Papierform oder in elektronischen Systemen verwaltet werden. Ein Record ist im angloamerikanischen Sprachgebrauch eine aufbewahrungspflichtige oder aufbewahrungswürdige Aufzeichnung, die einen rechtlichen, kaufmännischen oder ähnlich gelagerten Sachverhalt nachvollziehbar und nachprüfbar dokumentiert. Der Begriff Record ist damit davon unabhängig, ob die Aufzeichnung in Papier- oder elektronischer Form vorliegt. Records Management ist im deutschen Sprachgebrauch dem Begriff Registratur nahe.
   
 9.1.
Definitionen
Records Management bezeichnet die Verwaltung von Records unabhängig vom Medium. Die Verwaltung muss dabei geordnet, sicher und nachvollziehbar sein. Die Records müssen eindeutig identifizierbar, im Sachzusammenhang erschließbar, authentisch und originär, gegen unauthorisierte Benutzung geschützt und entsprechend den vorgesehenen Aufbewahrungs- und Vernichtungsfristen der Objekte verwaltet werden. Basis für Records Management sind strukturierte Ablagepläne, definierte Ordnungskriterien und geeignete, persistente Findmittel. Records Management wird heute als eine Komponente des übergreifenden Enterprise Content Management verstanden (siehe unten).
Für die Verwaltung von Records muss ein Records-Management-System nach den Vorgaben der amerikanischen Nationalen Records Verwaltung (NARA) folgende Bedingungen erfüllen:
   
 ·
Zugreifbarkeit (Accessible)
 ·
Lesbarkeit (readable)
 ·
Reproduzierbarkeit (reproducable)
 ·
Nachvollziehbarkeit (tracable)
 ·
Unveränderbarkeit (unchanged, integrity, authenticity)
 ·
Langfristige Bewahrbarkeit (preservable)
 ·
Selbstbeschreibbarkeit der Records (self-documenting)
 ·
Entsorgbarkeit (disposable)
   
 ·
Rechtssicherheit (usable as evidence in regulatory and legal queries)
Records Management geht dabei über den Ansatz der elektronischen Archivierung hinaus:
   
 ·
Records-Management-Systeme verwalten über Referenzen auch Informationen auf Papier in Aktenordnern oder auf Mikrofilm. Dies ermöglicht die vollständige Kontrolle auch „gemischter“ Verfahren, in denen ein Parallelbetrieb mit unterschiedlichen Medien erforderlich ist
   
 ·
Records-Management-Systeme besitzen elektronische Ablagepläne und Thesauri, die eine strukturierte, geordnete, nachvollziehbare und eindeutige Zuordnung der Informationen sicherstellen. Hierbei werden Mehrfachzuordnungen nach unterschiedlichen Sachzusammenhängen und die Verwaltung unterschiedlicher Versions- und Historienstände der Ordnungssystematik unterstützt.
Records Management ist daher eine Basiskomponente für die Abbildung elektronischer, virtueller Akten und für die elektronische Vorgangsbearbeitung.
Records Management stellt eine Wissensinfrastruktur in der elektronischen Ablage bereit. In den 90er Jahren entstanden elektronische Dokumenten-Management-Systeme mit Ablage nach Abteilungen und einfachen Indexing-Strukturen. Das Records Management gibt einen Rahmen zur Entwicklung einer verwaltungseinheitsweiten Ablagestruktur. 
9.2.Internationale Standards im Records Management
Neben zahlreichen nationalen Standards für Records Management existieren auch internationale und europäische Vorgaben.
   
 ·
International 
ISO 15489 „Information und Dokumentation – Records Management“, Teil 1 Allgemein, und Teil 2 Richtlinien (Technischer Bericht), 2001
   
 ·
Europa 
Model Requirements for the Management of Electronic Records – MoReq“, der Europäischen Kommission (im Rahmen des IDA-Projektes und des DLM-Forum), 2001
Diese zwei Dokumente beziehen sich auf verschiedene Themen zur Entwicklung und Umsetzung einer Electronic Records-Management-Strategie:
   
 ·
ISO 15489 
Die ISO-Norm Records Management stellt Management-Richtlinien zur Unternehmenspolitik und Vorgehensweisen für das Records Management des Unternehmens auf und dient als Anleitung zur Implementierung bei der unternehmensweiten Einführung von Records Management.  
ISO 15489 Teil 1 ist der Führer für die Leitungsebene von Unternehmen, Behörden und Verwaltungen. Er gibt als kurzes und prägnantes Dokument mit 17 Seiten Rat  
zum Festlegen, welche Dokumente erzeugt, welche Information in die Dokumente eingefügt werden müssen und welcher Genauigkeitsgrad erforderlich ist,  
zum Entscheiden, in welcher Form und Struktur Dokumente erzeugt und erfasst werden sollen,   
zum Festlegen der Anforderungen zum Retrieval und Gebrauch von Dokumenten und wie lange sie archiviert sein müssen, um diesen Anforderungen zu genügen, und  
zum Festlegen, wie Dokumente zu organisieren sind, um die Anforderungen für den Gebrauch zu unterstützen.
ISO 15489 Teil 2 beschreibt die Vorgehensschritte von der ersten Analyse und der Identifizierung der Anforderungen bis zur Implementierung eines Records-Management-Systems.
   
 ·
MoReq 
Die Model Requirements for Records Management liefert ein sehr detailliertes Anforderungsset sowohl für funktionale Anforderungen an ein elektronisches und papierbasiertes Records-Management-System als auch für die dazugehörigen elektronischen Vorgangsbearbeitungs- und Dokumenten-Management-Systeme.  
MoReq schließt auch Richtlinien zur Betrachtung von operationalen Systemen und Managementsystemen ein. MoReq macht einen großen Sprung vorwärts, indem sie nicht nur Anforderungen für eine gute Aufbewahrung von elektronischen Aufzeichnungen erstellt, sondern auch die Anforderungen für andere elektronische dokumentenbezogene Funktionen wie Workflow,  E-Mail  und  elektronische Signaturen mit einbezieht. MoReq konzentriert sich auf die Entwicklung der Spezifikation von ERM-Lösungen, die entsprechend den Strategien der ISO 15489 entwickelt werden.
MoReq besteht aus 390 definierten Anforderungen und einem Metadatenmodell aus 127 Elementen, die in dem 100seitigen MoReq-Dokument beschrieben sind. MoReq liefert quasi eine Schablone als Anforderungscheckliste. Hier werden alle Anforderungen beschrieben und jede einzelne Funktion detailliert definiert. Anschließend werden Empfehlungen ausgesprochen, ob diese Funktion „Pflicht“ oder „Wünschenswert“ ist.
MoReq und ISO 15489 vermitteln gute Richtlinien, um Behörden und Organisationen zu helfen, die wirtschaftlichen Vorteile einer Records-Management-Strategie umzusetzen. Sie lösen jedoch nicht die Probleme spezifischer Anwendungsfälle in der öffentlichen Verwaltung.
   
 10.
Dokumentenmanagement
Unter dem Begriff Dokumentenmanagement versteht man in Deutschland die Verwaltung von ursprünglich meist papiergebundenen Dokumenten in elektronischen Systemen. Bei der Verwaltung von Papierdokumenten spricht man dagegen von Schriftgutverwaltung. Zur besseren Unterscheidung wird häufig auch der Begriff EDM Elektronisches Dokumentenmanagement (Electronic Document Management) verwendet. Die Abkürzung DMS steht für Dokumenten-Management-System und wird in einem erweiterten Sinn als Branchenbezeichnung verwendet. Im Amerikanischen steht "Document Management" dagegen begrifflich eingeschränkter für die Verwaltung von Dateien mit Checkin/Checkout, Versionierung und anderen Funktionen. Inzwischen gilt Dokumentenmanagement als eine Komponente des übergreifenden ECM Enterprise Content Management (siehe unten).
   
 10.1
Definitionen
Dokumentenmanagement dient zur datenbankgestützten Verwaltung elektronischer Dokumente. Da die Perzeption des Begriffes Dokumentenmanagement, wie ursprünglich im Amerikanischen gemeint, sich von der deutschen Begriffsfindung sehr stark unterscheidet, wird zwischen Dokumentenmanagement im weiteren Sinn als Branchenbezeichnung und Kategorisierung für verschiedene Dokumenten-Technologien sowie Dokumentenmanagement im engeren Sinn, dem klassischen Dokumentenmanagement amerikanischer Prägung, unterschieden.
   
 10.1.1.
Dokumentenmanagement im engeren Sinn
Unter den klassischen '''Dokumentenmanagementsystemen im engeren Sinn''', sind solche Lösungen zu verstehen, die ursprünglich aus der Notwendigkeit entstanden sind, Verwaltungsfunktionen für die enorm wachsenden Dateibestände zur Verfügung zu stellen. Hierzu rechnet man
   
 ·
Compound Document Management,
 ·
Electronic Filing und
   
 ·
dynamische Ablagesysteme zur Verwaltung des Lebenszyklus der Dokumente vor der elektronischen Archivierung.
Wesentliche Eigenschaften sind visualisierte Ordnerstrukturen, Check-in / Check-out, Versionierung sowie datenbankgestützte Metadatenverwaltung zur Indizierung und Suchtechnologien. So gekennzeichnete Dokumente sind über mehr Informationsfelder recherchierbar, als sie ein Dateisystem zur Verfügung stellt. Im Dateisystem kann der Anwender nur über Dateiname, ggf. Dateiendung, Größe oder Änderungsdatum suchen. Beim Dokumentenmanagement stehen beliebige Felder zur Verfügung wie bspw. Kundennummer, Auftragsnummer, Betreuer etc.
Zur Abgrenzung dieser Produkte von Document Imaging, Workflow und Groupware spricht man auch häufig von Compound-Document-Management-Lösungen. Sie werden z.B. zum Produktdatenmanagement (vgl. Digital Asset Management) und Verwaltung von Office-Dokumenten eingesetzt.
10.1.2.Dokumentenmanagement im weiteren Sinn
Unter einem '''Dokumentenmanagementsystem im weiteren Sinn''' werden verschiedene Systemkategorien und deren Zusammenspiel verstanden wie
   
 ·
Dokumentenmanagement im engeren Sinn (s.o.),
 ·
Bürokommunikation,
 ·
Document Imaging, 
 ·
Scannen,
 ·
COLD (Computer Output on Laserdisk),
 ·
Workflow,
 ·
Groupware und
   
 ·
elektronische Archivierung.
Die unterschiedlichen Dokumentenmanagement-Technologien sind in starkem Maße voneinander abhängig, der Einsatz einer Komponente ist im allgemeinen nicht ohne den Zugriff auf andere Komponenten sinnvoll. Allen Produktkategorien ist gemeinsam, dass unterschiedliche Arten von Dokumenten - gescannte Faksimiles, Faxeingang, Dateien aus Büroanwen-dungen, Multimediaobjekte usw. - datenbankgestützt und unabhängig von herkömmlichen hierarchischen Dateimanagementsystemen verwaltet werden. Der Einsatz von Datenbanken erlaubt die Handhabung großer Informationsmengen und einen direkten Zugriff auf einzelne Dokumente und Dokumentengruppen. In diesem Zusammenhang ist zum Beispiel der Bereich Imaging (Erfassung, Darstellung und Ausgabe von gescannten Dokumenten) unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, dass es sich hierbei nur um eine spezielle Art von Dokumenten handelt. Die elektronische Archivierung wird in Deutschland dem Umfeld DMS zugerechnet.
10.1.3.Was ist ein elektronisches Dokument?
Der Begriff Dokumentenmanagementsystem beinhaltet den Wortbestandteil Dokument. Der Begriff Dokument selbst wird jedoch sehr unterschiedlich interpretiert. Im angelsächsischen wird er häufig für Textdateien verwendet. Dies zeigt sich zum Beispiel deutlich an der verwendeten Dateiendung ”.doc” für Dateinamen von Textdokumenten. Es wird daher auch zwischen Document Imaging, der Verwaltung von gescanntem Schriftgut, und Document Management, der Verwaltung von bereits digital erzeugten Texten unterschieden.
Im Deutschen hat der Begriff Dokument einen konkreten Bezug zu papiergebundenem Schriftgut. Unter einem Dokument wird häufig auch ein Schriftstück mit hoher inhaltlicher Qualität und rechtlicher Bedeutung verstanden. Das Dokument wird damit sehr nah an den im Gesetz verankerten Urkundenbegriff gerückt. Dies zeigt sich besonders in abgeleiteten Begriffen wie Dokumentenechtheit. Deutsche Anwender denken daher beim Begriff Dokumentenmanagement zunächst an gescanntes Schriftgut und bewegen sich damit nur in einem Teilgebiet dieser Technologien. Im angloamerikanischen Sprachraum entspricht dem inhaltlich/rechtlich definierten Dokument der Begriff ''Record''. Records Management wird daher dort auch nicht mit Document Management gleichgesetzt.
Der Begriff ”elektronisches Dokument” bezieht sich im Prinzip auf alle Arten von unstrukturierten Informationen, die als geschlossene Einheit in einem IT-System als Datei vorliegen. Es kann sich dabei um ein gescanntes Faksimile oder ein digital übermitteltes Fax aber auch um eine Datei aus einem Textverarbeitungsprogramm, einen Datenbankauszug oder eine Liste (Datenstruktur)|Liste handeln.
Eine weitere Quelle für den Begriff Dokument in Zusammenhang mit Dokumentenmanagement-Systemen ist die Bezeichnung ”Dokumentation”, die sich auf eine Zusammenstellung von Dokumenten zu einem bestimmten Sachverhalt bezieht. Einige ”klassische” Dokumenten-Management-Systeme verfolgen daher auch das Ziel, aus verschiedenen Einzelkomponenten, die in unterschiedlichen Versionen vorliegen können, zu einem definierten Zeitpunkt eine in sich geschlossene, aktuelle Dokumentation zusammenzustellen.
Aus den verschiedenen Ursprüngen des Begriffs Dokument wird auch verständlich, wie sich bei Anbietern und Anwendern Missverständnisse hinsichtlich der unterschiedlichen Bedeutungen ergeben konnten. Wichtig ist daher zu ermitteln, welche Dokumente in eine Dokumentenmanagement-Lösung überführt werden sollen und wie sie physisch, formal und inhaltlich aufgebaut sind. Ausschlaggebend für die Verwaltung ist ferner der Nutzungs- und Rechtscharakter der Dokumente: dynamische, in Bearbeitung befindliche Textdateien sind von unveränderbar und langfristig aufzubewahrenden Dokumenten zu unterscheiden. Ein Dokument hat daher in der Regel folgende Merkmale:
   
 ·
physische Eigenschaften (Papier, Datei u.ä.),
   
 ·
formale Eigenschaften (Aufbau, Gestaltung u.ä.),
 ·
Ordnung (Aktenzeichen, fachliche Zugehörigkeit, Reihenfolge, Version u.ä.),
 ·
Inhalt (inhaltlicher Bezug, Thema u.ä.),
 ·
Charakter (Archivierungswürdigkeit, Rechtscharakter, Bearbeitungsmöglich-keiten u.ä.),
 ·
Zeit (Erzeugungsdatum, Verfallsdatum, letzte Benutzung u.ä.),
 ·
Erzeuger (Absender, Ersteller, Autor u.ä.),
   
 ·
Nutzer (Empfänger, berechtigter Bearbeiter, Leser, letzter Bearbeiter u.ä.).
In der Regel ergeben sich alle diese Merkmale aus dem Dokument selbst. Sie werden in IT-Systemen für die Verwaltung, den Zugriff und die Bereitstellung genutzt. Aus ihnen ergeben sich auch die Schutz- und Suchmerkmale für das Dokumentenmanagementsystem.
10.1.4.Formen von Dokumenten
Dokumente können aus verschiedenen Quellen in ein Dokumentenmanagement-system gelangen:
   
 ·
von Systemen selbst erzeugte Objekte wie Dateien (zum Beispiel Druck- oder Textdatei) oder Datensätze (zum Beispiel Tabelle aus einer Datenbank),
   
 ·
analoge, in ein digitales Format gewandelte Objekte wie Faksimiles (gescannte Images) oder Videofilme mit Ton, Sprache etc., die mit Kamera oder Mikrofon erfasst werden.
Ein Dokument kann weiterhin aus einem oder mehreren Einzelobjekten wie beispielsweise
   
 ·
Dokumente aus Textverarbeitung, Tabellenkalkulation oder Grafik,
 ·
Images, zum Beispiel gescannte Vordrucke, Papierdokumente und Fotos,
 ·
Formulare, zum Beispiel Bildschirmformualre oder ausfüllbare PDF,
 ·
COLD-Dokumente (Computer Output to Laser Disk; siehe ECM-Komponenten),
 ·
Webseiten,
 ·
ASCII Textdokumente,
 ·
Video-Clips oder
   
 ·
Sound und Sprach-Clips, zum Beispiel ein aufgezeichnetes Interview,
bestehen.
Entsprechend ihrer Komplexität können unterschieden werden.
   
 ·
Elementare Dokumente, die aus einem Objekt bestehen, enthalten nur Daten eines Typs, also keine eingebetteten Grafiken, Bilder oder Aufrufe anderer Objekte.
 ·
Aus mehreren Objekten zusammengesetzte Dokumente werden auch als Compound Documents bezeichnet. Compound Documents bestehen aus zusammengesetzten Dateien, die Text, Formatinformation, Bilder, Tabellen etc. sowie Hyperlinks oder Verweise auf andere Komponenten beinhalten können.
   
 ·
Einzelobjekte, komplexe Objekte, Verweisinformationen, Links, Metadaten und interne Verwaltungsdaten können zur besseren Handhabung auch in Containern zusammengefasst werden.
Container-Dokumente können in der Regel nur vom erzeugenden Programm zerlegt, interpretiert und angezeigt werden. Soll ein nur einmal gespeichertes Dokument aus verschiedenen Zusammenhängen heraus genutzt oder über andere als das erzeugende Programm auf einzelne Komponenten des Containers zugegriffen werden, ms das Container-Dokument alle benötigten Struktur-, Identifizierungs- und Verwaltungsinformationen mit sich tragen. Sind diese Bedingungen erfüllt, bezeichnet man Dokumente als "selbstbeschreibend". Ein selbstbeschreibendes elektronisches Dokument besteht neben seinem Inhalt aus Attributdaten (Metadaten), die den Zugriff auf Dokumente und deren Katalogisierung erlauben. Diese werden heute meisten in XML auf Basis einer DTD (Document Type Definition) oder eines Schema abgebildet.
Im englischen Sprachgebrauch werden solche Objekte als ”Selfcontained Document Object” bezeichnet. Im deutschen werden sie auch als ”selbst beschreibende Informationsobjekte” (oder selbst dokumentierende) bezeichnet. Sie setzen sich aus einer beliebigen Inhaltskomponente (Einzelobjekt, Container, Liste u.ä.) und einem vorgeschalteten, mit der Inhaltskomponente verbundenen ”Header” zusammen. Die Headerkomponente kann selbst aus verschiedenen Teilen zusammengesetzt sein. Sie beginnt in der Regel mit einer neutralen Beschreibung, welche Merkmale und Attribute im Header erwartet werden können. Auf dieser Beschreibung beruht der selbsterklärende Charakter der Dokumente. Die sinnvollen Metadaten sind als Attribute unter anderem durch MoReq definiert.
Ein „Header“ beinhaltet im allgemeinen folgende Attribute, die als Metadaten zum Dokument gehören:
   
 ·
Codes für die Selbsterklärungsfunktionalität
Hierzu gehören zum Beispiel Anzahl und Reihenfolge der folgenden Attribute, Attributnamen, Attributformate etc., heute meistens in XML definiert und extern in einer DTD oder einem Schema referenziert
 ·
Eindeutige Identifizierung des Objektes 
Dies wird in der Regel durch einen ”Unique Identifier”, einen eindeutigen Schlüssel für die Identifizierung jedes Objektes gehandhabt. Für Globally Unique Identifier existieren sowohl allgemeine Standardisierungen als auch brancheninterne Festlegungen. Der Unique Identifier wird benutzt, um auf das Objekt zuzugreifen und es als einmalig vorhandenes Dokument zu identifizieren. In der Regel sind im Unique Identifier Entstehungsort und -datum des Objektes mit Uhrzeit kodiert.
 ·
Informationen zu Art, Anzahl und Struktur der einzelnen Teile der Inhaltskomponente 
Hierunter ist der Aufbau der Inhaltskomponente zu verstehen, die nur aus einem einzelnen Faksimile, aber auch aus einer strukturierten Liste, einem mehrseitigen Dokument oder einem zusammengesetzten Container bestehen kann.
 ·
Formatinformationen 
Hierzu gehören beschreibende Daten der Erzeugung der Inhaltskomponente. Formatinformationen werden zur Reproduktion der Information ausgewertet (zum Beispiel für Anzeige, Bearbeitung und Druck).
 ·
Nutzungsinformationen 
Beispiele für Nutzungsinformationen sind Erzeuger, vorgesehene Benutzergruppe, Status der Information oder Verknüpfung auf zulässige Bearbeitungsoperationen.
 ·
Schutzinformationen 
Hierzu gehören Prüfsummen, Zugriffsschutzmerkmale, gegebenenfalls eine elektronische Signatur und andere Attribute.
 ·
Referenzinformationen 
Referenzinformationen beinhalten die Zugehörigkeit zu anderen Objekten wie Folgeseiten, vordefinierte Dokumentklassen, Ersatz anderer Dokumente durch ”logische Löschung”, Notizen, Versionsmanagement, Hintergrund-Faksimile, etc.
   
 ·
Inhaltliche Informationen 
Hierunter sind beschreibende Attribute und Ordnungsmerkmale zu verstehen, die in der Regel in der Verwaltungsdatenbank für den direkten Zugriff benutzt werden. Sie dienen im Header für Prüfungs-, Wiederherstellungs- und Anzeigefunktionen.
Die Attribute können auch ausgewertet werden, wenn die Verwaltungsdatenbank nicht im Zugriff ist oder das Informationsobjekt in eine Umgebung außerhalb des erzeugenden Systems versandt wurde.
10.1.5.Verschiedene Dokumentarten
Das Dokumentenmanagement wird häufig zusätzlich nach Art der zu speichernden Dokumente unterschieden:
   
 ·
Technische Zeichnungen 
In Baubehörden, Katasterämtern und anderen Verwaltungseinheiten werden Pläne und technische Zeichnungen aufbewahrt. Es kann sich dabei um Zehn- oder gar Hunderttausende von oftmals großformatigen Zeichnungen handeln, die typischerweise in großen Schubladen flach aufbewahrt werden. Die Referenzen heißen hier Zeichnungsnummern. Das Dokumentenmanagement muss nicht nur die speziellen Formate unterstützen, sondern häufig auch Farbe, Konvertierung, Verwaltung von Teilkomponenten, Varianten und Versionen verwalten sowie die Ausgabe auf verschiedene Medien ermöglichen.
 ·
Bibliotheken 
Bibliotheken und historische Archive müssen neben herkömmlichen Dokumenten auch Bücher, Studien, Folianten und andere Formate verwalten, die teils digitalisiert, teils in Papieroriginal vorgehalten werden müssen. Hierzu sind spezielle Erfassungs-, Erschließungs- und Verwaltungskomponenten im Dokumentenmanagement erforderlich.
 ·
Vorgänge und Akten 
Für die Verwaltung von Akten und Vorgängen sind eine Registraturverwaltung oder andere Ordnungssysteme zu integrieren. Trotz der Bestrebungen zu einheitlichen Aktenplänen und Indizierungssystematiken können diese entsprechend dem Aufgabengebiet der Verwaltung erheblich differieren.
   
 ·
Sonstige Unterlagen 
Neben den aufbewahrungspflichtigen und aufbewahrungswürdigen Informationen existieren häufig zahlreiche Unterlagen, die nur temporär benötigt werden oder nicht den zu archivierenden Beständen zuzuordnen sind. Diese müssen zumindest während der Nutzungszeit ebenfalls in den Systemen mitverwaltet werden können. Hierbei kann es sich um unterschiedlichste Formate handeln, die auch Mutlimedia-Objekte oder Links zu externen Fundstellen beinhalten.
10.1.6.Dokumenten-Technologien
Dokumenten-Technologien ist der Sammelbegriff für alle technologischen Komponenten, die im Dokumentenmanagement und Enterprise Content Management (siehe unten) benötigt werden. Dokumenten-Technologien ist die Übertragung des englischsprachigen Begriffes ''DRT Document Related Technologies''. Dokumenten-Technologien dienen zur Erzeugung, Erfassung, Erschließung, Verwaltung, Aufbereitung, Bereitstellung, Verteilung, Sicherung und Bewahrung von elektronischen Dokumenten. Dokumenten-Technologien sind Dienste einer IT-Infrastruktur zur kontrollierten Nutzung elektronischer Dokumente unabhängig von Anwendung, Ort, Zeit und Erzeuger. Elektronische Dokumente definieren sich durch ihren Inhalt und rechtlichen Charakter und können in unterschiedlicher Form als strukturierte, schwach strukturierte oder unstrukturierte digitale Information vorliegen.
Der Begriffsbestandteil ''Dokument'' ist dabei aus inhaltlicher und rechtlicher Sicht definiert (siehe oben) und hat damit eine andere Qualität als Daten, Information oder Content im Umfeld der Informationstechnik. Im Gegensatz zu den Anbietern klassischer Dokumentenmanagement oder Enterprise-Content-Management-Systeme positionieren sich Anbieter von digitalen Drucksystemen, Outputmanagementlösungen und anderen dokumentenorientierten Produkten eher unter dieser  Klassifikation.  Hier wird dieser  Begriff z.T. auch auf Verfahren und Technologien angewendet, die nicht auf elektronischer Informationstechnik basieren, und sich am Begriff des ''Papierdokumentes'' orientieren. Der Begriff Dokumenten-Technologien ist aus technologischer Sicht geprägt und damit im Unterschied zu Dokumentenmanagement wesentlich weitergefasst.
Beispiele für den weit gefassten ''Anspruch'' von Dokumenten-Technologien sind Content Management Systeme und Dokumentenmanagement, Methoden des Informationsmanagement und der Dokumentation, beispielsweise in Bibliotheken und Archiven. Dokumenten-Technologien stellen die Basisfunktionen für Enterprise Content Management bereit.
Beispiele für die ''funktionalen Elemente'' und Komponenten von Dokumenten-Technologien entsprechend der aufgeführten Begriffe in der Definition sind:
   
 ·
Erzeugung: z.B. Textverarbeitung, E-Mail
 ·
Erfassung: z.B. Scannen, Dateiimport
 ·
Erschließung: z.B. Indexierung, Kategorisierung, Automatische Klassifi-zierung, Registrierung
 ·
Verwaltung: z.B. Dokumentenmanagement, Enterprise Content Management, Datenbank, Dateisystem
 ·
Aufbereitung: z.B. Konverter, OCR, PDF
 ·
Bereitstellung: z.B. Intranet, Portal, Webseite, elektronische Publikation
 ·
Verteilung: z.B. Workflow, E-Mail, Groupware
 ·
Sicherung: z.B. elektronische Signatur, Datensicherung
   
 ·
Bewahrung: z.B. elektronische Archivierung, Information Lifecycle Manage-ment
10.2.Funktionen des klassischen Dokumentenmanagement im engeren Sinn
Zu den wesentlichen Funktionen des Dokumentenmanagement im engeren Sinn gehören:
   
 ·
Erfassung, Import und Übergabe von Dokumenten aus Anwendungssystemen wie Exchange, Lotus Notes, Office und Fachanwendungen
 ·
Verwaltung strukturierter Meta-Daten für Ordnung, Indexierung und Visualisierung mit unterstützenden Auswahllisten, Prüfung gegen vorhandene Daten und Thesauri
 ·
Datenbankgestützte Erschließung und Suche über die Metadaten der Dokumente und die Inhalte der Dokumente, soweit diese als Text vorliegen
 ·
Versionsmanagement, Variantenmanagement, Revisionsmanagement und Renditionsmanagement auf Ebene der Dokumente und auf Ebene von Dokumentkonvoluten (Zusammenstellungen, Gruppierungen, Vorgängen)
 ·
Bildung von Zusammenhängen zwischen den Dokumenten, Dokument-kollektionen und Ordnungseinheiten für Dokumente zur Abbildung virtueller Aktensichten
 ·
Kontrollierter Checkin (Einbringung neuer Dokumente), Re-Checkin (Einbringung geänderter, bereits vorhandener Dokumente in anderer Version) und Checkout (Freigeben und Sperren von Dokumenten, wenn diese außerhalb des Dokumentenmanagementsystem bearbeitet werden sollen) von Dokumenten und Dokumentkollektionen
 ·
Konvertierung von Formaten und Erzeugung von Renditionen gleicher Inhalte
 ·
Schnittstellen zu Archiv-, Workflow-, Fachanwendungs- und Bürokommunikationsanwendungen
 ·
Kontrolle des Editierens und Bearbeitens von Dokumenten sowie der gemeinsamen Nutzung von Dokumenten
 ·
Berechtigungssystem mit Nutzung vorhandener Netzwerkberechtigungen, Rollen- und „Neutrale-Benutzerklassen“-Konzepten
 ·
Enabling (Einbindung) von einzelnen Dokumentenmanagement-Komponenten in vorhandene Anwendungen wie Suche, Struktur-visualisierung etc.
 ·
Viewer und Konverter um Dokumente unterschiedlicher Art einheitlich und zusammenhängend anzeigen und browsen zu können
 ·
Anbringung und Verifizierung elektronischer Signaturen an Dokumenten und Vorgängen
 ·
Protokollierung mit Posteingangsbuch, Postausgangsbuch und Übergabeprotokollen von Dokumenten an andere Anwendungen (z.B. Archiv)
 ·
Komfortable Ansteuerung von lokalen, dezentralen und zentralen Druckern mit entsprechender Zusammenstellung von Aufträgen, Erstellen von Deckblättern, etc.
   
 ·
Auswertbar und recherchierbare Protokolle und Journale zur Dokumentation der Bearbeitung der Dokumente und Metadaten
Je nach Auslegung des Begriffes Dokumentenmanagementsystem kann der Funktionsumfang erheblich größer sein und auch andere Erfassungs-, Workflow oder Kollaborationsfunktionalität beinhalten.
10.3.Nutzenargumentation für elektronisches Dokumentenmanagement
   
 ·
Sicherstellen der leichten Wiederauffindbarkeit von Dokumenten (Suchmaschine, Verschlagwortung, Vergabe eindeutiger Dokument-Identifikatoren)
   
 ·
Sicherstellen der langfristigen Lesbarkeit von Dokumenten (durch automatische Konvertierung in aller Voraussicht nach "zeitlose" Dateiformate wie TIFF oder PDF-Archive)
 ·
Sicherstellung der gesetzlichen Archivierungsfristen (teils bis zu 30 Jahren)
 ·
Verwaltung von Bearbeitungsständen (Versionen)
 ·
Unterstützung der Dokumentenerstellung (Vorlagenverwaltung, Lese-Schreib-Synchronisation bei Dokumentenerstellung im Team, Prüf-Workflow, Freigabe-Workflow, Verteil-Workflow, Archivierungs-Workflow)
 ·
Automatisierung von Geschäftsprozessen mit Dokumenten
 ·
Sicherstellen eines Zugriffsberechtigungskonzeptes (Informationssicherheit und Datenschutz)
 ·
Protokollieren sämtlicher Manipulationen an den Dokumenten und der Weiterleitungen der Dokumente
 ·
Verhindern vermeidbarer Speicherplatzkosten, die oft durch Mahrfachablage von Dokumenten entsteht (auf den E-Mail-Servern, auf Projekt-, Abteilungs- und Benutzerlaufwerken)
 ·
Verhindern von Unklarheiten über die Gültigkeit von Dokumentenständen und Konflikten durch parallele Änderungen
   
 ·
Verhindern von Doppelarbeit und Doppelablage
10.4.Weiterentwicklung des Dokumenten-managements
Durch die Zusammenführung herkömmlicher Technologien des Dokumenten-managements (im weiteren Sinn) mit Internettechnologien, Web Content Management und Portalen entstand Ende der 1990er Jahre ECM Enterprise Content Management. Dokumentenmanagement gilt heute nur noch als eine integrierte Komponente von übergreifenden Systemen mit Workflow, Collaboration, Records Management, elektronischer Archivierung, Inputmanagement und Outputmanagement. Übergreifend hat sich seit ca. dem Jahr 2000 der Begriff Dokumenten-Technologien oder (engl.) DRT Document related Technologies eingebürgert. ILM Information Lifecycle Management überlappt sich zunehmend mit den traditionellen Funktionen von Dokumentenmanagement.
© PROJECT CONSULT Unternehmensberatung GmbH 1999 - 2016 persistente URL: http://newsletter.pc.qumram-demo.ch/Content.aspx?DOC_UNID=cf74b91e38b24957002571e9004cb5ac