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Elektronischer Posteingang und elektronische Aktenführung in der gesetzlichen Krankenversicherung
Teil 1 des Beitrages von Dr. Joachim Hartmann, Seniorberater bei PROJECT CONSULT, Stuttgart, E-Mail: Joachim.Hartmann@PROJECT-CONSULT.com. Dr. Hartmann betreut Projekte mit Lösungen für Posteingang, elektronische Akte und Vorgangsbearbeitung bei verschiedenen GKV. Der zweite Teil erscheint im PROJECT CONSUTL Newsletter im November 2006.
Der Zwang zur Rationalisierung in den gesetzlichen Krankenkassen
Die gesetzlichen Krankenkassen stehen seit Jahren unter erheblichem finanziellem und politischem Druck. Dass die im Gesundheitssystem zu verteilenden Gelder seit vielen Jahren extrem knapp sind, ist hinlänglich bekannt. Hinzu kommen politische Forderungen, wie die des Gesundheitsministeriums nach einer Bereinigung der Kassenlandschaft. Kleinere Kassen sollen durch Fusionen oder Übernahmen vom Markt verschwinden. Davon wären z.B. fast alle Betriebskrankenkassen betroffen. Diese Forderung hat nur bedingt mit der wirtschaftlichen Lage der Kassen zu tun, denn zumindest die Personalkosten, die den größten Kostenfaktor bei den Verwaltungskosten einer Krankenkasse ausmachen, werden überwiegend durch die Anzahl des Personals in der Sachbearbeitung bestimmt und das ist wiederum von der Zahl der Versicherten abhängig. Dennoch zwingen neben dem reinen Kostendruck auch die politischen Rahmenbedingungen die Krankenkassen schon seit längerem zu Rationalisierungsmaßnahmen in der Verwaltung, insbesondere in der Sachbearbeitung.
Eine dieser Rationalisierungsmaßnahmen ist die Abkehr von der herkömmlichen papierhaften Sachbearbeitung hin zu einer weitgehend elektronischen Bearbeitung der gesamten Arbeitsprozesse. Hierbei wird weitgehend die gesamte Eingangspost gescannt, erkannt und klassifiziert und möglichst automatisiert den Sachbearbeitern elektronisch zur Weiterverarbeitung bereitgestellt. Die Aktenführung wird dabei auf elektronische Akten umgestellt und eine automatisierte elektronische Posteingangserfassung eingeführt werden.
Im Folgenden werden zunächst elektronische Aktenlösungen und die elektronische Posteingangserfassung, wie sie in der gesetzlichen Krankenversicherung eingesetzt werden, beschrieben. Anschließend gehen wir näher auf die speziellen Anforderungen ein, die vor allem aus der Sozialversicherungsgesetzgebung abzuleiten und mittlerweile auch vom Bundesversicherungssamt mit konkreten Forderungen ausgestaltet sind. Zum Schluss werden die für die Einführung einer entsprechenden IT-Lösung entscheidenden Fragen behandelt:
   
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 Wie sollte eine in die IT-Architektur der Kassen integrierte konzipiert sein?
   
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 Was ist bei der Einführung einer elektronischen Aktenlösung in einer Kasse besonders zu beachten?
Elektronische Akten in der gesetzlichen Krankenversicherung
Eine elektronische Akte ist das elektronische Äquivalent zur Papierakte.  Sie  besteht aus einer Objekthierarchie mit Akte, Register, Vorgang und Dokument.
Abbildung: Struktur einer virtuellen elektronischen Akte
Objekte sind die Dokumente einschließlich aller digitalen Informationen. Sie sind durch Links (Verweise) mit den Vorgängen verbunden.
Typisch für eine elektronische Akte ist, dass ein Benutzer verschieden Sichten auf eine Akte erhalten kann und nicht nur nach einer vorher festgelegten Aktenstruktur auf die einzelnen Dokumente in der Akte zugreifen kann. So eine Sicht kann z.B. über die Dokumente zu Beitragszahlungen, über Behandlungspläne oder über Regressvorgänge o.ä. erfolgen. Auf Basis solcher Ordnungsmerkmale kann die elektronische Akte für den Anwender im Gegensatz zur Papierakte flexibel je nach Geschäftsvorgang dargestellt werden.
Vom Papier zum elektronischen Dokument:  
Die elektron
ische Posteingangsverarbeitung
Seit Einführung der elektronischen Textverarbeitung hat nur die  Nutzung von E-Mail ähnlich revolutionäre Auswirkung auf die Arbeit  in der Sachbearbeitung wir die Abkehr von der klassischen Postverteilung. Wenn die Post nur noch elektronisch beim Sachbearbeiter ankommt und weitgehend papierlos bearbeitet wird, entfallen so zeitaufwändige Bürotätigkeiten wie die Ablage und die Suche nach Akten weitgehend. In der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgt der Ablauf einer elektronischen Posteingangsverarbeitung in der Regel in den Schritten:
   
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Scannen der eingehenden Poststücke,
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 Elektronisch Signatur – dies ist für Dokumente, die dem Sozialversicherungsrecht unterliegen, Pflicht, wenn das Originaldokument vernichtet werden soll.
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 Ein Erkennung- und Klassifizierungsprozess, durch den möglichst viele Merkmale des Dokuments wie z.B. die Versichertennummer, der Typ des eingehenden Schreibens u.a. erkannt werden sollen.
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 Ablage des signierten Dokuments in einem elektronischen Archivsystem.
   
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 Je nach Ergebnis des Erkennungs- und Klassifizierungsvorgangs wird jeder Vorgang direkt in den elektronischen Postkorb des/der zuständigen Sachbearbeiters/in oder in einen Gruppenpostkorb geleitet. Falls die Erkennung kein eindeutiges Ergebnis geliefert hat, kommen die Schriftstücke in einen separaten Postkorb zur weiteren Klärung.
Viele Lösungen stellen bereits elektronische Bearbeitungshilfen wie Wiedervorlage, Stellvertreterregelungen, Eskalationsvorschriften u.ä. bereit, ohne dass spezielle Workflowsysteme eingeführt werden müssen.
Die Dokumente können dann in der Sachbearbeitung am Bildschirm mit den nachgelagerten Systemen (z.B. IS KV bei den Betriebskrankenkassen) bearbeitet werden.  Individuelle Post, Vorstandspost, zu große oder zu kleine Formate u.a. werden natürlich weiterhin auf dem ursprünglichen Postweg in Papierform versandt.
Gute Verfahren zur Posteingangserkennung verarbeiten den allergrößten Anteil der Eingangspost mit sehr guten Erkennungsquoten. In den letzten Jahren haben die am Markt angebotenen Softwarelösungen für die Erkennung und Klassifizierung von Dokumenten eine so hohe Qualität bekommen, dass die automatisierte Erfassung der Eingangspost eine immer höhere Verbreitung in fast allen Branchen findet. Vor allem in Branchen, die eine hohe Quote an standardisiertem Schriftverkehr haben, z.B. Versicherungen, Banken, Öffentliche Verwaltung, sind Verfahren zur automatischen Erkennung und Klassifikation der Eingangspost bereits etabliert. Eine besondere Ausprägung der Erkennung von Eingangspost ist die automatische Rechnungserkennung. Verschieden Produkte hierfür setzen sich seit zwei bis drei Jahren ebenfalls  in allen Branchen durch.
Anforderungen an die elektronische Posteingangsverarbeitung in der Sozialversicherung
Der Gesetzgeber hat an die papierlose Verarbeitung von Eingangspost für den Bereich der Sozialversicherung relativ hohe Hürden aufgebaut. Der §36 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über das Rechnungswesen in der Sozialversicherung (SRVwV) schreibt u.a. vor, dass die Dokumente mit einer elektronischen Signatur zu versehen sind, wenn sie vor Ablauf der entsprechenden Aufbewahrungsfrist vernichtet werden sollen. Diese Anforderung geht über die Anforderungen hinaus, die üblicherweise an die elektronische Archivierung von Dokumenten gestellt werden. So orientieren sich beispielsweise die Finanzverwaltungen bei der elektronischen Archivierung von Dokumenten an den Regeln der GoBS (Grundsätze ordnungsgemäßer DV-gestützter Buchführungssysteme. Diese verlangen einen so genannten revisionssicheren Archivierungsprozess, der neben den GoBS auch die Anforderungen der §§ 146, 147 AO, §§ 239, 257 HGB erfüllt. Im wesentlichen sind hierzu eine Reihe von technischen und organisatorischen Maßnahmen erforderlich, die sicherstellen, dass für alle archivierten Dokumente die Kriterien
   
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Vollständigkeit
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Sicherheit
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Unveränderbarkeit
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Ordnungsmäßigkeit
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Schutz vor unberechtigtem Zugriff
   
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 Indizierung der Daten hinsichtlich der Speicherung und hinsichtlich dem Verfahren der Archivierung
erfüllt sind. Dabei ist das verwendeten Archivierungsverfahren, so zu dokumentieren, dass sie von sachkundigen Dritten nachvollzogen werden kann.
Der § 36 SRVwV impliziert nun ebenfalls im Wesentlichen eine Revisionssichere Archivierung und das die für die gesetzlichen Krankenkassen Aufsicht führende Behörde, das Bundesversicherungsamt (BVA), hat das in einem Rundschreiben auch präzisiert. Darüber hinaus müssen die Dokumente beim Scannvorgang auch noch elektronisch signiert werden. Das hat außer den Anbietern von Signaturlösungen niemanden glücklich gemacht. Bei Massenbelegen können die Dokumente beim Signieren nur in einem Stichprobenverfahren verifiziert werden. In der Regel werden das ca. 2% der gescannten Dokumente sein. Damit ist die zusätzlich gewonnene höhere Sicherheit bei einem Erfassungs- und Archivierungsprozess, der die Kriterien der Revisionssicherheit schon erfüllt, gering.
Für das Posteingangsverfahren (Scannen, Nachbearbeiten, Signieren, Archivieren) gelten nach den Anforderungen des BVA für eine nach § 36 SRVwV konforme Lösung folgende Bedingungen an den Betrieb der Lösung:
   
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 Die im Zuge der so genannten Massensignaturen signierten Dokumente sind über ein Stichprobenverfahren zu überprüfen und zu signieren.
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 Der Scan- und Signaturprozess darf ausschließlich in einer räumlich und technisch abgesicherten Umgebung (Closed-Shop-Betrieb) erfolgen.   
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 Die Arbeitsplätze für Scannen, Signieren und Nachbearbeiten müssen durch eine eigene Personal Firewall geschützt sein.
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 Alle Arbeiten der Systemadministration müssen durch ein Vier-Augen-Prinzip abgesichert sein.
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 Das Verfahren muss dem BVA zur Abnahme vorgelegt werden. Das Abnahmeverfahren besteht aus einem formellen Prozess, der sich aus den Anforderungen des BVA, die in verschiedenen Rundschreiben und Präsentationen bekannt gemacht wurden, ableiten lässt. Die Abnahmeprozedur besteht aus einer Präsentation des Verfahrens, einer Inspektion vor Ort sowie einem Dokumenten-Audit.
   
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 Sollte das Posteingangsverfahren an einen externen Dienstleister vergeben werden (Outsourcing) so ist das ebenfalls durch das BVA genehmigungspflichtig. Hierzu wird zwingend eine Wirtschaftlichkeitsanalyse verlangt.
Das BVA verlangt auch eine Verfahrensdokumentation analog den Vorschriften aus der GoBS für den Umgang mit Buchhaltungssystemen und der elektronischen Archivierung von steuerrelevanten Dokumenten.
Das Rationalisierungspotential der Lösung muss durch eine vorgeschaltete Wirtschaftlichkeitsanalyse nachgewiesen sein. (JH)
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