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Dokumenten-Management wird zur Basistechnologie (Teil 3)
Artikel von Dr. Ulrich Kampffmeyer, erschienen in der Fachzeitschrift IT Management, Heft 2/2000, Seite 44-50. Der Artikel behandelt den DRT-Markt aus drei Blickwinkeln: den des Analysten, den des Anwenders und den des Anbieters. Teil 3 beinhaltet den Blickwinkel des Anbieters. Teil 1 erschien im Newsletter 20000307Newsletter 20000307, Teil 2 im Newsletter 20000330Newsletter 20000330.
Anforderungen an Dokumenten- 
Management aus Anbietersicht
Die Anbieter hoffen auf den großen „Boom“, der nach der EURO- und Jahr-2000-Umstellung kommen soll. Im übrigen kämpfen sie mit ihrem Selbstverständnis als eigenständige Disziplin und mit der sich verändernden Marktsituation. Diese ist geprägt durch Trends wie „Convergence of Technologies“, „Mergers&Acquisitions“ und Verschwimmen der Abgrenzung zur allgemeinen IT-Industrie durch „Document-Related Technologies“.
Abbildung 1: Dokumenten-Management-Technologien:
 
Da Dokumenten-Management-Technologien in starkem Maße voneinander abhängig sind, ist der Markt sehr unübersichtlich (Quelle: Gartner Group).
   
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Konvergenz der Technologien
Eine Reaktion auf den Wettbewerbsdruck, die Kundenanforderungen und die neuen Technologien ist die Ausweitung der Funktionalität der Produkte. Gab es früher spezialisierte Lösungen für Listenarchivierung, Faksimilearchivierung, Document Management im engeren Sinn, Workflow etc., so fließen heute die Merkmale dieser Produkte in einander über und werden zudem um Funktionen aus dem Umfeld der Bürokommunikation ergänzt.
Einerseits geschieht dies durch die Weiterentwicklung von bestehenden Produkten. Die Funktionalität von Workflow wird um Archivierung und Dokumenten-Management ergänzt, E-Forms entwickelt sich zu Workflow, Workflow integriert Archivierung, Archive werden ergänzt um MultiMedia-Funktionalität usw. Ziel ist dabei die Unterstützung des gesamten Lebenszyklus von Dokumenten, die Erfassung, Bearbeitung und Darstellung aller Formen von Dokumenten, Daten und Objekten. Hinzu kommt die Berücksichtigung aller denkbaren Kontroll-, Weiterleitungs- und Steuerungsfunktionalität. Funktionen, die früher eigenständige Anwendungen waren, wie z. B. Fax, E-Mail, Textdatenintegration, Textbau-steinverwaltung, Groupwarefunktionalität usw.
Durch den Einsatz von separaten Diensten und Enabling sieht der Anwender nicht mehr, daß er mit einer DMS-Lösung arbeitet. Dabei verändert sich die Funktionalität zunehmend in Betriebssystemnahe Dienste.
Dem Dokumenten-Management gehen die Unique Selling Points (USP`s), ihre Alleinstellungsmerkmale, verloren. Drei wichtige Strömungen sollen hier als Beispiel dienen:
   
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Integration von Dokumenten-Management-Funktionalität in Betriebssysteme
Zu Beginn ihrer Entwicklung existierte - wie oben bereits skizziert - die Dokumenten-Management-Branche davon, daß sie „schwierige Dokumenten-typen“ wie Faksimiles in DV-Systeme bringen konnte oder digitale optische Speichermedien, die sich durch ihre Eigenschaften nicht mit den dynamischen, Magnetplatten-orientierten Betriebssystemen vertrugen, anband. Viele dieser Funktionen sind bereits heute in Betriebssysteme oder Zusatzservices überführt.
   
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Integration in kaufmännische Anwendungen
Bedrohen die ins Betriebssystem oder Back-Office aufgenommen Standard-funktionen nur den Markt für einfache Lösungen, kommt die Gefahr für die professionellen großen Lösungen im Bereich des klassischen Dokumenten-Managements im engeren Sinn und die Workflow-Anbieter von großen Softwaresystem-Anbietern für Betriebssysteme, Office- und Groupwareprodukte und kaufmännische Anwendungen. Besonders bei den ERP-Softwaresysteme handelt es sich um Anwendungen, die die wirtschaftlich kritischen Daten von Unternehmen managen und verarbeiten. 
   
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Datenbanksysteme
Eine weitere Herausforderung entsteht seitens der Anbieter von Datenbanken und speziellen Suchmaschinen. Heute werden Datenbanken von der Dokumenten-Management-Branche benutzt, um über Zeiger, sogenannte Pointer, Dokumente in separaten Repository- oder Library-Systemen zu verwalten. Man spricht hier von Index- oder Referenzdatenbanken. Ein Argument für den Einsatz dieser Architektur war besonders die häufig sehr große Menge an zu speichernden Daten und Dokumenten, die Skalierbarkeit der Server und die hohen Kosten für Magnetplattenspeicher.
   
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Mergers&Acquisitions und Partnerkonzepte
Der DMS-Markt ist reif geworden und zeigt alle Merkmale der Konsolidierung: Firmenübernahmen und -zusammenschlüsse, der Eintritt großer Standardsoftwareanbieter in diesen Markt oder das Verschwinden kleinerer Softwarehersteller mit eigenen Produkten. Zahlreiche Anbieter der ersten Stunde haben aufgegeben, sind Integratoren geworden oder haben nur das Markenzeichen behalten und verkaufen darunter aber die Produkte anderer (z. B. über OEM-Verträge).
Hersteller, die ausschließlich ein Produkt anbieten, haben immer weniger Überlebenschancen. Zahlreiche Übernahmen von Unternehmen in der letzten Zeit betrafen diese sogenannten „One-Product-companies“. Auch bei den übernehmenden Firmen treten Probleme bei der Integration hinsichtlich DMS, Workflow und Archivierung sowie bei der Harmonisierung von Produktlinien auf. Ein Wegfall von Produkten bewirkt Migrationsprobleme auf Seiten der Anwender.
   
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Firmenübernahmen und –zusammenschlüsse
Der Nachfrageboom im DMS-Umfeld beginnt und wird ab dem Jahr 2000, wenn die Euro- und die Jahr 2000-Umstellung vollzogen sind, seinen Höhepunkt erreichen. Der Bedarf an qualifizierten Systemberatern und Programmierern ist kaum zu befriedigen. In der DMS-Branche dreht sich daher das „Abwerbungs-Karussell“ - und bekommt man einen Mitarbeiter nicht, übernimmt man vielleicht gleich die ganze Firma. Viele bekannte Namen von Anbietern und Produkten sind heute bereits verschwunden.
   
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Kapitalisierung am Aktienmarkt 
Das notwendige Kapital für Firmenübernahmen verschaffen sich viele DMS-Anbieter derzeit durch Börsengänge. Ziel der Börsengänge ist weiterhin die schnelle Kapitalisierung für den europäischen Markt durch qualifiziertes Personal, Übernahme von Märkten und Marktanteilen, Technologiezukauf, Aufbau internationaler Vertriebspartnernetze, Aufbau eigener Geschäftsstellen, Globalisierung und neue Produktentwicklungen. Die Aktienkurse der neuen AGs schießen teilweise derartig in die Höhe, daß den Analysten langsam die Sorgenfalten zwischen den Augenbrauen erscheinen: Durch eine zu hohe Anzahl Anbieter entsteht ein Wettlauf ums Überleben ähnlich der Situation bei den Textverarbeitungsprogrammen Anfang des Jahrzehnts. Positive Resultate der Firmenübernahmen sind eine ausreichende Anzahl von netzwerkbasierten Installationen, internationaler Vertrieb, stabile Basisprodukte in guter Qualität und kontrollierten Releases. Zudem gibt es neue technologische Ansätze wie beispielsweise die intelligente Informationserschließung, Knowledge Management sowie die Einführung guter Partnerkonzepte.
   
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Partnerkonzepte 
Da für unternehmensweite Lösungen verschiedenste Komponenten und Technologien integriert werden müssen, sind Partnerschaften und Kooperationen im DMS-Umfeld weit verbreitet.
   
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Realisierungspartnerschaften
Die Anbieter von eigener Software setzen stark auf Kooperationen mit Systemintegratoren, die auf Basis der Produkte Projekte durchführen. Nur so läßt sich eine eigene Entwicklung finanzieren und ein ausreichender Anteil am Markt erreichen. Die Gewinnung von Vertriebs- und Integrationspartnern ist daher eine der wichtigsten Aufgaben der Produktanbieter. Realisierungspartnerschaften mit Systemhäusern und Integratoren bieten folgende Vorteile:
   
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Qualifiziertes Know-how für Kunden vor Ort
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Schnelle regionale Abdeckung
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Synergien durch Integration mit Lösungen der Realisierungspartner
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Überwindung des Problems, qualifiziertes Realisierungs- und Projekt-Management-Personal aufzubauen
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Bereicherung der Entwicklung durch Partneranforderungen, Marktnähe und Branchen-Know-how
Gute Systemintegratoren, die vor Ort Projekte realisieren können, sind nicht viele zu finden. Diejenigen Softwareanbieter mit den meisten und besten Integratoren werden die Zukunft bestimmen. Viele Anwender sind daher schon dazu übergegangen, nicht mehr das Produkt, sondern den Integrator, seine Leistungsfähigkeit und Erfahrung zum Entscheidungsmerkmal für eine Lösung zu machen.
   
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Ausweitung des Marktes
Die zuvor beschriebenen Veränderungen seitens der Anwender, der Anbieter und der Produkte haben zu einer Ausweitung des ursprünglich eng begrenzten DMS-Marktes geführt. Heute spricht man daher vom Markt für „Document Related Technologies (DRT)“.
Die Dokumenten-Management-Branche hat ihre Wurzeln in einer Zeit, als „normale“ IT-Systeme nicht in der Lage waren, Imaging, Workflow und digitale optische Speicher zu unterstützen. In den achtziger Jahren bildete sich hierdurch das heraus, was wir heute als die Dokumenten-Management-Branche kennen. Die Branche verstand sich als eigenständige Disziplin innerhalb der IT-Branche. Diese Nische ist inzwischen Bestandteil der allgemeinen IT-Landschaft geworden, die Abgrenzung ist verschwunden und die Unique Selling Points (USP`s) von Dokumenten-Management haben längst ihren Eingang in alle Arten von Lösungen gefunden, die sich nie als Teil der DMS-Branche verstanden haben.  
Abbildung 2: Neue Mitspieler und Allianzen im DMS-Markt. Durch Firmenaufkäufe und Kooperationen erfolgt derzeit eine deutliche Konzentration im DRT-Markt.
Dies wird besonders deutlich bei den ERP- und Internet-Software-Anbietern. Wir müssen uns damit abfinden, daß Dokumenten-Management-Technologien und –Funktionalitäten Bestandteil der allgemeinen IT geworden sind. Fast alle Anwendungen erzeugen, verarbeiten, verteilen, verwalten und speichern heute Dokumente. Hierdurch ergibt sich ein wesentlich breiteres Spektrum, das man für DRT Document Related Technologies definieren kann. Der Begriff DRT umfaßt heute Gebiete und Lösungen wie
   
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Internet, Intranet & Extranet
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Document, Workflow & Knowledge Management
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E-Commerce & Digital Signatures
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Document Input, Distribution & Storage
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OCR, ICR & Pattern Recognition
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Databases, DataWarehouses & Retrieval Engines
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Imaging & MultiMedia
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Archival & Records Management
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Secure Communication & Unified Messaging
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Groupware & Office Solutions
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Forms & Output Management
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Middleware & Componentware
   
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Content Management & Content Distribution
DRT gehört in jede Art von Anwendung und bisher als eigene Lösung vertriebene Produkte werden “im Bauch” anderer Anwendungen verschwinden. Dokumenten-Management hat eigentlich hierdurch sein Ziel erreicht: es wird Allgemeingut und Bestandteil der Infrastruktur.
Abbildung 3: Annäherung der verschiedenen Technologien: Archivsysteme:
Herkömmliche Archivlösungen werden um dynamische Dokumenten-Management- und Workflow-Funktionen ergänzt.
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