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Elektronische Archivierung & Dokumentenmanagement in der öffentlichen Verwaltung (Teil 1)
von Dr. Ulrich Kampffmeyer, Geschäftsführer und Principal Consultant, und Stefan Meinhold, Seniorberater bei der der PROJECT CONSULT Unternehmensberatung GmbH. Teil 2 des Artikels  erscheint im Newsletter 20050308Newsletter 20050308.
Elektronische Archivierung und Dokumentenmanagement stellen wesentliche  Komponenten von E-Government-Lösungen dar. Sie verwalten und speichern alle Informationen aus den internen Anwendungssystemen und den Webpräsenzen. Sie sind bei Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung die Voraussetzung für die Nachvollziehbarkeit des Verwaltungshandelns. Hieraus ergibt sich, dass elektronische Archiv- und Dokumentenmanagementsysteme eine  notwendige Infrastrukturkomponente für die Einführung jeglicher E-Government-Systeme sind.
   
 1.
Begriffsvielfalt
In Bezug auf die verwendete Begrifflichkeit ergeben sich jedoch zwischen den Begriffen, wie sie in der öffentlichen Verwaltung benutzt werden, und den Begriffen der Analysten und Anbieter erhebliche Diskrepanzen.
Während z.B. von einem Archiv in der öffentlichen Verwaltung erst dann gesprochen wird, wenn ein Vorgang zu den Akten geht (zdA) und nur noch im Ausnahmefall auf ihn zugegriffen wird, setzt die elektronische Archivierung und das Dokumenten-management zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt an. Bereits bei der Erfassung und Entstehung von Dokumenten werden diese in die Verwaltung von Dokumentenmanagement- und elektronischen Archivsystemen eingestellt. Sie stehen damit elektronisch zur Bearbeitung. Während sich in der papierbasierten Vorgangsbearbeitung eine Akte langsam aufbaut und zum Abschluss des Vorganges erst in das Archiv überstellt wird, werden im Rahmen einer elektronischen Sachbearbeitung die Dokumente bereits aus dem Dokumentenmanagement- oder Archivsystem zur Verfügung gestellt und die Akte baut sich kontinuierlich auf. Die Diskrepanzen schlagen sich so nicht nur in einer unterschiedlichen Begriffsbildung nieder, sondern spiegeln sich auch in der Abwicklung von Geschäftsgängen nieder. Daher ist mit der Einführung einer elektronischen Vorgangsbearbeitung mit Unterstützung durch Dokumentenmanagement- und elektronische Archivsysteme auch eine Anpassung der Abläufe und der Perzeption des Verwaltungshandelns notwendig. Die elektronische Bearbeitung von Vorgängen und Dokumenten wird durch E-Government-Verfahren, bei denen Informationen elektronisch in der Verwaltung eingehen und medienbruchfrei weiterbearbeitet werden sollen, unumgänglich. Hinzu kommt, dass durch das Signaturgesetz und seinen Niederschlag im Verwaltungsverfahrensrecht (siehe z.B. das 3. Änderungsgesetz zu den verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften) qualifiziert elektronisch signierte Dokumente nicht nur rechtlich nach BGB anerkannt sind, sondern das Original eines Dokumentes darstellen, dessen Authentizität nur elektronisch nachgewiesen werden kann. Ein Ausdruck eines solchen Dokumentes stellt nur eine Kopie dar. Durch die zunehmende Verbreitung der elektronischen Signatur im Innenverhältnis als auch im Außenverhältnis in der Kommunikation mit dem Bürger, Unternehmen und Organisationen, wird die sichere Aufbewahrung elektronischer Dokumente in Dokumentenmanagement- und elektronischen Archivsystemen unerlässlich. Die Zunahme des Austausches von Informationen über E-Mail trägt zur wachsenden Menge von nachweispflichtigen Dokumenten bei, die nur noch in elektronischer Form vorliegen.
   
Begriff in der öffentlichen Verwaltung
Abk.
Lösungskategorisierung der Anbieter
Registratur
ERM

RM
Electronic Records Management
Records Management
Elektronische Ablage
ERM

DM

ECM
Electronic Records Management
Document Manag
ement
Enterprise Content Management
Collaboration
Elektronische Akte
DM
Wf

BPM
Document Management
Workflow Manag
ement
Business Process Manag
ement
Elektronische Vorgangsbearbeitung
Wf
BPM


ECM
Workflow Management
Business Process Manag
ement
Enterprise Content Management
Collaboration
Archivierung
ERM

ILM
Electronic Records Management
Information Lifecycle M
anagement 
Elektronische Arch
ivierung
Digital Preservation

Storage Management
Zwischenarchiv
DM
Document Management
Elektronische Arch
ivierung
Ablagesystem
Einbindung in Fachanwendungen
EAI

BPM
Enterprise Application Integration
Business Process Manag
ement
Für die Unterstützung der Verwaltungs-, Dokumentations- und Archivierungs-aufgaben werden am Markt sehr unterschiedliche Lösungen angeboten, die sich funktional zudem überlappen. Elektronische Archivsysteme decken nicht nur die Anforderungen der Langzeitarchivierung nach Abschluss eines Vorgangs, sondern beinhalten Komponenten für die Zwischenspeicherung, die Erfassung von Daten und Dokumenten und Recherchefunktionen. Anforderungen von Registraturen können sowohl mit elektronischen Archiv- oder Dokumentenmanagementsystemen, als auch mit spezialisierten Records-Management-Systemen abgedeckt werden. Für die Visualisierung von elek-tronischen Akten und Vorgängen können sowohl Dokumentenmanagement-, als auch Enterprise-Content-Management-, Records-Management-, Collaboration-, Workflow- oder Business-Process-Management-Lösungen zum Einsatz kommen. Diese Begriffe sind im Markt nicht eindeutig abgegrenzt. Für die Wahl einer geeigneten Lösung ist es erforderlich, zunächst eine Übereinstimmung in der Begrifflichkeit der öffentlichen Verwaltung und der am Markt angebotenen Lösungen zu erzielen:
   
 2.
Grundlagen
Für die öffentliche Verwaltung wurden in einer Reihe von Projekten grundsätzliche Konzepte geschaffen, die diese Probleme der Zuordnung durch konkrete funktionale und organisatorische Beschreibungen überwinden sollen. Für das Thema Dokumentenmanagement und elektronische Archivierung sind von besonderer Bedeutung:
   
 ·
das Architekturmodell des KoopA 
(abrufbar unter der URL: 
http://www.koopa.de)
 ·
die Standards und Architekturen für  
E-Government Anwendungen (SAGA) 
(abrufbar unter der URL: 
http://kbst.bund.de)
 ·
das E-Government Handbuch des BSI 
(abrufbar unter der URL: 
http://www.bsi.bund.de)
 ·
das DOMEA-Konzept 
(abrufbar unter der URL: 
http://www.kbst.bund.de)
 ·
der Einsatz von XML-Standards für die öffentliche Verwaltung 
(abrufbar unter der URL: 
http://www.kbst.bund.de)
Im Folgendem wird auf das DOMEA-Konzept eingegangen, das die Grundlage für den Einsatz von elektronischen Archiv- und Dokumentenmanagementsystemen in der öffentlichen Verwaltung abdeckt.
   
 3.
DOMEA
Das Vorhaben DOMEA (Dokumentenmanagement und elektronische Archivierung im IT- gestützten Geschäftsgang) geht zurück auf mehrere Aktivitäten im Jahre 1996 zur Standardisierung der IT- Verfahren in den Bereichen Organisation und Personal mit dem Ziel die Anzahl der Bundesbehörden zu verringern und diese zu straffen. Dabei wurde die rein manuelle Bearbeitung von Dokumenten und Vorgängen als Hemmnis für effizientes Verwaltungshandeln eingestuft. Die Vorteile für den Anwender sollten in einem vereinfachten Zugriff auf Dokumente und deren Bearbeitungsinformationen liegen.
Die Federführung für dieses Vorhaben lag (und liegt) bei der KBST (Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik in der Bundesverwaltung im Bundesministerium des Innern) als verfahrensverantwortliche Stelle im BMI (Bundesministerium des Innern).  Um die Einflüsse der Unterstützung der manuellen Tätigkeiten durch elektronische Medien zu untersuchen, war eine umfangreiche Konzeptionsphase erforderlich, in der die organisatorischen Anforderungen beleuchtet wurden.  Danach sollte ein Pilotsystem beschafft werden, an dem die organisatorischen Konzepte im Wirkbetrieb erprobt und eine Empfehlung für ein technisches System erstellt werden konnten. Der Fokus lag daher primär auf Anforderungen aus den Reihen der Bundesbehörden.  Dieses System sollte nach dem „Einer-für-alle Prinzip“ auf andere Bundesbehörden übertragbar werden.
Dazu wurde ein modulares Vorgehens- und Produktkonzept erarbeitet, in dem Softwarefunktionen als schrittweise einführbar und verwendbar geplant wurden.  Es sollten dabei Arbeitsweisen von einer papiergebundenen Bearbeitung mit Erfassung der Metadaten bis hin zu einer komplett elektronischen Bearbeitung in einer elektronischen Akte inkl. Scannen von Papierdokumenten möglich sein.  
   
 3.1.
Wesentliche Inhalte von DOMEA
Generell ist zwischen der Bezeichnung DOMEA für das Konzept und dem Produktnamen DOMEA® zu unterscheiden. Dies führte und führt zu wesentlichen Missverständnissen. In diesem Artikel ist mit DOMEA immer das Konzept gemeint, wenn nichts anderes vermerkt ist. Um dem unterschiedlichen Unterstützungsbedarf der Anwender nachzukommen, wurden drei verschiedene Nutzungsarten definiert.
   
 ·
Registratursystem 
Papiergebundene Bearbeitung und Nutzung für Recherche
 ·
Elektronische Aktenablage 
Posteingang elektronisch, Bearbeitung außerhalb des System, Nachscannen außerhalb erzeugter Dokumente
 ·
Vorgangsbearbeitungssystem 
Vollständige elektronische Bearbeitung von der Erstellung bis zur Zeichnung des Dokumentes einschließlich aller Verfügungen und Kenntnisnahmen
Dabei ist zu beachten, dass die Lösungen modular alle drei Komponenten des DOMEA-Konzeptes abdecken sollen.
Um eine schrittweise Implementierung in den Behörden zu ermöglichen, sollte je nach Ausrichtung eine der geplanten Nutzungsarten von den Behörden ausgewählt und anhand eines Handlungsleitfadens eingeführt werden.
   
 3.2.
Ursprüngliches DOMEA-Auswahlverfahren
Aufgrund des erarbeiteten Anforderungskataloges  wurde 1997 eine beschränkte Ausschreibung mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb durchgeführt. Der Anforderungskatalog sollte es ermöglichen, die für die Behörden benötigten Funktionen zu beschreiben und für den Systemanbieter zu definieren. An dem Ausschreibungsverfahren beteiligten sich 50 Unternehmen, jedoch konnten nur vier auswertbare Angebote berücksichtigt werden. Die Bewertung der Systeme wurde nach den beantworteten Unterlagen und aufgrund der von den Anbietern durchgeführten Präsentationen vorgenommen, innerhalb welcher sich am Geschäftsgang orientierende Szenarien abgebildet werden mussten. Dies sollte einen konkreten Vergleich der Lösungen ermöglichen.
Um die Praxisfähigkeit des Systems zu testen und organisatorische Erfahrungen zu sammeln wurde im September 1997 der Wirkbetrieb innerhalb der KBST aufgenommen. Dabei wurden die Inhalte des bisher vorhandenen Schriftgutverwaltungssystems (SVGS) in SINAD’97 übertragen und nur noch dort verwaltet. Da eine stichtagsbezogene Ablösung der Papierakten als nicht praktikabel eingestuft wurde, entschied man sich für einen sukzessiven Aufbau der elektronischen Akte. Dabei wurden zunächst alle, die den Informationsverbund Bonn- Berlin (IVBB) und den  Interministeriellen Koordinierungsausschuss für Informationstechnik (IMKA) betrafen, elektronisch geführt.
Der Pilotbetrieb sollte bis Ende Q1/1998 im KBST mit den Ergebnissen aus dem Pilotbetrieb, der Empfehlung einer technischen Lösung, Aussagen zur Wirtschaftlichkeit, einem Handlungsleitfaden etc. abgeschlossen werden.
Ziel der Pilotierung und Konsequenz des „Einer-für-Alle-„ Prinzips war der Abschluss eines Rahmenvertrags mit dem Lösungsanbieter.  Aus diesem Rahmenvertrag sollten sich die Behörden die erforderlichen Lizenzen beschaffen können.
   
 3.3.
DOMEA-Zertifizierungsverfahren
Während bei den ersten Lösungen noch der Abschluss eines Rahmenvertrages vorgenommen wurde, ist seit der Version 1.2 ein Wettbewerb für alle interessierten Anbieter möglich. Diese Anbieter können auf Antrag ihre Lösungen überprüfen und zertifizieren lassen. Die Zertifizierung von Systemen auf DOMEA- Konformität wird durch akkreditierte Prüfstellen (Infora, BearingPoint, Capgemini) im Auftrag der KBST durchgeführt. Als Grundlage dazu wird der Anforderungskatalog in der zu diesem Zeitpunkt gültigen Version verwendet. Die einzelnen Funktionen werden geordnet nach Hauptgruppen, Untergruppen und Funktionen kontrolliert und bewertet. Für eine Zertifizierung müssen 60% der maximalen Gesamtpunktzahl erreicht werden.
Durch diese Vorgehensweise steht im Gegensatz zum früheren Vorgehen mit der Vereinbarung von Rahmenverträgen eine größere Auswahl von im Markt verfügbaren Lösungen zur Verfügung, die konzeptkonform sind. Die Zertifizierung ist von einem späteren konkreten Vergabeverfahren getrennt.
Bei konkreten Beschaffungsvorhaben kann die Vielfalt dazu führen, dass alle Anbieter für eine Realisierung in Betracht kommen, bzw. nach Überprüfung der Anforderungen nur eine Teilmenge übrig bleibt.
Der Kriterienkatalog erleichtert auch die Bewertung der Angebote in einem normalerweise beschränkten Ausschreibungsverfahren bzw. nichtöffentlichen Verfahren mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb.
Der aktuelle Stand der zertifizierten Produkte kann auf der Webseite der KBST (www.kbst.bund.de) eingesehen werden.
   
 3.4.
DOMEA 2.0
Das Organisationskonzept wurde u.a. aufgrund der Erfordernisse aus Kommunen und Länderebene überarbeitet. Das Organisationskonzept orientiert sich mehr an ablauforganisatorischen Fragestellungen im Geschäftsgang und berücksichtigt nun besser die unterschiedliche Ausprägung von strukturierten und unstrukturierten Prozessen. Dies wird insbesondere durch die Zusammenfassung wesentlicher Elemente des Geschäftsganges zu ablauforganisatorisch zusammenhängenden Prozessschritten geleistet.
Als zentrale Änderung zum Anforderungskatalog 1.2 ist neben den unten genannten Einflüssen die Abkehr von der  der klassischen Dreiteilung in Registratur, elektronische Ablage und Vorgangsbearbeitung für die Einführungsphase zu sehen.  Die Orientierung an diesen Einführungsschritten ist entfallen.
Weiterhin wurde versucht, die zahlreichen Praxiserfahrungen aus bisherigen DOMEA Projekten zu berücksichtigen.  Dabei wurde sich in der Vergangenheit nicht nur im Bereich der Bundesbehörden an DOMEA orientiert, sondern auch bei Landesbehörden, Kommunen und anderen öffentlichen Stellen. Daher wurden auch Anforderungen, die gerade aus den Verwaltungen auf Länder- und Kommunalebene eingebracht wurden,  berücksichtigt.
Die Weiterentwicklung des organisatorischen Konzeptes führte zwangsläufig zu einer Weiterentwicklung des Anforderungskataloges. Der ehemalige Anforderungskatalog wurde 2001 in die Version 1.2 überführt. Um die Anforderungen den Gegebenheiten weiter anzupassen, hat die KBSt sich entschlossen, einen neuen Anforderungskatalog 2.0 zu erstellen. Aufgrund der geänderten Anforderungen unterscheidet sich dieser im Aufbau wesentlich von der Version 1.2. Der Geschäftsgang wird für die Version 2.0 nach ablauforganisatorischen Aspekten beschrieben. Während im Katalog der Version 1.2 die Hauptgruppen System- und Unternehmensdarstellung, Registratur, Aktenbestand, Vorgangsbearbeitung, Ablagestruktur, Archivierung, Administration, Systemtechnische Anforderungen und Einführungshilfen beurteilt wurden, wurde diese Struktur in der Version 2.0 in Eingang, Bearbeitung, Ausgang, Archivierung, Softwareergonomie, Technische Anforderungen, fachliche und technische Administration geändert. Durch diese Änderung wurde der Aufbau innerhalb der Hauptgruppen des Kataloges verändert und es wurden wichtige Bereiche wie z.B. Softwareergonomie als neue Hauptgruppe mit aufgenommen.  
Des weiteren sind die folgenden Erweiterungsmodule mit aufgenommen worden, die in Hinweisen im Anforderungskatalog enthalten sind:
   
 ·
Datenschutz
 ·
Archivierung
 ·
Behördenübergreifende Prozesse
 ·
Scannen
 ·
Anbindung von Fachverfahren
 ·
Vorgangsbearbeitungssysteme und Content Management Systeme
 ·
Vorgangsbearbeitungssysteme und Formularmanagementserver
 ·
Vorgangsbearbeitungssysteme und Zahlungsverkehrsplattform
 ·
Vorgangsbearbeitungssysteme und Virtuelle Poststelle
Durch einen Erstellungsprozess mit 2 Vorversionen (0.9a und 0.9b) wurde versucht, Behörden und Hersteller bei der Definition bereits sehr früh einzubinden.
In den Anforderungskatalog haben dabei verschiedene Entwicklungen und Standards wie SAGA (Standards und Architekturen in E-Government- Anwendungen) und MoReq (Model Requirements for the Management of Electronic Records) Einzug erhalten. Während SAGA die technischen Rahmenbedingungen für Entwicklung, Kommunikation und Interaktion der IT-Systeme der Bundesbehörden beschreibt, werden in MoReq die funktionalen Anforderungen zur Verwaltung elektronischer Akten europaweit definiert und bereits in einigen Staaten national genutzt. Darüber hinaus sind Anforderungen aus dem Bundesbehindertengleich-stellungsgesetz und der zugehörigen Rechtsverordnung (BITV Barrierefreie Informationstechnik Verordnung) berücksichtigt worden, die insbesondere Menschen mit Sehstörungen die Nutzung erleichtern sollen. Dies soll auch für Mitarbeiter der Behörden gelten.
Einen weiteren wichtigen Einflussfaktor auf den DOMEA-Anforderungskatalog 2.0 hat das sog. eGovernment-Handbuch des BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik). Mit diesem Handbuch soll die Einführung von EGovernment für die Behörden erleichtert werden und der Stellenwert als Teil der Verwaltungsmodernisierung definiert werden. Insbesondere die Bereiche Datenschutz, Rechtliche Rahmenbedingungen und Barrierefreiheit aus dem eGovernment- Handbuch haben Einzug in das Konzept 2.0 erhalten.
Auch der mittlerweile fortschreitende Einsatz der elektronischen Signatur wurde im Anforderungskatalog berücksichtigt.
   
 4.
Favorit im Licht von DOMEA
Aufbauend auf dem Konzept des papierarmen Büros wurde unter Federführung des Bundesverwaltungsamts die Lösung FAVORIT entwickelt. (Flexibles Archivierungs- und Vorgangsbearbeitungssystem im IT-gestützten Geschäftsgang).
Favorit ist als Musteranwendung anzusehen, die ehemals neben dem Produkt DOMEA der Firma CSE und VISkompakt von PDV als ein Ansatz realisiert wurde. Mit PARO (Papierarmes Büro) hat das BMI 1999 ein Projekt ins Leben gerufen, dass unter anderem die auf die beiden Lokationen Bonn und Berlin verteilten Arbeiten durch effizienteren Dokumentenaustausch unterstützen und erleichtern sollte.  Im Rahmen des Projektes PARO ( Papierarmes Büro ) wurde im BMI untersucht, welches der drei oben genannten Produkte sich für einen flächendeckenden Einsatz innerhalb des Ministeriums eignet und welche Unterschiede zwischen den Lösungen bestehen.
Mittlerweile existiert FAVORIT in mehreren Versionen. Die zur Zeit aktuelle Version 3.1 basiert auf Komponenten der Firma COI. Die Version 3.1 wurde von den Zertifizierungsstellen im Mai 2003 auf DOMEA- Konformität überprüft und erhielt das Zertifikat.
Um eine Unabhängigkeit vom DRT- System- Anbieter zu erreichen, ist eine neue Version von Favorit in Arbeit. Zukünftig wird FAVORIT als Version 4.0 in einer modernen Architektur basierend auf Standards wie J2EE und mit offenen Schnittstellen zur Verfügung stehen. Die konkrete Umsetzung der Version 4.0 wird zunächst auf Basis von Documentum 5i vorgenommen. Die Fertigstellung ist für Anfang 2005 geplant.
Favorit ist gemäß den so genannten „Kieler Beschlüssen“ für Behörden kostenfrei beziehbar. Die darunter liegende Kernsoftware ist jedoch lizenzpflichtig.
Die Problematik für die Anwender der Favoritlösungen liegt in der technischen Inkompatibilität der Produkte der einzelnen Versionen. Die Migration von der Version 3.1 auf die Version 4.0 ist ein bis jetzt ungelöstes Problem. Auch auf der letzten Tagung auf dem Petersberg lag dazu noch kein verabschiedetes Konzept vor. Wie aus Stimmen des Marktes zu entnehmen ist, scheint auch die Fertigstellung der Version 4.0 für das Systemhaus Gedas eine sehr sportliche Aufgabe darzustellen.
   
 5.
Politische Einflüsse
Auch die Politik hat die Möglichkeiten und Chancen durch den Einsatz elektronischer Medien erkannt. Der Einsatz einer Kosten- Leistungs- Rechnung und die Effizienz einzelner Behörden- und Behördenteile soll transparenter werden.  Die Politik kümmert sich zunehmend intensiver um diesen Bereich. Im Rahmen einer großen Anfrage wurde z. B. im Oktober 2004 von der FDP nach der Koexistenz von Favorit- und DOMEA-. Installationen in unterschiedlichen Ministerien gefragt, da z.B. im Bundesjustizministerium DOMEA eingesetzt wird, während im Bundesverwaltungs-amt FAVORIT zum Einsatz kommt.  Die Verwendung unterschiedlicher Lösungen ist den Politikern nicht eingängig. Gerade in Zeiten enger werdender Haushaltsmittel ist es unverständlich, warum verschiedene Lösungen nebeneinander eingesetzt werden.
   
 6.
DOMEA im Licht europäischer Entwicklungen
Auch außerhalb der Bundesrepublik versuchen die Verwaltungsorgane ihre Effizienz durch elektronische Systeme zur Aktenführung und Vorgangsbearbeitung zu steigern. In der Schweiz und in Österreich existieren dazu ähnliche Ansätze, wie in Deutschland mit DOMEA.
In der Schweiz werden die Aktivitäten unter dem Namen Geschäftsverwaltung (GEVER) gebündelt. GEVER unterscheidet die Anwendungsfelder Geschäfts-kontrolle, Prozessführung und Records Management. Unter Geschäftskontrolle ist dabei die Überwachung von Bearbeitungsstati, Termin etc. gemeint. Die Zuweisung, Ausführung und Nachverfolgung von Vorgängen wird unter Prozessführung zusammengefasst. Records Management umfasst in diesem Kontext die Aktenführung. Dabei orientiert sich GEVER für den Bereich Records Management an der ISO 15489.
In der Schweiz wurde das Produkt eGOV-Suite von Fabasoft als Standardprodukt definiert
In Österreich wurde 1998 mit der Einführung der elektronischen Akte, damals noch unter dem Stichwort „Kanzlerinformationssystem“ begonnen. Mittlerweile werden die Definitionen unter dem Namen ELAK (Elektronischer Akt)  geführt. Es wurde ein abstraktes Funktionsmodell erarbeitet, dass mit den Erkenntnissen aus den Projekten weiterentwickelt werden soll. Zur Zeit sind ELAK-Lösungen im österreichischen auswärtigen Amt und im Kanzleramt flächendeckend im Einsatz.
Zwischen den Aktivitäten der Schweizer „Informatikstrategieorgan Bund- ISB“ , der österreichischen „Stabsstelle IKT- Strategie des Bundes“ und der „KBST“ werden seit 2001 Abstimmungen vorgenommen, die zur inhaltlichen Harmonisierung dienen sollen. Dabei soll primär ein gemeinsames Grundverständnis erzeugt werden und eine weitgehende Orientierung an internationalen Standards erreicht werden. Des weiteren soll damit das gegenseitige Partizipieren der Einführungserfahrungen unter den Ländern ermöglicht werden.
Als eine konkrete Aufgabe ist 2002 im Rahmen eines Workshops die Definition einer Standard- Dokumentenschnittstelle vereinbart worden.
In den Aktivitäten der drei Länder findet sich auch die Ausrichtung an MOREQ wieder, mit deren Hilfe die Umsetzung des E-Governments unterstützt werden soll. Moreq geht auf eine Initiative der europäischen Kommission zurück, in der 390 funktionelle Anforderungen und ein Metadatenmodell definiert sind. Entwickelt wurde es vom DLM- Forum, einem Zusammenschluss von europäischen Spezialisten aus den Bereichen Archivierung, Records Management und Informationsmanagement .
Moreq ist daher nicht als Alternative oder Widerspruch zu DOMEA einzustufen, sondern als eine im DOMEA Konzept berücksichtigte Normierung.
   
 7.
Grundsätzliche Probleme
Der Anforderungskatalog zu DOMEA nimmt auch in der neuen Version keine Festlegung eines technischen Standards vor. Es wird eine Beschreibung von Funktionen vorgenommen. Der Vergleich von Funktionen erfolgt auf einer organisatorisch fachlichen Ebene. Dadurch sind technische Fragestellungen und Implementierungsfragen aus einer Produktbewertung ausgeblendet. Fragen der Migration bzw. Interaktion von zwei Systemen unterschiedlicher Anbieter sind konzeptseitig nicht geplant. Daher werden Schnittstellen und technische Kopplungen zwischen den Systemen wesentlich erschwert.
Die zertifizierten Produkte bauen zum Teil auf sehr unterschiedlichen Architekturen und Produktkonzepten auf. Die Datenstrukturen und Ablagestrukturen der Produkte sind untereinander nicht kompatibel. Auch für die technische Realisierung der Aktenstrukturen in Datenbanksystemen existieren keine Festlegungen.  Die Generierung von  Schnittstellen zu Fachapplikationen ist daher jeweils individuell zu realisieren. Dies hat zur Folge, dass diese spezifischen Anpassungen und Funktionserweiterungen zwischen den Produkten nicht austauschbar sind. Anpassungen sind für jedes Produkt individuell durchzuführen und generieren projektspezifische Zusatzaufwände.
Die Möglichkeit zum Dokumenten/Vorgangsaustausch zwischen Behörden bzw. Systemen ist jedoch als wichtige Funktion erkannt worden. Daher wird versucht, den Bereich des Dokumentenaustausches zwischen den einzelnen Systemen, durch eine Standardisierung der Metadaten an Dokumenten (XDOMEA-Akte) zu ermöglichen und dies auch auf Vorgänge auszuweiten (XDOMEA-Vorgang).
Die Erfahrungen der einzelnen Entwicklungen von DOMEA sind in der Schriftenreihe der KBST dokumentiert (abrufbar unter der URL: 
http://www.kbst.bund.de/-,176/DOMEA-Konzept.htm).
Im Folgenden sollen entsprechend dem am Markt angebotenen Systemen die wesentlichen Produktkategorien „Elektronische Archivierung“, „Records Management“ und Dokumentenmanagement“ dargestellt werden.
(Anm.d.Red.: Der Artikel wird im nächsten Newsletter fortgesetzt.)
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