20050720 \  In der Diskussion \  Dokumentationspflichten
Dokumentationspflichten
Das Stöhnen bei den Unternehmen ist nicht zu überhören. Vielfältigste Dokumentations- und Auskunftspflichten – unproduktiv, zeitraubend – beschäftigen in Großunternehmen ganze Abteilungen und den Kleinunternehmer am Wochenende. Die Bereitstellung von Zahlen und Nachweisen für Statistiken, Finanzämter, Versicherungen, Aufsichtsbehörden usw. führt zu einer nachhaltig negativen Haltung gegenüber den zunehmenden Dokumentationsverpflichtungen. Diese haben längst die EDV erreicht. Während die Dokumentationspflichten in der herkömmlichen Organisation als „gottgegeben“ hingenommen werden, da wir uns über die Jahre an sie gewöhnt haben, generieren kryptische Akronyme wie SOA, GoBS und GDPdU immer aufs Neue einen Aufschrei. Nur die Welt der Informationsverarbeitung ist keine Insel. Was an Dokumentationspflichten für die Papierwelt gilt, hat per Definitionem auch für die elektronische Welt zu gelten. Unser Problem ist, dass bestehende Gesetze, Verordnungen und Regularien sich bis vor wenigen Jahren an der Papierwelt orientierten. Gesetze und Verfahren die im Kern zum Teil immer noch auf den Code Napoleon zurückgehen, können naturgemäß den Computer noch nicht kennen. Unsere Generation lebt hier in einer Grauzone, wo es gilt, Regularien der Papierwelt adäquat in die elektronische Welt zu übertragen. Hieraus resultiert auch die Unsicherheit, die bei Planung und Betrieb von EDV zu beobachten ist.
In Punkto Dokumentation und Dokumentationspflichten ist ein Umdenken erforderlich. Fast alle Dokumente sind heute „digital born“, elektronisch erzeugt. Der Ausdruck als Papier ist nur noch eine mögliche Form der Repräsentation. Immer mehr elektronische Dokumente sind nicht für einen physischen Ausdruck geeignet und elektronisch signierte Dokumente existieren als Original nur in elektronischer Form. Es geht hier auch um das Thema Gleichbehandlung. Elektronische Dokumentation darf nicht anders gehandhabt werden als die bisherige papiergebundene. Der Gesetzgeber, Verbände und Institutionen arbeiten fieberhaft daran, die notwendigen Voraussetzungen für die vielzitierte Informationsgesellschaft zu schaffen, in der nicht mehr nach den Regeln der alten Welt, sondern nach den Möglichkeiten der neuen Informationswelt gearbeitet wird. Wir kommen also um das Thema Dokumentation nicht herum. Das Umdenken muss sich außer vom Gedanken an lästige Pflichten in Richtung, auf nutzbringende Unterstützung der Geschäftsprozesse wandeln: Informationen aus der Dokumentation auch als Wissen nutzbar machen.
Dokumentationspflichten haben unterschiedliche Aspekte. Generiert durch den Compliance-Hype denkt man zunächst handelsrechtliche und steuerrechtliche Vorgaben wie Sarbanes-Oxley- oder die GDPdU. Dokumentationspflichten betreffen aber auch pharmazeutische Produkte, die Zeichnungen von Maschinen, die Behandlung von Umwelt- und Gesundheitsdaten – Dokumentationspflichten ziehen sich wie ein roter Faden durch alle Bereiche, durch alle Prozesse eines Unternehmens, wie auch als Nachweis der ordnungsgemäßen verwaltungsrechtlichen Handels durch Ämter, Behörden und Ministerien. Ein Großteil möglicher Wertschöpfung und Leistung wird durch Dokumentation aufgefressen. Dies ist der Grund, warum das Thema negativ besetzt erscheint, als notwendiges Übel, das jetzt auch noch auf steuerrelevante Daten, E-Mails und Content übergreift. Hier liegt aber der entscheidende Wendepunkt für das notwendige umdenken! Systeme können uns die Dokumentationspflichten zwar nicht gänzlich abnehmen, aber uns das Leben erheblich einfacher machen. Die Nachvollziehbarkeit von elektronischen Prozessen kann durch Logs gesichert werden, Software kontrolliert, dass die Information am richtigen Speicherort verwaltet und geschützt zur Verfügung gestellt wird. Dokumentation lässt sich hier automatisieren, wenn einheitliche DV-Systeme den Lebenszyklus aller Informationen im Unternehmen kontrollieren können. Gehen wir noch einen Schritt weiter: die Systeme könnten sich auch selbst dokumentieren. Alle Änderungen von Rechten, von Stammdaten, von Dokumentenklassen, Fristen usw., d.h. auch die Veränderung der Systeme selbst, könnten automatisch erfasst und in auswertbarer Form archiviert werden. Warum muss man z.B. beim Thema Verfahrensdokumentation nach GoBS eine separate, manuell zu pflegende  Datenbankanwendung benutzen? Können nicht die Systeme zukünftig selbst alle Veränderungen an Konfigurationen, Rechten und Prozessen selbst dokumentieren? Dies ist eine offene Flanke der IT, die sich über Eigendokumentation mit Versionierung, Historisierung, Nachvollziehbarkeit und Auswertbarkeit wenig Gedanken gemacht haben. Da aber die Anforderungen an die elektronische Dokumentation, Audit-Files, Logs, Posteingangsbücher, Journale etc. steigen, macht es Sinn, hier zentral anzusetzen. Selbstdokumentation von Systemen zu einer Grundforderung zu erheben. Dann wird das leidige Thema Dokumentationspflichten ein Kinderspiel, weil vieles den Systemen selbst überlassen werden kann –zumal diese dies besser können als es mit menschlichen Aufzeichnungen möglich wäre. Dokumentationspflichten müssen positiv als Chance zur Verbesserung der Informationsnutzung und Nachvollziehbarkeit aufgefasst werden. (Kff)
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