Leserbrief von Dr. Michael Wettengel,
Leiter des Referates für digitale Datenbestände im Bundesarchiv und Mitglied mehrerer nationaler und internationaler Gremien zur elektronischen Archivierung.
„Peter Seiler, Leiter Unternehmenskommunikation der GID, stellt in seinem Gastbeitrag („Digitale und analoge Medien, wo geht’s hin...“, siehe Newsletter 20020211Newsletter 20020211) eindringlich die Herausforderungen vor, die die „Digital Preservation“, d. h. die langfristige Erhaltung digitaler Informationen, mit sich bringt. Die Gefahr, dass ein Großteil der gespeicherten Informationen unwiderruflich verloren geht, ist durchaus real. Sein Fazit allerdings, digitale Dokumente parallel in elektronischer Form und als Mikrofilm-Ausdruck zu archivieren, stimmt nachdenklich. Sollte das wirklich die Antwort auf das Pro-blem der Bewahrung des digitalen Gedächtnisses unserer Gesellschaft sein? Die vorgeschlagene Lösung ist in jedem Fall nicht ganz billig und erfordert von der Organisation, die sie umsetzt, erhebliche Investitionen. Außerdem lässt der Beitrag außer Acht, dass sich viele – und zunehmend mehr – digitale Dokumente nicht analog darstellen lassen (beispielsweise multimediale oder verlinkte Dokumente). Auch für die Rechtssicherung – etwa bei digitalen Signaturen – bietet ein Ausdruck keine Lösung. Und die vorgeschlagene Re-Digitalisierung? Sie dürfte nur für begrenzte Mengen von reinen Text-Dokumenten eine realistische Option darstellen. Schon für Datenbanken wäre sie nicht sinnvoll. Die Wissensrevolution und die beispiellose Informationsflut der modernen Informationsgesellschaft bilden die Ursachen für die Probleme der digitalen Archivierung, die zunehmend alle Nutzer der Informations- und Kommunikationstechnik betreffen wird. Wie immer die Lösung dieser Zukunftsaufgabe aussehen wird, sie wird nur dann erfolgreich sein, wenn sie sowohl die qualitativen, als auch die quantitativen Aspekte des Problems angeht. Nicht nur die Zukunftstechnologien von morgen, sondern auch die Lösungswege für die Folgeprobleme werden digital sein müssen.“