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Wikis als Werkzeuge für Wissensmanagement innerhalb von Organisationen
Gastbeitrag von Philipp Neuhaus, Projektleiter Prozess- und Dokumentenmanagement 
GSK Stockmann & Kollegen
 
E-Mail:
neuhaus@gsk.de  
Webseite:
http://www.gsk.de/  
Auszug aus der Diplomarbeit zur Erlangung des akadem
ischen Grades eines Diplom-Dokumentars (FH) am Fachbereich Informationswissenschaften im Studiengang  Dokumentation der Fachhochschule Potsdam. Teil 1 und Teil 2 erschienen  in den Newsletterausgaben 20090226 und 20090325.
Wikis in der Zukunft
Allgemeine Entwicklung
Die Nutzung von Wikis steigt und verändert sich immer weiter und es ist anzunehmen, dass durch weitere Nutzer auch noch weitere praktische Nutzungsmöglichkeiten gefunden werden.1
Es könnte auch gut sein, dass Wikis in der heutigen Form verschwinden, beziehungsweise so stark in andere Anwendungen integriert werden, dass sie nicht mehr als Wiki zu erkennen sind. Bei SharePoint ist das bereits ansatzweise so. Dort ist das Wiki als Web Part in die Seite eingebunden. Bei Wikis, in denen die „Bearbeiten“-Funktion deaktiviert ist, ist der Unterschied zu einer herkömmlichen Webseite kaum zu erkennen. Ein Beispiel, wo die Integration noch weiter fortgeschritten ist, ist der Dienst Google Sites2. In der Beschreibung dieses Angebotes kommt das Wort „Wiki“ überhaupt nicht vor, obwohl es sich dabei um eine Kombination aus Content Management System und Wiki handelt.
Nutzergenerierte Inhalte werden im Internet voraussichtlich eine immer größere Bedeutung haben. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine aktuelle Delphi-Studie3 zum Thema „Zukünftige Informations- und Kommunikationstechniken“. In dieser Studie haben sich Experten zu 35 Zukunftsthesen geäußert. Eine dieser Thesen war: „80 Prozent der Inhalte des Internets werden als nutzergenerierter Content, als Plattformen für Communities und als Online-Foren bereitgestellt.“ 4 Nach Einschätzung von 72 % der befragten Experten soll es bereits im Jahr 2015 (Median) so weit sein. Jedoch sind auch 28 % der Meinung, dass es nie so weit kommen wird. Als hauptsächliches Hemmnis wurde der Datenschutz genannt.
Zusätzliche Funktionalitäten
In Zukunft wird es voraussichtlich möglich sein, dass mehrere Personen gleichzeitig an einer Wiki-Seite arbeiten. Derzeit unterstützen einige Wiki-Systeme lediglich, dass einzelne Absätze auf einer Seite getrennt bearbeitet werden können. Eine simultane Bearbeitung von Inhalten in Wikis ist jedoch nicht möglich. Es gibt allerdings bereits Texteditoren, die kollaboratives Schreiben an ein und demselben Dokument in Echtzeit ermöglichen. 5
Sinnvoll wäre eine erweiterte Unterstützung von Grafiken. Bilder müssten einfacher in den Text eingefügt werden können und einfache Zeichnungsfunktionen sollten im Wiki-Editor integriert sein, so wie es bei Office-Anwendungen längst üblich ist. Wikis wären dann auch geeignet, um gemeinsam komplexe Grafiken, wie Prozessablaufpläne oder Organisationsdiagramme zu erstellen. Für Konstrukteure wäre eine Unterstützung für CAD nützlich, um gemeinsam an verschiedenen Modulen komplexer CAD-Projekte zu arbeiten.
Durch die Weiterentwicklung der Technologien in den Bereichen Data-Mining, Cluster-Bildung und Visualisierung könnte es in Zukunft neue Möglichkeiten geben, um Inhalte in Wikis grafisch darzustellen. Das Ergebnis wären dynamische Wissenslandkarten.6
Automatische Inhaltsanalyse zur Identifikation von Experten
Ein Weg, wie Wikis in Zukunft genutzt werden könnten, wäre die automatische Identifikation von Experten. In so einem System wird Wissen nicht direkt gefunden, sondern der Experte, der darüber verfügt. Ein großer Teil des Wissens ist, wie bereits angedeutet wurde, implizit und am Besten im persönlichen Gespräch zu übermitteln. Dazu muss jedoch erst der passende Experte gefunden werden. Der traditionelle Ansatz, um das zu erreichen, ist, Datenbanken anzulegen, in denen Kompetenzprofile der Experten gespeichert sind. Die Generierung und Pflege dieser Profile ist allerdings aufwändig und schwierig. Es gibt sehr viele unterschiedliche Kenntnisse und Fähigkeiten, die für das Expertenverzeichnis von Bedeutung sein können. Daher haben diese Datenbanken meist entsprechend viele Felder, die möglichst einheitlich ausgefüllt sein sollten. Eine Möglichkeit diese Arbeit zu erledigen wäre, alle Beiträge, inklusive verknüpfter Dokumente, die eine Person in das Wiki einstellt, automatisch zu analysieren und daraus auf das Kompetenzprofil dieser Person zu schließen.
Yang und Soon-Young haben eine Methode entwickelt, um mit Hilfe von automatischen Textanalyse-Verfahren Experten in Wissensmanagement-Systemen zu identifizieren. Das Expertenprofil setzt sich in ihrem Verfahren aus Fachgebieten, in denen sich der Experte auskennt und einer Maßzahl, die den Grad der Expertise in jedem Fachgebiet bestimmt, zusammen. Für die Analyse der Texte wird das Vektorraummodell eingesetzt. Mögliche Alternativen wären Latent Semantic Indexing oder das Bayessche Wahrscheinlichkeitsmodell. Die Maßzahl der Expertise in einem Fachgebiet setzt sich aus einem Zeitfaktor, mit dem gemessen wird, wie aktiv sich der Experte in letzter Zeit mit dem Thema beschäftigt hat, einer Mengenangabe, wie umfangreich die zur Verfügung gestellten Texte waren und einem Relevanzwert, wie genau der Text in das Fachgebiet passt, zusammen. Dazu kommt ein Nützlichkeitsfaktor, der sich aus Bewertungen der Nützlichkeit der vom Experten zur Verfügung gestellten Texte ergibt.7
Für Wikis wäre so eine Inhaltsanalyse auch denkbar. Problematisch wird es allerdings bei Artikeln, die wirklich kollaborativ erstellt wurden, da schwer automatisch zu bestimmen ist, wer welchen Inhalt beigesteuert hat und wer vielleicht nur einen Rechtschreibfehler verbessert hat. Eine Möglichkeit wäre allerdings, alle Seiten analysieren zu lassen auf die, direkt oder indirekt, von der persönlichen Seite eines Mitarbeiters verknüpft wird.
Semantische Wikis
Berners-Lees Vision für das WWW sieht folgendermaßen aus:
Ich habe einen Traum für das Web … und er besteht aus zwei Hälften. 
In der ersten Hälfte wird das Web zu einem wesentlich lei
stungsfähigeren Werkzeug für die Zusammenarbeit von Menschen. Ich habe mir den Informationsraum immer als etwas vorgestellt, auf das jeder sofortigen Zugriff hat, und das nicht nur durchsucht, sondern in dem etwas erstellt werden kann. […]  
In der zweiten Hälfte des Traums erweitert sich die Zusa
mmenarbeit auf Computer. Computer werden in der Lage sein, Daten im Web zu analysieren – Inhalte, Links und Transaktionen zwischen Menschen und Computern. Ein ‚semantisches Web’, das dies ermöglichen sollte, muss sich noch entwickeln. […] Wenn der gesamte Traum einmal verwirklicht ist, wird das Web ein Ort sein, an dem die emotionalen Fähigkeiten eines Menschen und das logische Denken eines Computers in einer idealen, leistungsfähigen Mischung nebeneinander existieren.“8
Die erste Hälfte des Traumes lässt sich mit Wikis und anderen Web 2.0 Anwendungen bereits zum Teil verwirklichen. Auch für die zweite Hälfte des Traums gibt es bereits einen Lösungsansatz: Semantische Wikis. Damit werden einzelne Worte, nicht sichtbar, aber für den Computer lesbar, gekennzeichnet („getagt“). Zum Beispiel werden Namen von Mitarbeitern als Mitarbeiter, Geldbeträge als Geldbeträge oder Firmennamen als Kunden beziehungsweise Lieferanten markiert. Dadurch werden wesentlich leistungsfähigere Recherchen und Analysen möglich.
Nach Einschätzung der Mehrzahl der Experten aus der bereits zitierten Delphi-Studie ist es 2019 so weit: „Über die Hälfte der kleinen und mittelständischen Unternehmen nutzt semantische Techniken, die eine inhaltsbezogene Informationssuche ermöglichen. Dadurch werden sprachlich formulierte Aufgabenstellungen von Maschinen sinnvoll interpretiert und eigenständig umgesetzt.“9 Vor allem technische Probleme, aber auch die hohe Komplexität könnten jedoch nach Meinung von 13 % der Befragten dieses Szenario gänzlich verhindern.10
Für MediaWiki gibt es bereits eine Erweiterung, die semantische Informationen unterstützt. Semantic MediaWiki11 kann kostenlos heruntergeladen und relativ einfach im laufenden MediaWiki installiert werden. Semantic MediaWiki ermöglicht zum Beispiel, dass Seiten Kategorien zugewiesen werden können. So können etwa alle persönlichen Seiten mit [[Kategorie:Mitarbeiter]] gekennzeichnet werden. Daraus könnte MediaWiki eine Liste aller Mitarbeiter erzeugen. In ähnlicher Weise werden Relationen bei Verknüpfungen von Wiki-Seiten untereinander und Daten im Text durch Attribute beschrieben. In der Ausgabe sehen semantisch beschriebene Wiki Seiten nicht anders aus als andere, allerdings werden erweiterte Suchabfragen möglich. Die Suchergebnisse können bei Semantic MediaWiki als Liste, Tabelle oder als Zeitleiste ausgegeben werden. Zusätzlich lassen sich die semantischen Daten in das weit verbreitete Format RDF extrahieren.12
Um eine semantische Nutzung von Informationen zu ermöglichen, sollten zukünftige Wikis generell Formate, wie XML, RDF, OWL und Mikroformate13 unterstützen.
Metaweb
Werden die Konzepte und Technologien vom klassischen Web (Web 1.0), von Social Software (Web 2.0) und vom Semantic Web (Web 3.0) miteinander verknüpft, könnte das eine neue Generation des Webs ergeben: Das Metaweb (Web 4.0).14 Erste konkrete Anwendungen für das Metaweb gibt es auch bereits. Ein Beispiel dafür ist Twine, ein Webservice, mit dem kollaborativ semantisch annotierte Informationssammlungen aufgebaut werden können.16
Die folgende Abbildung zeigt verschiedene Werkzeuge und Konzepte aus dem Web, die in einem Diagramm mit den Achsen Verknüpfungsgrad der Information und sozialer Verknüpfungsgrad eingeordnet sind. Das Diagramm ist in vier Segmente aufgeteilt, die den beschriebenen Webs entsprechen. Das Metaweb ist im vierten Quadranten angesiedelt, wo sowohl Menschen als auch Informationen hochgradig untereinander verbunden sind. Man kann in der Abbildung auch erkennen, dass Wikis in beiden Dimensionen einen ziemlich hohen Konnektivitätsgrad aufweisen.
Metaweb16
 


1
Vgl. Paquet, Sébastien (2006): Wikis in business. In: Klobas, Jane E. (Hg.): Wikis: Tools for Information Work and Collaboration. Oxford: Chandos Publishing Ltd , S. 116.
2
Siehe: http://sites.google.com/ (zuletzt geprüft am 22.02.2009).
3
Vgl. Cuhls, Kerstin; Kimpeler, Simone (2008): Delphi Report: Zukünftige Informations- und Kommunikationstechniken. MFG Stiftung Baden-Württemberg. Stuttgart. (FAZIT-Schriftenreihe, 10). Online verfügbar unter http://www.fazit-forschung.de/fileadmin/_fazit-forschung/downloads/FAZIT_Schriftenreihe_Band_10.pdf.
4
Ebd., S. 135.
5
Siehe z.B.: http://www.subethaedit.de/ (zuletzt geprüft am 22.02.2009) oder http://moonedit.com (zuletzt geprüft am 29.06.2008).
6
Vgl. Schmidt, Tino; Wolff, Christian (2004): Dokumentbezogenes Wissensmanagement in dynamischen Arbeitsgruppen. Text Mining, Clustering und Visualisierung. In: Bekavac, Bernard; Herget, Josef; Rittberger, Marc (Hg.): Informationen zwischen Kultur und Marktwirtschaft. Proceedings des 9. Internationalen Symposiums fur Informationswissenschaft (ISI 2004), Chur, 6.-8.Oktober 2004. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH , S. 317–336.
7
Vgl. Yang, Kun-Woo; Soon-Young Huh (2008): Automatic expert identification using a text categorization technique in knowledge management systems. In: Expert Systems with Applications, H. 34, S. 1445–1455.
8
Berners-Lee, Tim (1999): Der Web-Report. Der Schöpfer des World Wide Webs über das grenzenlose Potential des Internets. Aus dem Amerikanischen von Beate Majetschak. Unter Mitarbeit von Mark Fischetti. München: Econ, S. 229 f.
9
Cuhls, Kerstin; Kimpeler, Simone (2008): Delphi Report: Zukünftige Informations- und Kommunikationstechniken. MFG Stiftung Baden-Württemberg. Stuttgart. (FAZIT-Schriftenreihe, 10). Online verfügbar unter http://www.fazit-forschung.de/fileadmin/_fazit-forschung/downloads/FAZIT_Schriftenreihe_Band_10.pdf, S. 114.
10
Vgl. ebd. S. 114-116.
11
Siehe: http://semantic-mediawiki.org/ (zuletzt geprüft am 22.02.2009).
12
Vgl. Mintert, Stefan; Spanneberg, Bastian (2007): Verstehen, das. Semantische Erweiterungen für MediaWiki. In: iX : Magazin für professionelle Informationstechnik, H. 11, S. 102–105.
13
Siehe: http://microformats.org/ (zuletzt geprüft am 22.02.2009) oder Allsopp, John (2007): Microformats. Empowering Your Markup for Web 2.0. Berkeley, Calif.: Friendsof.
14
Vgl. Spivack, Nova (2004): The Metaweb is Coming… See this Diagram… (Minding the Planet). Online verfügbar unter http://novaspivack.typepad.com/nova_spivacks_weblog/2004/03/the_metaweb_is_.html, zuletzt aktualisiert am 04.03.2004, zuletzt geprüft am 22.02.2009
16
Siehe: http://www.twine.com/ (zuletzt geprüft am 22.02.2009).
16
Quelle: Spivack, Nova (2004): The Metaweb is Coming… See this Diagram… (Minding the Planet). Online verfügbar unter http://novaspivack.typepad.com/nova_spivacks_weblog/2004/03/the_metaweb_is_.html, zuletzt aktualisiert am 04.03.2004, zuletzt geprüft am 22.02.2009
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