Von ECM Enterprise Content Management zu EIM Enterprise Information Management
von Dr. Ulrich Kampffmeyer, Geschäftsführer der PROJECT CONSULT Unternehmensberatung GmbH
E-Mail: Ulrich.Kampffmeyer@PROJECT-CONSULT.com
ECM ist der heute in der Fachwelt gebräuchliche Begriff, der alles abdeckt was irgendwie mit Content und Dokumenten zu tun hat. Das Kürzel ECM und den dazugehörigen Begriff Enterprise Content Management gibt es inzwischen seit 10 Jahren. 1999 positionierte der sich der internationale Dachverband der Branche, die AIIM Association for Image and Information Management international, nach der Übernahme des IMC Verbandes neu. Gesucht war ein Begriff, der einerseits eine Brücke schlug von Archivierung, Dokumentenmanagement und Workflow, den traditionellen Themen der AIIM, zweitens die aktuellen Entwicklungen des Internet, denn das Web begann das klassische Dokumentenmanagement zu überholen, und drittens eine einprägsame Formel zu finden, die dem Management der Anwender die Bedeutung des Thema klarmacht – also in etwa wie die Trendthemen zur Jahrtausendwende: ERP, CRM und CMS. Der Begriff Enterprise sollte deutlich machen, das es sich um ganzheitliche Lösungen für alle Bereiche des Unternehmens dreht, die mindestens genauso wichtig sind wie ERP. Der Begriff Content sollte verdeutlichen dass es nicht mehr nur um Dokumente geht sondern beliebige Formen von elektronischer Information wobei Content die Verbindung zu Web, WCM und Internet bringt. Um den Begriff Management kommt man nicht herum denn in erster Linie geht es immer noch um das Verwalten von Information und Content Management schließt nahtlos an Document Management an.
Die Definition von ECM
In den letzten 10 Jahren hat sich die Definition von ECM Enterprise Content Management mehrfach aber meistens nur leicht geändert. Sie umfasst die wichtigsten Hauptkomponenten von Lösungen zur Erfassung, Verwaltung, Erschließung, Speicherung, Bereitstellung und Archivierung von Informations-objekten. Die aktuelle Definition lautet:
„Enterprise Content Management (ECM) is the strategies, methods and tools used to capture, manage, store, preserve, and deliver content and documents related to organizational processes. ECM tools and strategies allow the management of an organization’s unstructured information, wherever that information exists.“
Der Fokus lag dabei zunächst auf unstrukturierten oder schwach strukturierten Dokumenten, hat sich aber durch den Technologiewandel inzwischen universeller für alle Formen und Typen elektronischer Information aufgestellt. Diese Informationsobjekte können gescannten Papierdokumente, E-Mails, elektronische Dokumenten aus der Office-Welt, digitale Bilder, Web-Inhalte, Multimedia-Informationen, Datensätze aus Datenbanken, Listen aus Anwendungen, SMS oder Twitterfeeds sein
Ein Grundprinzip von ECM, das sich bereits in frühen Grafiken aus Jahr 2000 findet, ist der Ansatz, strukturierte Informationen und unstrukturierte Informationen zusammenzuführen und gemeinsam zu verwalten. Eine wesentliche Komponente war daher auch immer das universelle, einheitliche Repository für alle Formen von Daten und Informationen.
In dem Maße, wie sich der Markt veränderte und neue Komponenten für die Informationsverwaltung den ursprünglichen Kanon der ECM-Funktionalität ergänzten – E-Mail-Management, Digital Asset Management, Wiki, Teamroom, usw. – wurde das Spektrum von Enterprise Content Management kontinuierlich erweitert und angepasst. Dennoch gab es vermehrt kritische Stimmen, die ECM ganz anders definieren – oder ECM gleich den Geschichtsbüchern hinterlassen wollten.
ECM 2.0 & E 2.0
Die Web-2.0-Welle schwappte auch auf das Thema ECM über. Im Jahr 2007 konnten es sich zwei Anbieter von Enterprise-Content-Management-Produkten nicht verkneifen, die Ziffern 2.0 auch an das Akronym ECM zu hängen. Wahrscheinlich kam EMC Documentum zuerst auf die Idee und proklamierte den Produkt-Launch der Version D6 unter dem Motto „ECM 2.0“. Kurz darauf tauchte ECM 2.0 dann ebenfalls in Deutschland als Motto eines Kongresses auf – Saperion benutzte die 2.0 ambivalent um einerseits auf Neuheiten hinzuweisen, andererseits aber auch der zum zweiten Mal durchgeführten Veranstaltung eine Kennzeichnung zu geben – so zumindest die „offizielle Erklärung“. Da es im Markt für Informationsmanagement keinen Mangel an neuen Slogans, Abkürzungen und Drei-Wort-Kombinationen gibt, erregte ECM 2.0 auch wenig Aufsehen und war im Jahr 2008 schon wieder verschwunden. Der technologisch geprägte Ansatz war deshalb nicht von Erfolg gekrönt, da die kommunikative und kulturelle Komponente von Web-2.0 noch nicht mal ansatzweise ins Gesichtsfeld kam – und damit fehlte außer vielen funktionalen Ansätzen von Anfang an der Geist von ZweiPunktNull. Aber auch bei den funktionalen Aspekten blieb es beim Stückwerk, wobei sich redundante Funktionalität – wie z.B. Blog, Forum und Wiki für den gleichen Einsatzzweck – selbst im Wege stand. Nimmt man sich einfach einmal einen Katalog von Web-2.0-Funktionalität zur Hand, so zeigte sich, dass überhaupt nur wenige Funktionsgruppen wie Wikis, Blogs, Foren, RSS, Favoriten, Communities, Tagging, Folksonomy, Mashup und andere aufgegriffen und in die Clienten eingebunden wurden. Schwerpunkt der Adaptionen in den ECM-Umgebungen war, neue Benutzerinterfaces und neue Collaborations-Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, an die sich zumindest die jüngere Generation von Mitarbeitern in den Unternehmen bereits gewähnt hat. Gern wurde auch gleich noch Enterprise Search mit in diesen Topf geworfen, obwohl hier kaum eine direkte Beziehung zum eigentlichen Web-2.0-Gedanken bestand – schließlich gibt es Google schon länger. Auch Team-Rooms und andere kollaborative Ansätze mussten für 2.0 herhalten, wenn man sie nicht gleich wieder dem Wissensmanagement zuschlug Auch mussten die Anbieter feststellen, dass die schönen neuen Web-Technologien für Dokumenten-orientierte Lösungen unerwartete Schwierigkeiten mit sich brachten. Web 2.0 ist nicht auf Integrität, Konsistenz oder gar revisionssichere Archivierung ausgelegt! Betrachtet man einfach nur einmal das „Einfrieren“ eines Wikis mit dynamischen Links und Historie als Dokument, oder eine personalisierte Oberfläche, oder einen Blog, oder, oder, oder. Herkömmliche Dokumente existieren im Web 2.0-Umfeld kaum – oder es sind halt herkömmliche verlinkte Standardformattypen wie PDF - und dafür braucht man kein ECM 2.0. ECM 2.0 war so von vorneherein zur Erfolgslosigkeit verdammt. Während im Web dynamisch und unter Einsatz tausender Ressourcen eine Web-2.0-Anwendung nach der anderen aus den Kabeln schoss, blieb die Adaption bei Enterprise Content Management einfach in der Mächtigkeit der Anwendungen und der Betulichkeit der Anbieter stecken.
Einige große ECM-Anbieter versuchten daher sich gleich ganz vom ECM-Gedanken zu verabschieden und propagierten Enterprise 2.0 – E2.0. Moderne Anwendungen mit viel Web-2.0-Kosmetik und ein wenig ECM als Infrastruktur sollen den großen Bereich der Unternehmenssoftware aufrollen.ECM spielt hier an der Benutzeroberfläche keine Rolle mehr, Enterprise Content Management ist zu Infrastruktur und Diensten in SOA-Architekturen reduziert. So zumindest diejenigen Anbieter, die jetzt kollaborative Aspekte in den Vordergrund stellten wie z.B. IBM.
Angesichts des E-2.0-Hype muss man sich jedoch fragen, ob das Aufgehen in diesem Trend die wahre Zukunft für Enterprise Content Management ist. Andere Verfechter der Vision eines einheitlichen und übergreifenden Informationsmanagements sehen die Zukunft von ECM eher bei EIM.
EIM Enterprise Information Management als logische Fortführung von ECM
EIM Enterprise Information Management hat das Zeug zum neuen Modewort. Es ist die logische Weiterführung des Begriffes ECM Enterprise Content Management. ECM selbst sieht sich schließlich seit Anbeginn in der Rolle, schwach strukturierte, unstrukturierte und strukturierte Informationen ganzheitlich zusammen zuführen. Man kann also in Bezug auf ECM mit dem Auftauchen von EIM von einer „selbsterfüllenden Prophezeiung“ sprechen. ECM macht sich mit Erreichen seiner Ziele selbst obsolet und ebnet den Weg zu EIM. Das Problem von EIM liegt jedoch darin, dass der Begriff Information Management selbst zu weit gefasst ist, eigentlich alles umfasst was wir mit Informationen tun.
EIM Definitionen aus den USA
Natürlich ist der Begriff nicht neu. Er taucht in den USA ab dem Jahr 2006 vermehrt auf. Besonders Analysten und große Anbieter nahmen sich damals bereits des Begriffes an. Forrester (Januar 2006) und Gartner (Juni 2006) definieren EIM Enterprise Information Management jedoch sehr eingeschränkt als Kombination von ECM Enterprise Content Management:
“Enterprise information management is the name for the field that combines business intelligence (BI) and enterprise content management (ECM).
Enterprise information management (EIM) takes these two approaches to managing information one step further, in that it approaches the information management discussion from an enterprise perspective.
Where BI and ECM respectively manage structured and unstructured information, EIM does not make this rather "technical" distinction. It approaches the management of information from the perspective of enterprise information strategy, based on the needs of information workers.
ECM and BI in a sense choose a denominationalised approach, since they only cover part of the information within an organization. This results in a lack of avail-able information during decision making processes, market analysis or procedure definition.”
Hier kann man nur feststellen – zu kurz gesprungen. EIM Enterprise Information Management ist deutlich mehr!
PROJECT CONSULT EIM Definition 2008
Versuchen wir es mit einer eigenen Definition:
„EIM Enterprise Information Management steht für die ganzheitliche Verwaltung aller Informationen im Unternehmen, unabhängig von Ort, Nutzer, Autor, erzeugenden System, Anwendung, Format, Device und Zeit.
EIM vereint hierzu funktionale Ansätze von Enterprise Content Management, Business Process Management, Enterprise Search, Business Intelligence, Governance-Risk-Compliance Management Infrastructure, Data Warehousing und Information Lifecycle Management.“
Nachdem wir alle derzeitig verfügbaren wichtigen Akronyme und Schlagworte verbraucht haben, wollen wir einmal versuchen eine Reihe von Charakteristika herauszuarbeiten, die EIM vom vorangegangenen ECM unterscheiden.
Grundlagen von EIM Enterprise Information Management
Wesentliche Grundlagen von Enterprise Information Management – zusätzlich zu den herkömmlichen Komponenten und Ansätzen von ECM - sind:
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| · | Einheitliches und übergreifendes Master Data Management, Adressmanagement und Berechtigungsmanagement |
| · | Übergreifend nutzbare Informationsrepositories |
| · | Verbindung von Anwendungen mit gemeinsamer Nutzung und Verwaltung von Daten |
| · | Nutzung von Diensten, die eine gleiche Funktion einmal und allen Anwendungen zur Verfügung stellen |
| · | Durchgängige End-to-End Prozesse - ohne Medienbrüche, transaktions-gesichert und durchgängig protokolliert |
| · | Zentralisiertes Management aller Komponenten, Einstellungen, Parameter und Konfigurationen |
| · | Sichere, plattform- und anwendungsunabhängige Verwaltung aller übergreifend genutzten Daten und Informationen |
| · | Durchgängige IT-Governance über alle beteiligten Systeme und Prozesse |
| · | usw. |
Die Liste ließe sich noch beliebig fortsetzen.
EIM Enterprise Information Management -
Eine ständige Herausforderung für den CIO
Aus dem neuen übergreifenden Spektrum von EIM ergeben sich auch zusätzliche Anforderungen an die CIOs, die Chief Information Officers in den Unternehmen:
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| · | Durchgängige Governance im Unternehmen, die IT-Governance als strategische Komponente ein-schließt |
| · | Entwicklung von langfristig stabilen IT- und Informationsarchitekturen zur Sicherstellung der Informationsnutzbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens |
| · | Ständige Überprüfung der IT-Strategie in Bezug auf notwendige Anpassungen, Verfügbarkeit und Informationsqualität |
| · | Bereitstellung einer einfach anzupassenden, standardisierten IT- und TK-Infrastruktur |
| · | Optimierung der IT-Landschaft durch Vermeidung heterogener Ansätze, Sicherstellung eines einheitlichen Betriebs und Erreichung größtmöglicher Transparenz |
| · | Präventive, getestete Fallback-, Ausfall- und Migrationsverfahren zur Sicherstellung der Business Continuity |
| · | Umsetzung von Governance-, Risk-Management- und Compliance-Anforderungen durch geeignete, unterstützende IT-Systeme |
| · | Wandel von der Reaktion auf die Veränderung des IT-Marktes und neue Anwenderanforderungen hin zur aktiven, antizipierenden Gestaltung des Informationsmanagements |
So gesehen setzt EIM zwar auf bestimmten Anforderungen und Prinzipien von ECM auf, ist jedoch wesentlich weiter gefasst. Und eine weitere Brücke lässt sich schlagen, die sich aus den oben genannten Anforderungen ergibt – Enterprise Information Management beschäftigt sich ständig mit dem Wandel – in allen Bereichen! So kann denn auch das Akronym ECM weiterverwendet werden – für Enterprise Change Management. Die Auseinandersetzung mit den Veränderungen in Technik, Informationsnutzung, Märkten, Kommunikationen, sozialem Verhalten usw. wird immer die wichtigste Herausforderung für das Informationsmanagement bleiben.