19990409 \  Normen & Standards \  Haben Standards eine Zukunft?
Haben Standards eine Zukunft?
Silversprings. - Die Association for Information and Image Management (AIIM) promoted den Einsatz von Standards im Vorfeld der diesjährigen AIIM-Show & Conference in Atlanta (USA). Die Interoperabilität verschiedener Hersteller wird an den AIIM-Ständen unter Einsatz von ODMA, DMA, und WfMC vorgeführt. (Kff)
  
PROJECT CONSULT Kommentar:
Grund genug für PROJECT CONSULT, als aktives Mitglied in den Standardisierungsgremien die Umsetzung der Standards auf der diesjährigen CeBIT zu hinterfragen. 37 Hersteller wurden bei Standbesuchen zu den wichtigsten ”DMS-Standards” befragt: ODMA (Open Document Management API), DMA (Document Management Alliance), WfMC (Workflow Management Coalition) sowie zusätzlich  XML (Extended Markup Language).
Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
   
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Die potentiellen Anwender interessieren sich kaum für Standards. Lediglich in größeren Ausschreibungen werden Standards abgefragt, aber häufig bei der Realisierung nicht eingefordert. Vorrangige Entscheidungskriterien der Anwender sind Kostenaspekte, Marktpräsenz des Produktes und die optimale Betreuung durch einen Anbieter.
   
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Die Entwicklung von ODMA, DMA und WfMC erfolgt zu langsam und zu weit entfernt vom Marktgeschehen. Die deutschen Anbieter sind kaum in den Gremien vertreten. Bei den internationalen Anbietern handelt es sich häufig nur um ”pro-forma”-Mitgliedschaften. Die Entwicklung in den Gremien wird vorrangig von kleineren Unternehmen und interessierten Einzelkämpfern aus den Entwicklungsabteilungen vorangetrieben.
Die Standards im einzelnen:
   
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Eine strikte Orientierung an internationalen und zukunftsweisenden Standards kann vorrangig bei den kleineren Anbietern beobachtet werden, wohingegen die großen Hersteller - so scheint es zumindest - befürchten, Marktanteile durch zu große Transparenz und Ersetzbarkeit ihrer Produkte zu verlieren.
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ODMA wird von den meisten DMS- und Archivsystemanbietern angeboten, teilweise als zusätzlich berechnete Sonderschnittstelle (z. B. CE AG), also nicht zum Standardlieferumfang gehörend. Die Hauptanwendung dieser Schnittstelle liegt im Umfeld der Anbindung von Office-Produkten. Da Microsoft in seinen neueren Versionen den ODMA-Standard nicht mehr unterstützt, ist seine Zukunft ungewiß. Für den Einsatz mit Browsers und Applets ist dieser Standard wenig geeignet, zu dem die Anbindung von Office-Lösungen an DMS- und Archivlösungen im Internet- und NC-Umfeld noch stark unterentwickelt ist. ODMA spielt bei den Workflow-Anbietern kaum eine Rolle.
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DMA wird auf Grund seiner Komplexität nur von wenigen Anbietern und dies auch nur im Rahmen von Prototypen für die ”AIIM-Interoperability-Workshops” unterstützt. Es gibt vereinzelt auch DMA-kompatible Client-Software, so z. B. von Siemens, Mannheim. Die Chancen für DMA werden als relativ gering eingeschätzt. In der traditionellen Massen-Daten- und Faksimile-Archivierung spielt DMA ebenso wie bei den Workflow-Anbietern überhaupt keine Rolle. Zwar wurde das Zusammenwirken der Standards DMA und WfMC bereits definiert und erprobt, eine Markt- oder Produktreife ist jedoch in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.
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WfMC ist bei allen Workflow-Anbietern ein zentrales Thema. Es sind daneben jedoch vielfach proprietäre Schnittstellen zu Archivsystemen zu vermerken. Für Archivsystemanbieter ist WfMC überhaupt kein Thema. Auch der Anwender legt derzeit auf WfMC kein gesteigertes Interesse, da er sich meistens auf ein Produkt in seinem Unternehmen beschränken kann. Die Stärken von WfMC liegen jedoch gerade im Umfeld der Interaktion zwischen Produkten verschiedener Hersteller. Im Internet-Umfeld konnte WfMC durch die engere Einbindung von Jflow und SWAP wieder etwas Akzeptanz gewinnen. Auch die Anlehnung an die OMG hat den WfMC-Standard gestärkt. Sofern die WfMC die verbleibenden Definitions- und Implementierungsarbeiten rechtzeitig leistet, wird dieser Standard zumindest bei den Workflow-Anbietern untereinander seine Bedeutung behalten. Bei WfMC ist im Gegensatz zu ODMA und DMA die europäische Softwareindustrie sehr gut vertreten.
   
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XML ist bei den meisten Anwendern noch kein Thema. Auch auf den Herstellerständen der DMS-Branche sah man sich kaum zu konkreten Aussagen in der Lage. Lediglich in den Entwicklungsabteilungen wird dieser Standard sehr hoch gehandelt. Er löst die meisten Probleme von derzeitigen HTML-Formate und bietet darüber hinaus die Möglichkeit, nicht nur strukturierte Dokumentinhalte zu transportieren, sondern auch Anweisungen, Code und beliebige Objekte. Zumindest alle Anbieter mit Internetfähigen DMS-Lösungen setzen auf XML. Als kritisch wird derzeit angesehen, daß Microsoft offensichtlich wieder beabsichtigt hier einen Eigenweg zu beschreiten. Besonderen Fokus legt Microsoft zur Zeit auf die Entwicklung von X3D (als Nachfolger von VRML) und CXML (Commercial XML), da Microsoft der Meinung ist, daß EDI keine Zukunft mehr hat. Daran läßt sich erneut erkennen, daß Microsoft kein Interesse daran hat, internationale (Mainstream-)Standards zu unterstützen, sondern lieber diese beiden XML-Derivate unterstützt, auf die ein größerer Einfluß genommen werden kann. Allerdings scheint sich Microsoft in diesem Fall eine Hintertür offenzulassen, die sie in enger Zusammenarbeit mit IBM und der Software AG kommerzielle Anwendungen auf der Basis XML-fähiger Serverprogramme entwickelt. (Kff, FvB, OCH, MF, SL)
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