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Dokumenten-Management wird zur Basistechnologie (Teil 1)
Artikel von Dr. Ulrich Kampffmeyer, erschienen in der Fachzeitschrift IT Management, Heft 1/2000, Seite 40-44. Der Artikel behandelt den DRT-Markt aus drei Blickwinkeln: den des Analysten, der des Anwenders und der des Anbieters. Teil 1 beinhaltet den Blickwinkel des Marktanalysten.
 
Einführung
Dokumenten-Management hat seine Marktnische verlassen und wird zunehmend Allgemeingut. Fast alle Arten von Anwendungen erzeugen, verarbeiten, versenden und speichern heute Dokumente. Der Dokumentbegriff hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert. Früher  gehörte die Verarbeitung von gescannten Faksimiles (Imaging), die Speicherung von Output-Dateien (COLD) oder die datenbankgestützte Verwaltung von Dateien (klassisches Dokumenten-Management) zu den wichtigsten Themen. Heute kann ein Dokument alles sein:
   
 ·
Der neue Dokumentenbegriff
Elektronische Dokumente können auf fast beliebigen Datenträgern gespeichert sein: Dateien, Faksimiles, Listen, digitalisierte Sprache und  Videos, „eingefrorene Bildschirminhalte“, Protokolldaten oder die  Kombinationen dieser Dokumenttypen. Ein Dokument ist, was als Datei oder definiertem Bestandteil einer Datei in strukturierter oder unstrukturierter Form in einem DV-System vorliegt und zu einem bestimmten Zeitpunkt als eine authentische, inhaltlich und formal zusammengehörige Einheit betrachtet werden kann. Durch die Möglichkeiten der Veränderung von Daten in EDV-Systemen ergeben sich an elektronische Dokumente hohe Anforderungen. Sie müssen genau den Zustand, die Zusammensetzung, die Form und den Inhalt wiedergeben, die sie zum Zeitpunkt ihrer intentionellen Erstellung hatten. Dynamische Links, automatische Updates in Dokumenten, Veränderungen der Zusammenhänge, Zusammensetzung von Dokumenten aus eigenständigen Komponenten, die Abhängigkeit von Formaten und Laufzeitumgebungen sowie andere Faktoren stellen damit besondere Anforderungen an ein System zur Verwaltung solcher Dokumente.
   
 ·
Die neue Rechtsqualität von E-Dokumenten durch digitale Signatur
Wichtig ist hierbei, daß Dokumente durch digitale Signaturen eine neue Rechtsqualität erhalten, die sie zukünftig den "Papier-originalen” gleichstellen sollen. Die Verbreitung von elektronischen Dokumenten in allen Bereichen des Wirtschafts- und täglichen Lebens wird hierdurch stark gefördert. Die Vereinigung des europäischen Wirtschaftsraumes gewinnt an Dynamik und  deshalb ist E-Commerce ohne Grenzen allgegenwärtig. Die Rechtsprechung hat diesen Megatrends noch nicht Rechnung getragen. Im Umfeld des Dokumenten-Managements betrifft dies besonders
   
 1.
den rechtlichen Wert von elektronisch erzeugten und nicht mehr in Papier vorhandenen Textdokumenten und elektronisch archivierten Dokumenten
sowie
   
 2.
den sicheren Austausch von elektronisch erzeugten Dokumenten, die Vertrags-charakter haben, Aufträge darstellen oder finanzielle Transaktionen beinhalten.
Die technischen Lösungen sind bereits am Markt verfügbar. Deren Einsatz wird durch rechtliche Unsicherheiten und Ängste der unberechtigten Nutzung im Internet behindert. Hier ist dringend eine europäische Initiative nötig, um die offenen Probleme zu lösen. Die DRT-Branche (Document Related Technologies) hat für die verbleibenden Probleme bereits eine Reihe von Lösungen vorgestellt. So bietet z. B. die revionssichere Archivierung in Ergänzung zu E-Commerce die Möglichkeit, nachzuweisen, wer, wann, wem etwas zugesandt hat und wie die Daten verarbeitet worden sind. Das Anwendungsfeld von Dokumenten-Management hat sich durch die neuartigen Dokumente und das Internet erheblich verändert.
Betrachtet man diesen Markt für DRT, so bieten sich verschiedene Blickwinkel an: Der des Marktanalysten, der des Anwenders und der des Anbieters.
 
Der Blickwinkel des Analysten
Dieser Blickwinkel konzentriert sich in der Regel nur auf Marktzahlen, den Einsatz der Technologie in den verschiedenen Regionen und Branchen und die  Umsatzprognosen. Für den Bereich Dokumenten-Management, oder besser DRT Document Related Technologies, kommt erschwerend hinzu, daß jedes der führenden Analysten- und Marktforschungsunternehmen sich seine eigenen Definitionen für die Charakterisierung und Segmentierung von Einzelmärkten und Produktkategorien geschaffen hat.
   
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Globale Marktentwicklung
Der Markt für Dokumenten-Management wird von den USA dominiert, die ungefähr 95 Prozent des nordamerikanischen Marktplatzes besetzen. 1998 entfielen 67 Prozent des weltweiten Markts auf diese Region. Insgesamt gesehen wird der nordamerikanische Markt auch in Zukunft stark vertreten sein – mit derzeit fast doppelt so großem Marktvolumen wie der gesamte europäische Markt für Dokumenten-Management. Bis zum Jahr 2002 werden andere internationale Märkte wie Europa oder der Asien/Pazifik-Raum überproportional wachsen, glaubt man den Prognosen der Gartner Group. Allein im Asien/Pazifik-Bereich wird der Marktzuwachs auf mehr als das Doppelte prognostiziert (51 Prozent).
   
 ·
Der europäische Markt
Während die Wachstumsrate des europäischen Marktes (1998-2003) genau wie in den USA um 23 Prozent erwartet wird, steigen die internationalen Einkünfte in diesem Marktsektor um 26 Prozent. Obwohl der DM-Markt in Deutschland mit 774 Millionen US Dollar Umsätze in 1999 der zweitgrößte in Europa ist, bleibt England mit
1 963 Millionen US Dollar (1999) deutlich dominierend. Die Rolle Englands in Europa wird durch den hohen Anteil amerikanischer Lieferanten verstärkt, die in England einen offenen und leichter zugänglichen Markt sehen. Die strenge deutsche Gesetzgebung erschwert nach Meinung der Gartner-Analysten die Entwicklung dieses Marktsegments in Deutschland.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
         
Region
1998
1999
2000
2001
2002
2003
3J-Kurve(%)
5J-Kurve(%)
Weltweit
13 217
17 534
22 725
28 659
35 061
41 552
16
26
U.S.
7 582
9 842
12 503
15 480
18 622
21 733
14
23
Europa
4 142
5 168
6 447
7 963
9 656
11 436
15
23
England
1 617
1 963
2 391
2 893
3 445
4 017
14
20
Deutschland
606
774
989
1 250
1 547
1 867
17
25
Tabelle 1:  Umsatz für Dokumenten-Management-Technologien in Millionen US-Dollar. (Quelle: Gartner, kompiliert von PROJECT CONSULT)
 
 
   
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Der DMS-Markt in Deutschland
Das erwartete Wachstum in Deutschland soll nach dem Jahr 2003 kleiner als 25 Prozent ausfallen, denn
 

der Anstieg in allen Marktsegmenten (der Dreijahresanstieg für den Zeitraum 2001–2003) ist deutlich kleiner als der Anstieg im Fünfjahreszeitraum (vgl. Tab. 1;  3J-Kurve und 5J-Kurve).
 
         
Technologie
1998
1999
2000
2001
2002
2003
3J-Kurve
5J-Kurve
COLD/ERM
71
90
114
143
176
212
16%
24%
RDS
44
54
68
83
100
118
15%
22%
Ad hoc/Enterprise Workflow
84
108
138
175
216
261
17%
25%
Production Workflow
37
47
60
75
93
112
17%
25%
Repository Management
118
143
173
208
246
284
13%
19%
DCM
10
20
34
53
76
103
24%
59%
Production Imaging
153
176
203
233
264
294
10%
14%
Component Imaging
11
18
26
37
51
66
22%
43%
Desktop Imaging
9
17
28
43
62
84
24%
58%
Filmbasiertes Imaging
53
60
70
80
92
104
11%
21%
Integrierte Systeme
16
41
$6
119
171
229
24%
71%
Gesamt
606
774
989
1250
1547
1867
17%
25%
Tabelle 2:  Vorhersage des Markts für Dokumententechnologie nach Segment – Einnahmen aus Deutschland in Millionen US-Dollar (Quelle: Gartner)
 
 
Einzelne Branchen setzen  DMS-Technologien in unterschiedlichem Maße in ihren Unternehmen ein. Führend im Branchenvergleich ist der Finanzdienstleistungssektor, wo annähernd die Hälfte der Betriebe  Imaging (44 Prozent)  und Workflow-Technologien (50 Prozent)  im täglichen Betrieb ein-
 
 
setzen.  Die öffentliche Verwaltung setzt DMS-Technologien in vergleichsweise geringem Rahmen ein (12 und 11 Prozent). Die Dokumenten-Management-Technologien Imaging, Workflow, Repository und Retrieval sind unterschiedlich auf einzelne Branchen verteilt.
 
     
 
Imaging
Workflow
Repository
Retrieval
Finanzdienstleistungen
44%
50%
28%
22%
Industrie
23%
11%
32%
20%
Public Sector
12%
11%
8%
16%
Sonstige
21%
28%
32%
42%
Tabelle 3:  Die Branchenverteilung innerhalb des DMS-Marktes
 
 
 
   
 ·
Wert und Nutzen von Marktstudien
Besonders zu beachten ist, daß die meisten Studien aus unterschiedlichen Zielsetzungen heraus entstehen und daher auch zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Aus diesem Grund können die Marktzahlen der Studien auch nicht immer miteinander verglichen werden. Die Erkenntnis der geringen Vergleichbarkeit führt zu der Frage, welchen Nutzwert diese Studien haben und wer zu den Nutznießern gehört. Um diese Frage zu beantworten, sind zwei Dinge zu berücksichtigen: zum einen versuchen die Leser einer Studie das vorhandene Potential auszuschöpfen. Zum anderen erwarten die Ersteller und die Auftraggeber von Marktstudien einen gewissen Nutzen. Von Verbänden in Auftrag gegebene Studien sind häufig eine Selbstdarstellung der Branche und der eigenen Marktdarstellung. So sind Ergebnisse, wie ein dynamisches Marktwachstum nicht verwunderlich, wenn Auftraggeber und der befragte Personenkreis nahezu übereinstimmen. Aber auch verbandsunabhängige Marktstudien kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Hier ist immer wieder zu beobachten, daß die befragten Hersteller die Teilnahme an einer Marktstudie gleichzeitig als Marketinginstrument mißbrauchen. Zu guter Letzt sind aber auch die Analysten für die bisher unvollständige Einschätzung der Marktentwicklungen mitverantwortlich. Für Analysten ist der Verkauf von Marktstudien nur interessant, wenn eine Wiederholung im Folgejahr mit dem gewonnenen Erfahrungsschatz möglich ist. Diese setzt eine gewisse Marktdynamik voraus. Um sich weitere Alleinstellungsmerkmale mit einer Studie zu verschaffen, ist immer wieder festzustellen, daß Begriffe neu bzw. anders definiert werden als von anderen Analysten bisher verwendet. Dieses hat natürlich auch seine Ursachen darin, daß Dokumenten-Management sich von einer eigenständigen IT-Disziplin zu einer Basistechnologie entwickelt. Weiterhin ist auffällig, daß die Erhebungsdaten selten mit veröffentlicht werden und somit an der Repräsentativität einzelner Studien gezweifelt werden kann.
Ein in der Vergangenheit wenig beachtetes Kriterium ist das Problem der schnellen Verfallsdaten von Marktstudien, bzw. der ermittelten Daten. Die Aussagen werden aufgrund von Daten getätigt, die den dynamischen Voraussetzungen im DRT-Umfeld nicht immer gerecht werden. Fazit: Die zukünftig erscheinenden Studien sollten transparenter in der Ermittlung der Ergebnisse und objektiver in ihren Kernaussagen sein. Langfristig nützen schöngefärbte Aussagen weder Anwendern noch Herstellern.
(wird fortgesetzt)
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