20080716 \  Recht & Gesetz \  Fragen und Antworten zur elektronischen Rechnung
Fragen und Antworten zur elektronischen Rechnung
von Stefan Groß und Martin Lamm, PSP Peters, Schönberger & Partner, München (http://www.PSP.eu), und Dr. Ulrich Kampffmeyer, PROJECT CONSULT Unternehmensberatung, Hamburg (http://www.PROJECT-CONSULT.com).
Vorwort
Zunehmend machen Unternehmen von der Möglichkeit Gebrauch, Rechnungen auf elektronischem Wege zu versenden. Für die digitale Variante sprechen Kosten- und Effizienzvorteile sowie eine medienbruchfreie Einbindung in bestehende EDV-Prozesse innerhalb des Unternehmens. Was viele jedoch übersehen: Der Steuergesetzgeber stellt besondere Anforderungen an den elektronischen Rechnungsversand. Können diese - etwa im Rahmen einer Betriebsprüfung - nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, so besteht insbesondere für den Rechnungsempfänger primär das Risiko, den Vorsteuerabzug zu verlieren.
Dieser Fragen- und Antwortenkatalog soll dazu beitragen, die wesentlichen Problemstellungen zu adressieren, und Ihnen eine Hilfestellung in der praktischen Umsetzung geben. Bei diesem Fragen- und Antwortenkatalog handelt es sich um eine Orientierungshilfe für Unternehmen. Eine Rechtsbindung geht hiervon nicht aus. Der Fragen- und Antwortenkatalog wird regelmäßig aktualisiert und ergänzt. 
I.  Rechtliche Grundlagen
1.  Was ist unter einer elektronischen Rechnung zu
verstehen?
Eine elektronische Rechnung unterscheidet sich von der herkömmlichen Papierrechnung in erster Linie durch die Art der Übermittlung, welche in diesem Fall elektronisch stattfindet (siehe Ziffer I.2). Der Gesetzgeber hat aufgrund der überwiegenden Abbildung des gesamten Prozesses mit Hilfe von Informationstechnologie (IT) erhöhte Anforderungen an die elektronische Rechnung gestellt, die von Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger gleichermaßen zu beachten sind.
2. Dürfen Rechnungen überhaupt elektronisch  
übermittelt werden?
Das Umsatzsteuergesetz gestattet, dass Rechnungen auch auf elektronischem Weg übermittelt werden. Hiermit sind sowohl Rechnungen, die per E Mail übermittelt werden, als auch elektronische Abrechnungen gemeint, die über direkte Datenleitungen (Stand- und Wählleitungen) übertragen oder auf maschinell lesbaren Datenträgern wie Magnetband, CD-Rom oder DVD übersandt werden. 
3. Was sind derzeit die größten Problemfelder im  Umgang mit der elektronischen Rechnung?
Generell geht es bei Rechnungen – und da sind die elektronischen nicht ausgenommen – um den Vorsteuerabzug, zu dem eine Rechnung berechtigen soll, und die Aufbewahrung sowohl beim Aussteller als auch beim Empfänger Werden hier Fehler gemacht bzw. die Anforderungen nicht vollständig erfüllt, berechtigen die Rechnungen nicht zum Vorsteuerabzug.
4. Wann ist eine elektronische Rechnung  
umsat
zsteuerlich ordnungsgemäß?
Damit der Empfänger einer Rechnung die Vorsteuer beim Finanzamt geltend machen kann, bedarf es einer ordnungsmäßigen Rechnung. Werden allerdings die umsatzsteuerrechtlichen Voraussetzungen nicht oder nur unzureichend erfüllt, gelten die auf elektronischem Weg übermittelten Dokumente nicht als Rechnungen.
Entscheidend für die Anerkennung aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht ist, dass die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts gewährleistet ist. Diese Vorgabe ist europaweit vereinheitlicht.
Weitere Voraussetzungen, wie z. B. die Vollständigkeit der Pflichtangaben, sind unabhängig von der Art der Übermittlung zu erfüllen.
5. Wie können die Echtheit der Herkunft und die  Unversehrtheit des Inhalts erreicht werden?
Gemäß § 14 Abs. 3 Nr. 1 UStG muss eine elektronisch übermittelte Rechnung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur oder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur mit Anbieter-Akkreditierung versehen sein. Als zweite Methode gestattet § 14 Abs. 3 Nr. 2 UStG den elektronischen Datenaustausch (EDI), wenn das vereinbarte Verfahren die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleistet und zusätzlich eine zusammenfassende Rechnung in Papierform bzw. in elektronischer Form vorliegt.
6. Was ist eine qualifizierte elektronische  
Sign
atur?
Eine qualifizierte elektronische Signatur ist ein technisches Verfahren, um bei der digitalen Übermittlung von Daten den Absender zweifelsfrei zu identifizieren und den Originalzustand der transportierten Daten zu gewährleisten. Die Funktionsweise der qualifizierten elektronischen Signatur basiert auf einem mathematisch kryptographischen Verfahren. Dabei kommen grundsätzlich zwei unterschiedliche Signaturschlüssel zum Einsatz, die einerseits für die Bildung, andererseits für die Prüfung der Signatur verantwortlich sind. Dabei muss ein Schlüsselpaar einander eindeutig zuordenbar sein. Die zusätzliche Sicherstellung der Authentizität der öffentlichen Schlüssel bedarf sog. Zertifizierungsstellen oder Trustcenter, welche die Zuordnung einer Person zu einem öffentlichen Schlüssel bestätigen.
7. Wie erkennt man eine elektronische Signatur?
In der Regel werden elektronische Signaturen entweder als separate Datei beigefügt (zur Verifikation sind beide Dateien notwendig) oder in die jeweilige Datei eingebettet. In den entsprechenden Applikationen (wie z.B. E-Mail- und Office-Programme) werden sie meist durch ein spezielles Icon (grafisches Symbol) kenntlich gemacht. Klickt man auf dieses Icon, werden die Dateien der Signatur angezeigt. Dadurch kann man erkennen, von wem die Signatur ausgestellt wurde. Über entsprechende Software wird es bei bestehender Internet-Verbindung weiter ermöglicht, die Signatur auf ihre Gültigkeit zu überprüfen (siehe hierzu Ziffer II.3).
8. Schreibt die Finanzverwaltung zur Erzeugung  qualifizierter elektronischer Signaturen ein  
b
estimmtes technisches Verfahren vor?
Für die Erstellung qualifizierter elektronischer Signaturen sind umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich alle technischen Verfahren zulässig, soweit diese den Vorgaben des Signaturgesetzes entsprechen. In der praktischen Umsetzung kommen beispielsweise Smartcards (Chipkarte mit integriertem Mikroprozessor und Speicher) oder Kryptoboxen (Hardware zur Ver- und Entschlüsselung) zum Einsatz.
9. Ist eine Rechnung via Telefax eine elektronische Rechnung?
Nicht nur Rechnungen, die augenscheinlich über elektronische Netze übermittelt werden, sind von diesen Formerfordernissen betroffen, auch die Übermittlung via Telefax kann hiervon betroffen sein. Dies gilt immer dann, wenn der Rechnungsversand nicht ausschließlich über Standardtelefaxe erfolgt, sondern am Prozess mindestens ein Computer-Telefax oder ein Telefax-Server beteiligt ist. Auch in diesem Fällen bedarf es nach Ansicht der Finanzverwaltung einer qualifizierten elektronischen Signatur, um den Vorsteuerabzug auf Empfängerseite sicherzustellen.
10. Was ist bei Rechnungen via EDI zu beachten?
Neben der Rechnungsübermittlung per E-Mail bzw. Telefax sieht das Umsatzsteuergesetz ergänzend vor, dass Rechnungen unter bestimmten Voraussetzungen auch per EDI (Electronic Data Interchange) übermittelt werden können. Diese häufig im Mittelstand praktizierte Variante setzt voraus, dass ebenfalls die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleistet sind sowie ergänzend eine zusammenfassende Rechnung über einen bestimmten Zeitraum übermittelt wird.
11. Gibt es Ausnahmen bei elektronischen Rechnungen?
Ja, z.B. bei Fahrausweisen. Diese bedürfen, wenn sie im Online-Verfahren abgerufen wurden, keiner qualifizierten elektronischen Signatur. Jedoch muss sichergestellt sein, dass eine Belastung auf einem Kunden- oder Kreditkartenkonto erfolgt und die Rechnung als Papierausdruck entsprechend den gesetzlichen Vorgaben aufbewahrt wird.
12. Benötigt man auch eine Sammelrechnung, wenn der eigentliche EDI-Datensatz bereits mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist?
Das Erfordernis einer zusammenfassenden Rechnung scheint dann entbehrlich, wenn bereits der EDI-Datensatz seinerseits qualifiziert elektronisch signiert ist. Da dies jedoch innerhalb der Finanzverwaltung nicht abschließend geklärt ist, bedarf es zur Würdigung des Vorsteuerabzugs einer Betrachtung des jeweiligen Einzelfalles.
13. Ist das Verfahren der elektronischen Rechnungsübermittlung auch im Massenverfahren zulässig?
Ja, der Signaturinhaber darf die qualifizierte elektronische Signatur auch für einen bestimmten Zeitraum oder eine vorher bestimmte Anzahl von Signaturvorgängen freischalten. Genaue Angaben dazu existieren nicht, in der Praxis werden die Empfehlungen ausgesprochen, einen Zeitraum von 30 Tagen nicht zu überschreiten. Die Freischaltung einer vorgegebenen Menge  ist  abhängig  vom  Einzelfall.  Bezüglich  eines Massensignaturverfahrens gelten nochmals erhöhte Sicherheitsvoraussetzungen.
14. Bedarf es zur elektronischen Rechnungsübermittlung der Zustimmung des Empfängers?
Die elektronische Rechnungsübermittlung setzt die Zustimmung des Empfängers voraus. Diese kann allerdings auch stillschweigend durch konkludentes Handeln erfolgen. Es empfiehlt sich allerdings, die Zustimmung vorab (schriftlich) einzuholen.
15. Welche Auswirkungen hat es, wenn nicht jede Signatur beim Eintreffen der Rechnung überprüft wird?
Wenn nicht alle Prüfschritte (wie insbesondere in Ziffer II.3 beschrieben) durchgeführt werden, kann nicht sichergestellt werden, dass eine ordnungsmäßige Rechnung vorliegt. Insofern besteht kein Vorsteuerabzug.
Ähnlich ist das Problem zu behandeln, wenn die Prüfung erstmalig bspw. im Rahmen einer Jahre später durchgeführten Außenprüfung stattfindet. Da bis zu diesem Zeitpunkt kein Vorsteuerabzug möglich war (aber dennoch erfolgte), ist ggf. mit einer Rückforderung oder Verzinsung zu rechnen.
16. Kann man eine elektronische Rechnung einfach ausdrucken und wie eine Papierrechnung behandeln?
Nein, das ist nicht möglich. Und von der Vorgehensweise, den Ausdruck vor der Ablage nochmals zu falten, um eine postalische Übermittlung anzudeuten, sei dringend abzuraten. Eine elektronische Rechnung muss jederzeit auf die gesetzlichen Anforderungen hin überprüfbar bleiben, was insbesondere die vorhandene Signatur betrifft.
17. Die elektronischen Rechnungen, die ich empfange, berechtigen offensichtlich nicht zum Vorsteuerabzug. Was kann ich tun?
Sollten die Rechnungen, die Sie erhalten, nicht die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen (z. B. keine Signatur enthalten), ist es empfehlenswert, mit dem Aussteller der Rechnung in Kontakt zu treten und eine ordnungsmäßige Rechnung zu fordern.
Sollten Sie nicht die technischen Voraussetzungen auf Empfängerseite erfüllen können, ist es empfehlenswert, wieder Papierrechnungen anzufordern. Sind diese Situationen bereits seit einem längeren Zeitpunkt gegeben, ist der jeweilige Einzelfall zu prüfen.
 
II. Aufbewahrung und Prüfbarkeit
1. Welche Aufbewahrungsfristen gelten für elektronische Rechnungen?
Für elektronische Rechnungen gelten die gleichen Aufbewahrungsfristen wie für andere steuerlich und handelsrechtlich relevante Dokumente. Dabei macht es keinen Unterschied, ob eine Rechnung elektronisch oder in Papierform empfangen wurde. Üblicherweise gelten 10 Jahre zuzüglich des laufenden Geschäftsjahres als Aufbewahrungsfrist. Es ist jedoch zu beachten, dass sich  die Aufbewahrungszeiträume erheblich verlängern können, wenn rechtliche Auseinandersetzungen, Prüfungen oder andere Vorgänge weiterhin den Zugriff auf die Rechnung erforderlich machen.
2. Wie prüft die Finanzverwaltung die gesetzlichen Vorgaben an die elektronische Rechnungsstellung?
Hierzu sieht die Abgabenordnung über § 147 Abs. 6 AO ein ausgeprägtes Zugriffsrecht der Finanzverwaltung auf die Unternehmens-EDV im Rahmen von Außenprüfungen vor. Dieses Recht wurde durch die „Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen“ (GDPdU) seitens der Finanzverwaltung konkretisiert. Die GDPdU zielen dabei in erster Linie auf die Überprüfung des Originalzustandes der Rechnung unter Zuhilfenahme der qualifizierten elektronischen Signatur ab.
 
Ob die elektronischen Rechnungen selbst dem Datenzugriff unterliegen, hängt von der Form der Rechnung und ihrer maschinellen Auswertbarkeit ab. Rechnungen im pdf-Format fallen grundsätzlich nicht unter die Begrifflichkeit der maschinellen Auswertbarkeit. Nichtsdestotrotz besteht im Rahmen einer Außenprüfung für die Finanzverwaltung das Recht, auf die elektronisch gespeicherten Rechnungen zuzugreifen. Insofern besteht kein Unterschied zur Papierrechnung.
3. Welche Besonderheiten sind nach den GDPdU / GoBS bei elektronischen Abrechnungen zu beachten?
Die Finanzverwaltung setzt bei elektronischen Abrechnungen insbesondere voraus, dass der Originalzustand des übermittelten und ggf. noch verschlüsselten Dokuments jederzeit überprüfbar sein muss. Hierzu ist es erforderlich, dass elektronische Rechnungen durch die Übertragung der Inhalts- und Formatierungsangaben auf einem entsprechenden Datenträger aufbewahrt werden und eine Bearbeitung während des Übertragungsvorgangs ausgeschlossen ist.
Darüber hinaus sind insbesondere folgende Schritte durchzuführen (verkürzt dargestellt):
- Prüfung der Signatur und Dokumentation des Ergebnisses,
- Aufbewahrung aller Formate, sofern Konvertierungen durchgeführt werden,
- Aufbewahrung des Signaturprüfschlüssels und
- Protokollierung sämtlicher Verarbeitungsschritte.
Es sei angemerkt, dass diese Schritte für jede einzelne Rechnung durchzuführen ist (siehe Ziffer I.15).
4. Gibt es Besonderheiten, wenn nach dem Rechnungsempfang eine Konvertierung beim Empfänger erfolgt?
Erfolgt eine Konvertierung bzw. Umwandlung elektronischer Abrechnungen z. B. in ein unternehmenseigenes Format zur besseren Verarbeitung im IT-System, so sind auf der Grundlage des BMF-Schreibens zum Datenzugriff alle Versionen zu archivieren und einheitlich zu verwalten. Ergänzend ist die konvertierte Version mit einer entsprechenden Kennzeichnung zu versehen. Alle Renditionen der Rechnung, das elektronische Original und die erzeugten konvertierten Formen, sind unter dem gleichen Index auffindbar zu speichern. Zusätzlich sind Eingang, Archivierung und ggf. Konvertierung sowie eine weitere Verarbeitung der elektronischen Abrechnung in einem Protokoll festzuhalten. Die elektronische Signatur selbst ist nicht konvertierbar und nicht auf ein anderes Dokumente übertragbar.
5. Müssen E-Mails, mit denen die elektronischen Rechnungen übermittelt wurden, aufbewahrt werden?
Da es sich bei E-Mails um originär digitale Unterlagen handelt, geben die GoBS hier den Rahmen vor. Die E-Mail ist durch Übertragung der Inhalts- und Formatierungsdaten auf einem Datenträger zu archivieren und mit einem unveränderbaren Index zu versehen, unter welchem sie bearbeitet und verwaltet wird. Nichtsdestotrotz kann eine per E-Mail übermittelte elektronische Rechnung auch getrennt von der E-Mail aufbewahrt werden. Entscheidend ist, dass E-Mail-Nachricht und die zugehörige elektronische Rechnung im Kontext wiederaufgefunden werden können und der Kontext nicht aufgelöst wird.
6. Was bedeutet „revisionssichere Archivierung“ in diesem Zusammenhang?
Elektronische Rechnungen sind revisionssicher aufzubewahren. Unter „revisionssicherer Archivierung“ versteht man die konsistente, vollständige, unveränderbare, nachvollziehbare und über einen Index wieder auffindbare Archivierung von kaufmännischen und steuerlich relevanten Daten und Belegen. Für die revisionssichere Archivierung gelten nach HGB und AO folgende Kriterien:
- Ordnungsmäßigkeit
- Vollständigkeit
- Sicherheit des Gesamtverfahrens
- Schutz vor Veränderung und Verfälschung
- Sicherung vor Verlust
- Dokumentation des Verfahrens
- Nachvollziehbarkeit
- Prüfbarkeit
Revisionssicherheit bezieht sich auf das gesamte Verfahren und schließt die organisatorischen Maßnahmen ein.
7. Wie ist mit unrichtig zugestellten elektronischen Rechnungen umzugehen?
E-Mails erreichen häufig nicht den bestimmten, direkten Empfänger, sondern werden in Gruppenpostkörbe oder an Vertreter übermittelt. Dies macht die Weiterleitung an die zuständige Stelle oder Person im Unternehmen notwendig, die für den elektronischen Rechnungseingang zuständig ist. Dokumente mit elektronischen Signaturen sollten nach Möglichkeit nicht geöffnet werden, da dies bei bestimmten Formaten zu Veränderungen führen kann, die die elektronische Signatur ungültig machen. E-Mails mit elektronischen Rechnungen sollten unverändert und unverzüglich weitergeleitet werden.
8. Müssen elektronische Rechnungen „nachsigniert“ werden?
Die Zertifikate qualifizierter elektronischer Signaturen verfallen nach einem vorgegebenen Zeitraum. Unter „Nachsignieren“ versteht man das Signieren mit dem ArchiSig-Verfahren, bei dem Datenbanken und/oder Dokumente mit einer weiteren Signatur (in der Regel ein Zeitstempel) vor dem Verfall des Signaturzertifikates neu signiert wird. Für elektronische Rechnungen ist das Nachsignieren nicht erforderlich. (Bundesministerium für Finanzen vom 30.10.2007, IV A 5 – S 7287-a/07/005).
9. Welche Rolle spielt die Verfahrensdokumentation?
Der Aufbau und der Ablauf des angewandten Verfahrens muss für das Finanzamt auf der Grundlage des § 145 AO innerhalb angemessener Frist nachprüfbar sein. Hierfür ist eine hinreichend detaillierte und aussagekräftige Verfahrensdokumentationen unerlässlich. Die Verfahrensdokumentation gehört zu den Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen im Sinne des § 257 Abs. 1 HGB bzw. § 147 Abs. 1 AO und ist grundsätzlich über die gesetzliche Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren aufzubewahren. Dies schließt nicht nur den aktuellsten Stand, sondern auch alle vorangegangenen Versionen gleichermaßen ein.
10. Muss das Verfahren geprüft oder abgenommen werden, und wer macht das?
Grundsätzlich besteht keine Pflicht zur Prüfung oder Abnahme eines E-Billing-Verfahrens. Da es sich hierbei allerdings um rechnungslegungsrelevante Prozesse handelt, besteht ein gesteigertes Interesse bei den Wirtschaftsprüfern/Steuerberatern und natürlich – nicht zuletzt wegen der Vorsteuerproblematik – den Betriebsprüfern. Um für den Prozess handels- und steuerrechtlich auf eine solide Basis zu stellen, ist eine frühzeitige Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsprüfer/Steuerberater empfehlenswert. Eine Prüfung der rechtlichen Anforderungen (Ordnungsmäßigkeit und Sicherheit gemäß GoBS, Aufbewahrung nach GDPdU) kann durch einen Wirtschaftsprüfer erfolgen, der auch eine entsprechende Bescheinigung ausstellt.
 
III. Dienstleister/Outsourcing
1. Darf die elektronische Rechnungserstellung an einen Dienstleister ausgelagert werden?
Das Umsatzsteuerrecht sieht in § 14 Abs. 2 Satz 4 UStG vor, dass eine Rechnung nicht durch den Leistenden, sondern auch durch einen Dritten im Namen und für Rechnung des Leistenden „ausgestellt“ werden kann (sog. Stellvertretung).
 
2. Gibt es hier unterschiedliche Betreiber-Modelle, und was ist dabei zu beachten?
Zunächst gilt: Nicht jedes Modell ist aus umsatzsteuerlicher Sicht ohne Risiko. Zur Beurteilung muss insbesondere zwischen zwei von Signatur-Dienstleistern praktizierenden Modellen unterschieden werden, dem sogenannten Fremdsignierungs- und dem Vertretungsmodell. Beide Varianten unterscheiden sich im Kern danach, mit wessen Signatur die elektronische Rechnung erzeugt wird. Dabei ist nach herrschender Meinung nur das Vertretungsmodell, bei welchem der Dienstleister seine eigene Signatur aufbringt, geeignet, den Vorsteuerabzug auf Empfängerseite sicherzustellen.
3. Gibt es neben dem Umsatzsteuergesetz auch zivilrechtliche Vorgaben ?
Zivilrechtlich müssen mehrere Punkte Beachtung finden. So bedarf es neben einer Abrede zwischen dem Leistenden und dem Empfänger darüber, dass die Rechnungsstellung ab jetzt elektronisch erfolgt, insbesondere einer Offenlegung, dass die Rechnungsstellung künftig durch den Dienstleister erfolgt. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit sowohl einer wirksamen Beauftragung als auch einer entsprechenden Vollmacht im Außenverhältnis, mit welcher der Dienstleister gegenüber dem Rechnungsempfänger auftreten kann.
4. Müssen bereits die Daten, welche an den Dienstleister übermittelt werden, mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein?
Nach herrschender Meinung besteht dazu keine Pflicht, denn die eigentliche Rechnung, welche den Vorgaben des Umsatzsteuergesetzes zu entsprechen hat, entsteht erst beim Dienstleister (in Abhängigkeit vom Modell, siehe Ziffer III.2)
5. Darf der Dienstleister auch gleichzeitig für den Rechnungsempfänger tätig werden?
Die Finanzverwaltung räumt auch dem Empfänger einer elektronischen Rechnung grundsätzlich das Recht ein, die ihm nach den GDPdU vorgeschriebenen Prüfungsschritte auf einen Dritten zu übertragen. Der Dienstleister übernimmt in derartigen Fallkonstellationen die Verifikation der qualifizierten elektronischen Signatur auf Empfängerseite und häufig daneben auch die Erfüllung der entsprechenden Aufbewahrungsvorschriften. Allerdings verschärft dies die rechtliche Problematik weiter. Da der Dienstleister nun für beide Seiten tätig wird, liegen sog. „Mehrvertretungsfälle“ vor. Die zivilrechtliche Anerkennung setzt voraus, dass der Signatur-Dienstleister von beiden Seiten von den gesetzlichen Beschränkungen bei der Mehrvertretung befreit wird (§ 181 BGB).
 
6. Gibt es besondere Vorgaben der Finanzverwaltung im Fall der Mehrvertretung?
Aus umsatzsteuerlicher Sicht steht die Prüfbarkeit elektronisch übermittelter Rechnungen im Hinblick auf den Vorsteuerabzug des Rechnungsempfängers im Zentrum des Interesses. Gerade weil im Rahmen des Mehrvertretungsmodells die qualifizierte elektronische Signatur durch die selbe Person (Signatur-Dienstleister) zu verifizieren ist, welche die Signatur „eine juristische Sekunde vorher“ selbst aufgebracht hat, muss für die Finanzverwaltung klar erkennbar sein, wann eine Rechnung den Verfügungsbereich des Erstellers verlässt und in den Verfügungsbereich des Rechnungsadressaten gelangt. Die gebotene organisatorische Trennung lässt sich beispielsweise dadurch erreichen, dass die Erzeugung und der Versand elektronischer Rechnungen technisch und personell vom Empfang und der Verifikation getrennt werden.
7. Darf die Finanzverwaltung beim Dienstleister prüfen?
Abschnitt 184a Abs. 7 der Umsatzsteuerrichtlinien sieht vor, dass ein Dritter, hier Signatur-Dienstleister, auf der Grundlage der §§ 93ff. AO verpflichtet werden kann, dem Finanzamt die Prüfung des Verfahrens durch die Erteilung von Auskünften und Vorlage von Unterlagen in seinen Räumen zu gestatten. Dies macht das Vorhandensein einer aussagekräftigen Verfahrensdokumentation für den Signatur-Dienstleister unverzichtbar.
8. Muss der Prozess beim Dienstleister geprüft bzw. abgenommen werden?
Die Verantwortung für die Einhaltung der rechtlichen Anforderungen obliegt beim jeweiligen Steuerpflichtigen. Dies gilt auch, sofern Prozesse oder Teile von Prozessen an einen Dienstleister ausgelagert wurden. Es ist als Dienstleister empfehlenswert, die Prozesse einer Prüfung anhand der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften (insbesondere seitens des Umsatzsteuerrechts, der GoBS und der GDPdU) durchführen zu lassen.
 
IV. Rechnungsversand über die Grenze
1. Gelten aus umsatzsteuerlicher Sicht europaweit die gleichen Anforderungen für den elektronischen Rechnungsversand?
Den europarechtlichen Rahmen gibt die sog. Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) vor. Diese stellt lediglich auf das Erfordernis einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur ab, eröffnet den Mitgliedstaaten aber zugleich die Möglichkeit, eine qualifizierte elektronische Signatur zu verlangen, wovon Deutschland Gebrauch gemacht hat. Durch die Vorgabe von Mindestanforderungen werden elektronische Rechnungen in den Mitgliedsstaaten sehr heterogen behandelt.
2. Muss eine Rechnung aus dem Ausland – soweit diese elektronisch übermittelt wird – qualifiziert elektronisch signiert sein?
Bezogen auf die elektronische Rechnungsübermittlung gelten im europäischen Ausland häufig geringere Anforderungen an die elektronische Signatur. Dies kann dazu führen, dass die Rechnung zwar elektronisch signiert wurde, jedoch nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (siehe Ziffer I.6), wie in Deutschland gefordert.
Hierbei muss streng unterschieden werden: Soweit es sich um die Einfuhr von Gegenständen, einen innergemeinschaftlichen Erwerb aus einem anderen Mitgliedstaat oder einen Fall des Reverse Charge (Dienstleistungen) handelt, wird grundsätzlich keine Rechnung i.S.d. §§ 14, 14a UStG verlangt. Insoweit bedarf es auch keiner qualifizierten elektronischen Signatur, weshalb der elektronischen Signatur im grenzüberschreitenden Kontext nur eine eingeschränkte Bedeutung zuzurechnen ist.
Achtung:  
Etwas anderes gilt, wenn der zugrunde liegende Umsatz in Deutschland steuerbar oder steuerpflichtig ist. Im Zweifelsfall sollten die ausländischen Geschäftspartner aufgefordert werden, eine herkömmliche Papierrechnung zu erstellen.
3. Was gilt, wenn ein deutscher Unternehmer eine Rechnung an einen ausländischen Unternehmer stellt?
Soweit ein deutscher Unternehmer an einen Unternehmer mit Sitz im Ausland abrechnet, gilt grundsätzlich der umgekehrte Fall wie bei Ziffer IV.2.
Achtung:  
Einzelne Mitgliedstaaten verlangen im Gegensatz zu Deutschland auch in Fällen des innergemeinschaftlichen Erwerbs oder im Reverse-Charge-Fall für den Vorsteuerabzug eine vollständige Rechnung ggf. einschließlich entsprechender Signatur. Hier muss im Einzelfall geprüft werden, inwieweit dies mit den Vorgaben des EuGH vereinbar ist.
 
V. Quellen
AO 
Abgabenordnung, dort besonders §§ 146, 147
BMF-Schreiben IV B 7 – S 7280 – 19/04 vom 29. Januar 2004 
Umsetzung der Richtlinie 2001/115/EG (Rechnugsrichtlinie) und der Rechtsprechung des EuGH und des BFH zum unrichtigen und unberechtigten Steuerausweis durch das Zweite Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2003 – StÄndG 2003)
HGB 
Handelsgesetzbuch, dort besonders §§ 239, 257
GoBS 
Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS), BMF v. 7.11.1995, IV A 8 – S 0316 – 52/95, BStBl I 1995, 738.
GDPdU 
Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU), BMF v. 16.7.2001, IV D 2 – S 0316 – 136/01, BStBl I 2001, 415.
SigG 
Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen (Signaturgesetz) – Stand 16.Mai 2001 (BGBI. I S.876), letze Änderung durch Art. 4 G vom 26. Februar 2007 (BGBI. I S 179, 185)
SigV 
Verordnung zur elektronischen Signatur (Signaturverordnung) – 16. November 2001 (BGBI. I S. 3074), letzte Änderung durch Art. 9 Abs. 18 G vom 23. November 2007 (BGBI. I S. 2631, 2671)
 
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