Die Wikipedia lässt grüßen
Der Auftritt von Jimmy Wales wurde sehnsüchtig erwartet, hatte doch der Begründer der Wikipedia angekündigt, die zehn Informationsquellen zu nennen, die zukünftig frei sein werden (oder sollen). Mit dem Begriff „frei“ rührt man natürlich an eines der Grundprobleme von „Open Access“ – heißt frei auch kostenfrei. Wales meinte kostenfrei. Seine Liste umfasste
| | |
| · | Lexika (oh ihr armen Lexikaverlage, die Wikipedia lässt grüßen), |
| | |
| · | Wörterbücher (hier gibt’s ja schon vieles elektronisch), |
| · | Schul- und Lehrbücher (oh arme Schulbuchverlage, ihr musstet doch erst die Rechtschreibreform erdulden), |
| · | Musik (na, wenn das mal nicht einen Aufstand von Sony und Co. gibt), |
| · | Reproduktionen von Kunstwerken (hier gibt es ja schon einiges an Museumsangeboten), |
| · | Dateiformate (sollte eine Selbstverständlichkeit sein), |
| · | Landkarten (wer bezahlt die Vermesser oder reichen Satellitenbilder und Straßenkarten a la Google?), |
| · | Produktcodes (sinnvoll), |
| · | Übersichten über das Fernsehprogramm (werden im Moment noch über den Verkauf von Printprodukten finanziert) |
| | |
| · | Communities (die meisten der Business- und Schulfreund-Communities haben ja gerade erst Geschäftsmodelle entwickelt, die sollen wieder obsolet werden?) |
Jeder stellt sich die Frage, wer bezahlt dies. Oder soll dies alles nach dem Wikipedia/Open-Directory-Project-Modell funktionieren? Von den Rechten einmal ganz zu schweigen. Einige Dinge fehlten. Wie sieht es aus mit dem Zugriff auf Archive der öffentlichen Hand, den wir im Prinzip mit dem Informationsfreiheitsgesetz erhalten haben. Hier liegt noch eine Herkulesaufgabe vor der Menschheit – angesichts des Informationswachstum vielleicht eher sogar eine Sisyphus-Aufgabe. Ach, übrigens fällt mir gerade ein, Google hat die Erfassung der gesamten englischsprachigen Literatur erst mal gestoppt (stoppen müssen; die Verlage und Urheber …). Ist dies die lang ersehnte Chance, noch schnell alle deutsche Literatur in Gutenberg.de zu verfrachten? Ein paar tausend Scan- und Korrekturwillige müssten sich doch im deutschen Bildungsbürgertum finden lassen. Ein bisschen and der Gestaltung und Findbarkeit der Bücher müsste man allerdings dort auch tun. Oder soll die deutsche Schriftkultur dem Ansturm des Englischen (bevor bald Chinesisch die Weltherrschaft ergreift) klein beigeben? Und wie ist es um die Wissenschaft bestellt? Die Inhalte von Büchern sind häufig schon überholt wenn sie aus der Druckerpresse kommen. Seriöse Wissenschaft auf Websites, vielleicht sogar in Wikis und Blogs? In der Wissenschaft zählen heute neben der Qualität und Seriösität Geschwindigkeit und Auffindbarkeit. Und wenn dann noch englischsprachige Plattformen eine weitere Reichweite und größere Anerkennung verheißen – wo bleibt da die deutsche Wissenschaft, die deutsche Sprache, die deutsche Kultur, die deutsche „Identität“? Ab ins – digitale – Museum, den Platz gleich links neben den alten Kelten?
Bleibt die Frage, wer zahlt das alles, was „frei“ sein soll und letztlich für bestimmte Gebiete auch frei sein muss? Umlage aller Bürger in Gestalt durch Förderung mit öffentlichen Mitteln? Eigeninitiative und Mäzenatentum? Das schlechte Gewissen der Großverdiener aus dem IT- und Kommunikationsboom? Gebühren auch für „Open Access“? Werbung? Viele realistische Modelle für all die versprochenen freien Inhalte, die ja auch noch eine hohe Qualität, Richtigkeit und Aktualität aufweisen sollen, gibt es nicht. Aber vielleicht wird es ja doch noch einmal zur Selbstverständlichkeit dass in der Informationsgesellschaft Information als wesentliches Gut auch einen Preis hat. Vieles muss frei sein, anderes hat seinen Preis. Irgendwie zahlt der Consumer doch zum Schluss, auf welchen Wegen auch immer. (Kff)