Leserbrief von Kurt-Werner Sikora,
Geschäftsführender Gesellschafter und Sprecher der Geschäftsführung
SER-Gruppe
E-Mail: sikora@ser.de
Webseite: www.ser.de Es gibt keine Krise, sondern immer nur ungünstige Situationen für die jeweils Betroffenen. Stets wache Präsenz in den eigenen Märkten erlaubt aber, Krisen als Chancen zu begreifen. Krisen bieten den Schnellen, den Kreativen und den Mutigen zusätzliche Wettbewerbsvorteile, während andere endlos lamentieren und auf hohem Niveau jammern. Über den Ausgang von Krisen wird grundsätzlich immer im Kopf entschieden. Es gilt, neue Wege aus der - manchmal nur vermeintlichen oder herbeigeredeten - Krise zu suchen und zu finden - kurz: Leiten statt leiden.
Was hat das mit dem 10jährigen Jubiläum des PROJECT CONSULT Newsletter zu tun? Wagen wir einmal den Begriff „ECM-Branche“ und tun auch so, als ob es sich dabei um einen wohl definierten und für jeden gut sichtbaren Teil der IT-Branche handeln würde, der auch über den Kreis der Insider hinaus von jedem möglichen Anwender positiv wahrgenommen würde. Dann wäre jetzt einfach nur festzustellen, dass der PROJECT CONSULT Newsletter von Dr. Kampffmeyer diese ECM-Branche seit 10 Jahren erfolgreich begleitet und in diesem Zeitraum eine Reihe interessanter Impulse gegeben hat. Als Laudator könnte man Herrn Dr. Kampffmeyer dann schlicht und einfach gratulieren, 10 Jahre beachtenswerter Kontinuität geleistet zu haben und nach wie vor an vorderster Front mit dabei zu sein. Aber so einfach ist das nicht.
Das fängt schon mit dem Begriff „ECM-Branche“ an. Gibt es eine solche, fest gefügte und inhaltlich aus sich selbst heraus definierte Branche überhaupt? Wie sieht der deutsche oder europäische Teil dieser Branche aus? Wie grenzt sich diese Branche, sofern sie denn ein klares Eigenbild hat, gegenüber anderen IT-Sparten ab? Und last but not least: Wie sieht dieses Eigenbild der ECM-Branche eigentlich aus? In seinem PROJECT CONSULT Newsletter hat Dr. Kampffmeyer über die Jahre daran mitgewirkt, dieser Branche, die sich selbst mal als „Nische“ und mal als „Plattform“ beschreibt, ein markantes Profil zu geben - freilich nicht immer im Einklang mit allen Betroffenen, wie man es eben grundsätzlich nicht immer jedem Recht machen kann. Aber gerade diese Kantigkeit der Aussagen, das Beharrungsvermögen auf für Endkunden - nur um diese geht es - nützlichen und wichtigen Eigenschaften von ECM-Produkten und der Mut auch zu unpopulären aber meistens richtigen Aussagen haben dem PROJECT CONSULT Newsletter und seinem Herausgeber Dr. Kampffmeyer zu jener Beachtung verholfen, die ein 10jäjhriges Jubiläum eines Branchenletters vermuten lässt. 10 Jahre PROJECT CONSULT Newsletter ist ein überzeugender Achtungsbeweis für Publikation, Autor und Herausgeber. Wir gratulieren Herrn Dr. Kampffmeyer zu diesem außerordentlichen Ergebnis seiner Arbeit.
Mit dieser Grußbotschaft ist der Autor dieses Artikels aber noch die Antwort auf die oben aufgeworfenen Fragen schuldig geblieben. Als geschäftsführender Gesellschafter der SER-Gruppe, die in diesem Jahr selbst ihr 25jähriges Jubiläum feiert, zieht sich der Autor bescheiden auf seine persönliche Sicht der europäischen ECM-Szenarien zurück. Und was es da zu sehen gibt, ist keineswegs befriedigend. Den ECM-Anbietern fehlt auf europäischer Ebene ein gemeinsames Gesicht und daher auch die wünschenswerte Sichtbarkeit und Wahrnehmung als Branche. Das ist mehr als unverständlich. Es ist beispielsweise einfach, Anbieter von ERP-Systemen zu identifizieren und sie als gemeinsame Branche wahrzunehmen. ERP-Systeme verwalten - stark vereinfacht - die „Geschäftsdaten“ eines jeden Unternehmens bzw. jeder Organisation. Die ECM-Anbieter - was wäre als Ableitung naheliegender - verwalten die „Geschäftsunterlagen“, neudeutsch „Content“, zu dem nebst Dokumenten auch Prozessinformationen und vorgangsbezogene Unterlagen gehören. Leider sind die ECM-Anbieter aber keineswegs auf Augenhöhe mit den ERP-Anbietern sichtbar. Dabei könnten beispielsweise gerade die ECM-Anbieter jedem Endkunden eine gewisse Unabhängigkeit bei der Wahl seines ERP-Systems bieten und Integrationsplattform u.a. auch beim Wechsel von Systemen sein - von der wichtigen Zusammenführung von Geschäftsdaten und Geschäftsunterlagen einmal ganz zu schweigen. Warum findet diese Wahrnehmung am deutschen bzw. europäischen Markt in dieser Angemessenheit nicht statt?
Der ECM-Branche in Deutschland und Europa - häufig mit scheelem Blick auf den teilweise ungeliebten Gartner-Quadranten und seine [amerikalastige] Ausprägung - fehlt es an einer wirkungsvollen gemeinsamen Präsenz, an gemeinsamen Marketingaussagen, an Kooperationen zur Sicherstellung von Interoperabilität und zur Reduzierung der Fertigungstiefe der Einzelnen. Es fehlt m.E. die Gemeinschaft innerhalb der ECM-Branche, die im maßvollen gegenseitigen Vertrauen bei allem Wettbewerb sinnvolle Maßnahmen zum Wohl der Endkunden und - last but not least - damit natürlich auch zum Wohle ihrer selbst ergreift. Dies gilt zuallererst für die marktprägenden deutschen Vertreter der ECM-Gilde, die bei aller Internationalisierung ihre Anstrengungen bündeln sollten, um ihre Sichtbarkeit insbesondere auf dem Heimatmarkt zu verbessern. Und da sind wir auch wieder beim PROJECT CONSULT Newsletter des Dr. Kampffmeyer und gleichzeitig beim Ausblick auf die nächsten 10 Jahre: Vielleicht gelingt es ja, in gemeinsamer Anstrengung die Aufgabe zu lösen, den eklatanten Mangel an Profil und Visibilität zu beheben - publizistisch eine sicher anspruchsvolle Aufgabe, die genau die oben erwähnten Eigenschaften - Kantigkeit, Mut auch zu unpopulären Aktionen - erfordert. Die ECM-Branche wird ja zwangsläufig erfahren, ob diese Träume des Autors wahr geworden sind und was die ECM-Zukunft bringt.