Folgende wichtige Trends ließen sich auf der DMS`99 erkennen:
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| · | DMS wird Infrastruktur: Document-Related Technologies |
PROJECT CONSULT hat bereits vor längerem eine Differenzierung des Begriffes Dokumenten-Management vorgenommen – Dokumenten-Management als Bezeichnung der gesamten Branche im weiteren Sinn und Dokumenten-Management im engeren Sinn, das klassische Dokumenten-Management mit Checkin/Checkout, Versions- und Rendition-Verwaltung und anderen spezifischen Eigenschaften. Spätestens mit der Diskussion um Knowledge Management wurde deutlich, daß der Begriff Dokumenten-Management zur Bezeichnung dieser Branche nicht mehr geeignet ist. Die Konturen verschwimmen und die Unterschiede zur allgemeinen IT-Landschaft sind bereits aufgehoben. Es bietet sich daher an, mehr von Document-Related Technologies (DRT) zu schreiben, da im Prinzip alle Arten von Anwendungen heute Dokumente erzeugen, verarbeiten, versenden oder speichern. Dokumenten-Management wird hierdurch Infrastruktur und verliert ihr Gesicht als eigenständige Disziplin. Funktionen wie Viewer sind längst Allgemeingut; die bisher schwierige Ansteuerung von digitalen optischen Speichern in Netzwerken wird durch „Plug&Play“-Lösungen wie von DSM zum Kinderspiel, usw. – die Unique Selling Points (USP`s), die das eigenständige Gesicht der DMS-Branche ausgemacht haben, gehen verloren. Der Infrastrukturansatz wird besonders deutlich durch Produkte wie WinDream von A.I.S. Keine komplexe eingeständige Anwendung, einfach zu installieren und zu nutzen, vollständig in das Betriebssystem NT als Laufwerksbuchstabe integriert. Durch die aggressive Marketingstrategie von A.I.S. und der außergewöhnlich niedrigen Preis von WinDream wird im Umfeld von Dokumenten-Management und elektronischer Archivierung der Markt umgekrempelt.
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| · | Intelligente Informationserfassung |
Die interessantesten Neuigkeiten fanden sich im Umfeld der intelligenten Informationserfassung und –erschließung. Bei der Erfassung ist die manuelle Indizierung eine nicht zu unterschätzende Fehlerquelle und außerdem bei großen Dokumentenmengen ein „entscheidender Bottleneck“. Durch Automatisierung der Informationserfassung lassen sich erhebliche Effizienzpotentiale realisieren. Innovative Lösungen waren bei COI, IBM, Insiders und SER zu sehen. Ein Problem der Erschließung von Informationen besteht auch angesichts der bereits vorhanden umfangreichen unstrukturierten Datenmengen. Während einerseits der Ansatz besteht, bei der Erfassung sofort zu klassifizieren und zu strukturieren, lassen sich die gleichen technologischen Ansätze auch auf bereits vorhandene Bestände anwenden, um zum Zeitpunkt des Retrievals die Ergebnisse zu verbessern. So beabsichtigt z. B. die SER AG, große Teile des WWW mit Hilfe von WebClassify neu aufzubereiten und zur Verfügung zu stellen
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| · | Vom Produktanbieter zum Systemintegrator |
Zahlreiche Anbieter, die bisher mit eigenen Produkten am Markt waren, wechseln in das Lager der Systemintegratoren. Ein Beispiel für den Positionswechsel ist z. B. die Fa. Ley. Bei einigen wird das eigene Produkt als Plattform beibehalten, bei anderen ein fremdes, z. T. unter eigenem Namen, genutzt. Es wird deutlich, daß kleinere Unternehmen den Wettlauf nicht mehr durchhalten. Produkte können nur entwickelt, gepflegt und erfolgreich vermarktet werden, wenn sie in ausreichender Zahl über Partner weltweit vermarktet werden. Besonders problematisch ist der Spagat, den Archiv- und DMS-Lösungsanbieter vollziehen müssen: einerseits immer in vorderster Front mit den neuesten technologischen Entwicklungen mithalten zu müssen, andererseits aber den Endanwendern die jahrzehntelange Verfügbarkeit der Informationen garantieren zu müssen.
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| · | Microsoft und Lotus lassen grüßen |
Seitdem Microsoft und Lotus massiv die Themen Dokumenten-Management und Knowledge Management besetzen, ist eine große Verunsicherung in der Branche eingetreten. In den letzten Jahren hat es Microsoft verstanden, durch Kooperationen mit allen wichtigen DMS-Anbietern, sein Produkt Exchange gegen Lotus Domino zu schützen – wahrscheinlich haben sich die Kooperationspartner von Microsoft hiermit selbst einen „Bärendienst“ erwiesen. Nur mit Mühe ist es Microsoft gelungen, die Vertreter der führenden DMS-Anbieter bei einer Vorstellung seiner eigenen zukünftigen Strategie zu beschwichtigen, denn Microsoft wird verstärkt durch eigene Produkte und Funktionalität im Markt mitmischen. Was sich bisher nur hinter Codenamen wie Platinum und Grizzly verbarg, gewinnt langsam an Gestalt. Besonders die Bereiche des dynamischen Dokumenten-Managements und des Adhoc-Workflow wird zukünftig durch Microsoft selbst abgedeckt. Lotus hat bereits mit dem Kauf der Workflowlösung von ONEstone reagiert und ist in der Lage - bis auf die Langzeitarchivierung - das gesamte Spektrum selbst abzudecken. Hierzu kommt bei Lotus noch die Kombination mit der EDMSuite von IBM, die hinsichtlich DMS-Funktionalität kaum noch Lücken aufweist. Der entscheidende Kampf wird in den kommenden zwei Jahren stattfinden und angesichts der großen Verbreitung der Groupwareplattformen Notes und Exchange, des großen Entwicklerpotential und der bereits vorhandenen Lösungsplattformen wird dies für viele eigenständige DMS-Produkte das „Aus“ bedeuten.
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| · | Unified Messaging und der „einheitliche Postkorb“ |
Eines der wichtigsten Desiderate im Umfeld von DRT-Lösungen war die Zusammenführung von unterschiedlichen Informationsquellen in einem einheitlichen Postkorb. Eingänge finden sich heute in den unterschiedlichsten Anwendungen, von internen E-Mails und Internet-E-Mails über gescannten Posteingang, Fax-Eingang bis hin zu den Vorgängen in Workflow-Tools. Die Anwender sind es leid, in unterschiedlichsten Fenstern nachzusehen und wollen endlich sicherstellen, daß alle Informationen vollständig und übersichtlich in einem Postkorb zusammengeführt werden. Dies ist natürlich auch ein Thema der Anbieter Microsoft und Lotus, aber auch die Workflow-Hersteller sehen hier die Chance, ihre Lösungen zu plazieren. In diese Richtung zielen auch eine Reihe von Branchenlösungen wie von den Unternehmen Boo, CE, CENIT, COR oder FileNet. Besonders im Internet-Umfeld wurden eine Reihe von innovativen Produkten zu Standort- und plattformunabhängigen Zusammenführung von Informationen gezeigt. Zu den Anbietern gehören Firmen wie OpenText und andere.
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| · | E-Commerce goes Workflow |
E-Commerce ohne Workflow ist nicht möglich. Es müssen komplexe Abläufe zwischen Benutzer, Anbieter, Provider, Abrechnungsstellen, Lieferanten und anderen Beteiligten gesteuert werden. Fraglich ist jedoch, ob die herkömmlichen Workflow-Tools der arrivierten Anbieter hier die entscheidende Rolle spielen werden. Die technischen Workflow-Konzepte sind längst von den Internet-Startups vereinahmt worden. Die Anbieter der Datenbanken, die die „Backbones“ dieser Systeme bilden, bieten inzwischen selbst Workflow an (z. B. Oracle). Die gesamte DRT-Branche hat zwar ihre Produkte inzwischen internet-fähig gemacht, jedoch konzentrieren sich die Anbieter immer noch auf den professionellen Anwender im Büro. Der Sprung zu neuen Anwendungsfeldern und zu neuen Anwendergruppen ist noch nicht vollzogen. Die zunehmende Bedeutung von Dokumenten-Management fördert im Übrigen auch den Trend der Rezentralisierung. Rechenzentren und Provider werden zukünftig auch Archiv-, Groupware-, DMS- und Workflowdienstleistungen zentral anbieten, die von beliebigen Arbeitsplätzen im Büro, von zuhause und unterwegs mit Browser- und Applettechnologien genutzt werden können.
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| · | Knowledge Management: die Wiedergeburt der „Künstlichen Intelligenz“ |
Vieles von dem, was als Knowledge Management angekündigt worden war, entpuppte sich als „Hype“. Manche Anbieter hatten lediglich das neue Etikett auf seine vorhandene DMS-, Workflow-, Retrieval- oder Archivanwendung geklebt. Hier sind auch deutlich kulturelle Unterschiede feststellbar. In den USA wird viel lockerer und unverbindlicher mit dem Begriff „Wissen“ umgegangen und die Einbeziehung des Menschen als wesentlicher Faktor vergessen. Europa hat hier eine ganz andere Auffassung von Wissen und unterscheidet zwischen formalisierbaren Wissen, daß in technischen Systemen abgebildet werden kann, und Wissen, daß in den Köpfen der Menschen adhoc auf Grund von Erfahrungen und Assoziationen immer neu entsteht.
Häufig vollzog sich der Wandel von Dokumenten-Management- zum Knowledge Management-Produkt nur durch die Vergabe einer neuer Versions- oder Release-Nummer. Daneben ließe sich jedoch zahlreiche Ansätze für echte Wissenserschließung finden, die ihre Geburtszustande bereits in den 80er Jahren hatten, damals als Künstliche Intelligenz, Mustererkennung oder wissensbasiertes System. Die heute verfügbaren technischen Plattformen erlauben nunmehr Vieles, was in den 80er Jahren auf Grund verfügbarer Rechnerleistung, Infrastruktur oder Programmierumgebung im universitären und Forschungsumfeld steckengeblieben ist. „Neu entdeckt“ wurden linguistische Methoden der Informationserschließung, neuronale Netze und andere Algorithmen, die uns zukünftig helfen werden, der ungeheuren Informationsflut Herr zu werden.
Einen wichtigen Vorteil hat der neue Begriff Knowledge Management: mit dem „staubigen“ Thema Archivierung konnte man selten beim Vorstand oder der Geschäftsführung „landen“, mit Wissensmanagement ist dies kein Problem! (Kff)