Gastbeitrag von Nicolas Scheel,
Consultant in einer international tätigenden Unter-nehmens-beratung.
E-Mail nicolas.scheel@richtig-ecommerce.de
Webseite: http://www.richtig-ecommerce.de
Nicolas Scheel war von 2001 bis 2002 Mitglied des PROJECT CONSULT Teams.
Die Erweiterung und Entwicklung unseres Wissens können kontinuierlich und ohne großen finanziellen Aufwand erfolgen. Dieser Artikel gibt Anregungen, wie der eigene Horizont erweitert und hard und soft skills trainiert werden können. Entscheidend für den Erfolg des persönlichen Lernens sind weniger externe Förderungen, sondern die interne Motivation.
Das Konzept des „lebenslangen Lernens“ ist in aller Munde und hat den Einzug in bundespolitische Konzepte gefunden. Der alte Spruch „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ scheint nicht mehr zu gelten. Wie kann aber diese Idee im normalen Projektalltag und im Unternehmen umgesetzt werden? Dieser Artikel soll Beispiele und Anregungen geben, wie kontinuierliche Weiterbildung des einzelnen Mitarbeiters konkret gelebt werden kann und nicht notwendigerweise immense Budgets voraussetzt.
Horizonterweiterung
Wer kennt die Situation nicht? Egal ob Experte oder Projektleiter, man ist so in seinem Tagesgeschäft vertieft, dass kaum Zeit bleibt zu erfahren, was die Kollegen zwei Tische weiter besprechen oder welche Inhalte der „workstream C“ umfasst. Auch die Weiterentwicklung der Kundenstrategie oder das neue Release des Spring Frameworks klingen interessant. Aber wer hat schon Zeit, sich damit auseinanderzusetzen?
Hier haben sich aus meiner Sicht zwei Methoden bewährt. Auf Projektebene veranstalten wir ungefähr alle vier Wochen so genannte Brown Bag Sessions. Das Team trifft sich, und während die versammelte Mannschaft zu Mittag isst, wird ein Thema des Projekts oder des Kunden intensiv beleuchtet. Die Wahl des Themas ist dem jeweils Vortragenden überlassen, wir haben in letzter Zeit Interessantes über Middleware Architekturen, Wachstumsstrategie des Kunden, Business Rules, Sicherstellung der Verfügbarkeit der IT Infrastruktur und die Kerngeschäftsprozesse des Kunden (und unseres Projekts) erfahren. Die Themen sind also breit gestreut, aber genau das ist ja Sinn und Zweck der Horizonterweiterung.
Auf Unternehmensebene werden ungefähr alle acht Wochen Technology Briefing Sessions veranstaltet. In einem größeren Rahmen werden hier beispielsweise die Produktpalette von Partnerunternehmen vorgestellt, technologische Entwicklungen im Open Source Bereich präsentiert und kommentiert oder Projektergebnisse und Hilfsmittel demonstriert, die in anderen Projekten weiterverwendet werden können. Die Vortragenden sind hierbei sowohl interne als auch externe, so dass darauf geachtet werden muss, dass die Präsentationen inhaltlich überzeugen und nicht zu einem Sales Pitch verkommen.
Soft Skills
Die berühmten Soft Skills wie beispielsweise Präsentationstechniken, Moderationstechniken oder Rhetorik können selbstverständlich ebenfalls gelernt und weiterentwickelt werden. Am Beispiel der Präsentationstechniken möchte ich drei Varianten vorstellen, wie diese erlernt und vor allem verbessert werden können.
Mit Hilfe von Computer Based Trainings (CBT) kann sehr gut die Struktur einer Präsentation vermittelt werden. Was sind die Ziele meiner Präsentation? Wie entwerfe ich eine Storyline, um die Ziele zu vermitteln? Welche Medien sollte ich wie einsetzen? Diese Art von Fragen kann hervorragend in einem CBT oder alternativ natürlich auch mit Büchern beantwortet werden.
Schulungen mit professionellen Trainern vermitteln neben den Grundlagen der Präsentation insbesondere wertvolle Tipps, z.B. wie man seine Gestik wirkungsvoll einsetzt oder wie man die eigene Nervosität in den Griff bekommt. Darüber hinaus schätze ich das direkte Feedback in derartigen Schulungen, sei es von anderen Teilnehmern, von den Trainern oder auch per Video. Nur wenn ich weiß, wie ich auf andere wirke, kann ich mein Verhalten entsprechend steuern.
Um das Gelernte zu vertiefen und zu üben, organisieren wir in einer Gruppe von 10 Personen in regelmäßigen Abständen Soft Skill Trainings. Innerhalb einer Stunde bekommen zwei Personen die Gelegenheit zu einem Kurzvortrag. Thema, Sprache, Medien sind dabei völlig frei vom Präsentierenden zu wählen, so dass auch Raum für Experimente bleibt. Eine anschließende Feedbackrunde zeigt sowohl die guten als auch die verbesserungsfähigen Punkte des Vortrags auf.
Hard Skills
Das Erlernen der für die Berufsausübung notwendigen Fertigkeiten wird aus meiner Sicht von allen Unternehmen gefördert. Projektmanagementfähigkeiten, spezielle Java Expertise oder tiefes Know-How einer Standardanwendung sind Grundvoraussetzungen für die Durchführung der jeweiligen Arbeit.
Auch hier kann der Grundstein durch Seminare gelegt werden. Methoden und Tools für die Aufwandsschätzung können vorgestellt, eine Projektplanung durchgeführt und unterschiedliche Kennziffern für das Projektcontrolling vermittelt werden.
Wirklich detaillierte Kenntnisse der Thematik mit all ihren Feinheiten, Abhängigkeiten und Tücken werden nur durch ein langes Training-on-the-Job erworben. Hier vermischt sich auch stark Wissen mit Erfahrung, so dass es meiner Meinung nach keine „Abkürzung“ gibt.
Akademische Entwicklung
Waren die bisher vorgestellten Ideen recht eng an der aktuellen Arbeit des Mitarbeiters orientiert, so bietet eine Promotion oder der Abschluss eines MBAs die Gelegenheit, eine Betrachtung aus der Vogelperspektive vorzunehmen. Die unterrichteten Themen sind üblicherweise breit gefächert, so dass einerseits ein gewisser Abstand zur täglichen Arbeit gewahrt wird, aber andererseits die Ideen in die Praxis übertragen werden können. Unabhängig von der Entscheidung, den akademischen Abschluss parallel zur Arbeit oder freigestellt voranzutreiben, ist mit einem hohen Zeitaufwand zu rechnen.
Fazit
Lernen ist kein Zufall! Lernen ist nicht auf staatliche Förderung angewiesen! Lernen ist nicht abhängig vom Arbeitgeber! Jeder einzelne kann sich weiter entwickeln und die eigenen Kenntnisse erweitern oder verbessern. Es braucht nur Initiative und gute Ideen, die Förderung durch den Arbeitgeber oder den Staat sehe ich als kleines „Goodie“ on top.