Gastbeitrag von Stefan Pfeiffer,
Market Manager ECM & Lotus,
IBM Deutschland
E-Mail stefan.pfeiffer@de.ibm.com
Webseite: http://www.ibm.com Vom Mitmach-Web zum Mitmach-Unternehmen
Zu scannende Dokumente, COLD-Berichte vom Host, am PC erzeugte Dokumente, Tabellen und Präsentationen, Webseiten, E-Mails, Instant Messages, Wikis, Blogs und Twees. Diese Dokumentenarten kennzeichnen in hohem Maße auch die Entwicklung der vergangenen 15 Jahre in dem Segment, das wir heute Enterprise Content Management (ECM) nennen. Die Flut der elektronisch erzeugten Dokumente hat dramatisch zugenommen – und ein Ende ist angesichts von Twitter, Wikis und Blogs nicht abzusehen.
Trotz all dem hat sich aber an dem, was viele Anwender mit ECM-Systemen tun, nicht viel geändert. In vielen mittleren und grösseren Unternehmen – von der Bank über die Versicherung bis zur öffentlichen Verwaltung – gibt es zwei idealtypische Rollenprofile, den Sachbearbeiter und den Informationsarbeiter. Und das natürlich in allen Zwischentönen, Schattierungen und je nach Branche und Unternehmen in unterschiedlicher prozentualer Verteilung. Eine grosse deutsche Versicherung identifizierte 75 % Sachbearbeiter und 25 % Informationsarbeiter. Die Tätigkeit beider ist sehr stark durch Content geprägt. Deshalb nutzen sie Enterprise Content Management-Funktionalitäten in unterschiedlicher Ausprägung.
Im Blaumann strukturiert Prozesse abarbeiten
Der Sachbearbeiter, der moderne „Blaumann“ des Büros, bearbeitet strukturiert Vorgänge in standardisierter Form: der Kreditantrag, die Schadensregulierung in der Versicherung oder den Bauantrag. Meist wird noch immer zentral oder dezentral gescannt. Und ein Ende der klassischen Posteingangsverarbeitung ist auch noch lange nicht abzusehen. Diese Fall- und Sachbearbeitung wird oft durch Business Process Management unterstützt.
Die Sachbearbeiter setzen spezielle Oberflächen, Postkorb- und Fallbearbeitungslösungen ein. Operative Systeme sind für die Bearbeitung der Fälle angebunden. In der Regel werden grosse Dokumentenmengen, gescannte Schriftstücke, SAP- und Grossrechner-Output, Office-Dateien und vermehrt auch E-Mails verarbeitet. Dokumente werden in Akten strukturiert, ein weiteres Kennzeichen für diese Art der Arbeit. Es sind die Szenarien, wo gefordert wird, Prinzipien der industriellen Fertigung in der Nicht-Industrie umsetzen: von hochgradiger Standardisierung und Automatisierung von Prozessen bis zur Zentralisierung, Verlagerung und Outsourcing bestimmter „Zulieferfunktionen“. Es handelt sich um die Produktion jeder Versicherung, Bank oder öffentlichen Verwaltung. Und diese Art der „Produktion“ gibt es auch im Kundenservice von Telekommunikations- und Energieunternehmen ebenso wie in den Einkaufsabteilungen des Handels.
Im weißen Kragen zusammenarbeiten
Auf der anderen Seite es den Informationsarbeiter, natürlich im weissen Hemd gekleidet. Diese Projektarbeiter und Mitglieder von Stabsabteilungen arbeiten in der Regel keine Prozesse im Fließbandprinzip ab. Ihre Arbeit ist durch Kommunikation, Diskussion, Informations- und Dokumentenaustausch und Zusammenarbeit oft auch im dezentralen Team gekennzeichnet. Sie arbeiten in Projekten zusammen, erstellen Dokumente, die sie in der Gruppe teilen, diskutieren, prüfen, versionieren und genehmigen: Präsentationen, Tabellen, Texte und immer mehr E-Mails. In der Mehrzahl werden keine hohen Dokumentenvolumina produziert und verwaltet.
Beim Informationsarbeiter wäre es jedoch deutlich zu kurz gegriffen, dessen Arbeit nur auf Dokumente „sharen“ zu reduzieren. Sie haben einen extrem hohen Kommunikationsbedarf, der traditionell mit E-Mail befriedigt wurde (und noch wird). Funktionen wie Web Conferencing (Online-Konferenzen mit Chat, Teilen des Bildschirms, Abstimmungsfunktionen usw.) und Instant Messaging sind oder werden gerade für den Informationsarbeiter immer wichtiger. Auch Wikis und Blogs kommen vermehrt zum Einsatz und ergänzen und ersetzen teilweise das klassische Textverarbeitungs-Dokument. Gelbe Seiten – ob unternehmensintern oder in der unternehmensübergreifenden projektgruppe - können die Suche nach Experten erheblich vereinfachen. Gemeinsam vergebene und genutzte elektronische Eselsohren stellen eine hohe Informationsqualität der mit Lesezeichen versehen Webseiten und -inhalte sicher. Und kollaboratives Aktivitätenmanagement erlaubt auch dem „Information Worker“ Vorgänge strukturiert zu verfolgen.
Web 2.0-Technologien halten Einzug
Und genau an diesen Stellen halten Web 2.0-Technologien Einzug ins Unternehmen, können die Informations- und Kommunikationsqualität erhöhen und bei der Weiterentwicklung zum Enterprise 2.0 helfen. Die Informationsarbeiter profitieren durch ihr Tätigkeitsprofil zuerst von Enterprise 2.0-Tools profitieren, jedoch haben auch Sachbearbeiter ihre Vorteile. Über Instant Messaging können sie Adhoc-Rückfragen stellen und so die Fallbearbeitung beschleunigen – und so etwas ist gerade relevant in geographisch verteilten Szenarien. Wikis können als Nachschlagewerk Geschäftspraktiken einfach nachschlagbar dokumentieren. Blogs dienen als schwarzes Brett zur „Schichtübergabe“ in der industriellen Sachbearbeitungsfertigung.
Enterprise 2.0-Werkzeuge machen jedoch Enterprise Content Management nicht überflüssig. Tags können in vielen Szenarien nicht die geordnete Verschlagwortung über Metadaten ersetzen. Der strukturierte Aktenplan spielt in der Fallbearbeitung meist eine unverzichtbare Rolle. Enterprise 2.0-Tools werden wie oben beschrieben die Arbeit der Informations- und Sachbearbeiter unterstützen und ECM ergänzen. Daneben bleibt die Notwendigkeit nach unternehmensweitem Content Management, das in der Lage ist alle relevanten Inhalte im Lebenszyklus zu kontrollieren.
Was relevant ist, hat dabei unterschiedliche Facetten: Auch mit Enterprise 2.0-Werkzeugen generierter, kommunizierter und publizierter Content kann als Wissen sowohl im Sinne von Knowledge Management – zum Beispiel Wissen über „Best Practises“ - wie auch Informations Management - beispielsweise Wissen über Kunden - relevant und aufbewahrungswürdig sein. Und Wiki- und Blogeinträge können ebenso wie Instant Messages auch unter Compliance-Gesichtspunkten relevant sein. Sicherlich besteht bei letzterem kein Grund, „Compliance“-Panik zu verbreiten, aber die bewusste und durchdachte Risikoabschätzung und Entscheidung, welche Inhalte ich im Lebenszyklus kontrolliere, sollte Pflicht sein – gerade einer verantwortungsvollen Unternehmensleitung.