20090226 (Teil 2) \  Gastbeiträge \  Electronic Invoicing – Quo Vadis?
Electronic Invoicing – Quo Vadis?
Kritische Anmerkungen zum Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission1
Gastbeitrag von Stefan Groß, Steuerberater, CISA 
PSP P
eters, Schönberger & Partner, 
E-Mail:
S.Gross@psp.eu 
Webseite:
http://www.psp.eu/ 
Die Europäische Kommission hat am 29. Januar 2009 einen Richtlinienvorschlag angenommen, mit dem die Mehrwertsteuerrichtlinie 2006/112/EG in Bezug auf die Regelung für die Rechnungstellung geändert werden soll2. Der Kern des Vorschlages zielt darauf ab, Papierrechnungen und elektronische Rechnungen künftig gleich zu stellen und bisherige Vorgaben, wonach die elektronische Rechnungsübermittlung entweder einer elektronischen Signatur oder eines sog. EDI-Verfahrens bedarf, zu streichen. So verlockend dieser Vorschlag klingt, selbst bei größtem Optimismus ist mit keiner Änderung vor 2013 zu rechnen, verlangt eine Änderung der MwStSystRL doch die Einstimmigkeit aller Mitgliedstaaten der EU. Doch was hat die Praxis von diesem Regelungsvorstoß zu erwarten?
Sei es in der Kommunikation mit Finanzämtern, Gerichten oder Geschäftspartnern, die qualifizierte elektronische Signatur befindet sich im elektronischen Rechts- und Geschäftsverkehr auf dem Vormarsch und es spricht einiges dafür, dass sich das Signaturverfahren zum Standard bei der elektronischen Übermittlung vertraulicher Dokumente und Daten entwickelt. Das Thema Rechnungsstellung wird damit beiläufig, sozusagen im Gesamtkontext gelöst. Bedenkt man, dass die Unternehmen bereits heute danach streben, ihre Prozesse unter Beachtung der derzeit geltenden Rechtslage zu optimieren, stellt sich weiter die berechtigte Frage, ob man das Vertrauen in den elektronischen Rechtsverkehr dadurch fördern würde, indem man eine bis 2013 etablierte Authentifizierungskultur nur für Zwecke der Umsatzsteuer zurückfährt. Vielmehr könnte es sein, dass hierdurch die im Wirtschaftsleben unverzichtbare Integrität und Authentizität konterkariert würde.
Aus nationalen Erwägungen ist kaum vorstellbar, dass der deutsche Steuergesetzgeber vor dem Hintergrund des massiven Umsatzsteuerbetruges auf die bislang geforderten Sicherheitsmerkmale gänzlich verzichtet. Es ist wohl vielmehr davon auszugehen, dass unabhängig von den Erfolgsaussichten des Richtlinienvorschlages stets ein Mindestmaß an Sicherheit gefordert sein wird. Hier bleibt die qualifizierte elektronische Signatur eine Möglichkeit diesem Anspruch auch über 2013 hinweg gerecht zu werden. Die Europäische Kommission wäre hingegen schlecht beraten, wenn man sich lediglich auf eine abstrakte und allgemein gehaltene Vorgabe zur Sicherheit im elektronischen Rechtsversand verständigen könnte. Diese würde nicht nur die dringend geforderte Standardisierung des elektronischen Rechnungsversandes in weite Ferne rücken lassen, vielmehr würde wohl auch ein Basar an Möglichkeiten und Missinterpretationen eröffnet.
Der medienwirksame Vorstoß der Europäischen Kommission lässt viele Fragen unbeantwortet und vermag dem elektronischen Rechnungsversand nur schwerlich die benötigten Impulse zu verleihen. Kritisch betrachtet wird der propagierte Königsweg so schnell zum Stolperpfad. Aktuell notwendige Investitionen werden unnötig hinterfragt und Einsparpotenziale, die sich heute durch den elektronischen Rechnungsversand erzielen ließen, fallen möglicherweise erhofften Vereinfachungen des Jahres 2013 zum Opfer. Viel wichtiger erscheint es dagegen, bestehende Anachronismen wie etwa die Vorgaben zu Telefax-Rechnungen oder elektronischen Gutschriften zu beseitigen und damit dem Thema eine unmittelbare Attraktivität zu verleihen. Im europäischen Kontext bedarf es einer einheitlichen Lösung, welche den bestehenden Interpretationswildwuchs beseitigt. Gefordert sind einheitliche länderübergreifende Vorgaben, die es den Unternehmen ermöglichen einfach, standardisiert und rechtssicher von den Vorteilen des elektronischen Rechnungsaustausches zu profitieren.
 


1
 vgl. ausführlich Groß/Hallermann/Lindgens in Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht (UVR) 2009 Nr.4
2
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