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Verkanntes Medium Dokument
Gastbeitrag von Rudi Kulzer,  
Journalist für Themen aus Technik und Kultur
 
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Das Arbeiten mit Dokumenten wird von der Gesellschaft, auch von der Presse, kaum wahrgenommen, ist aber von grundlegender Bedeutung.
Das Problem ist bekannt: Wir haben schon seit Jahren nicht zu wenig, sondern zu viel Informationen. Das zeigt sich allein schon an der täglichen Flut von E-Mails, die unsere digitalen Briefkästen verstopfen. Auch der tägliche Umgang mit digitalen Dokumenten fällt uns schwer. Wir sind weit entfernt davon, damit unbewusst so leicht umzugehen, wie diese noch in Zeiten eines Papierdokuments aus einem Aktenordner der Fall war. Hier ist mehr Bewusstsein in allen Bevölkerungsschichten notwendig. Dazu müsste auch die Presse mehr Aufklärungsarbeit leisten.
Schriftliche und bildliche Dokumente begleiten die Menschheit schon seit ihren frühen Tagen. Das reicht von den Wandmalereien steinzeitlicher Höhlen über die Tontäfelchen Mesopotamiens, den Papyri der Ägypter, den Pergamenten des Mittelalters, den Buchdruck bis zu den Aktenbergen des modernen Industriezeitalters.
Durch die technischen Möglichkeiten der Digitalisierung sind nun seit etwa 20 Jahren mit einer völlig neuen Kulturtechnik konfrontiert, die eine Menge Licht und Schatten in sich birgt: So sind wir einerseits durch die Möglichkeit des leichten Kopierens mit einer nicht mehr zu bändigenden Datenflut konfrontiert, während gleichzeitig die gespeicherten Dokumente auf den neuen Medien doch eine raschere Verfallsdauer haben als uns lieb ist.
Finanzkrise bringt Dokumentenprobleme in Rampenlicht
Die Diskussion um die Schuldigen der derzeit weltweiten Finanzkrise ist voll im Gang. Doch das Thema betrifft nicht nur Banker und Politiker, sondern auch die IT-Industrie, ist sie doch für die Werkzeuge des nötigen Dokumenten- und Content-Management verantwortlich. Hier herrscht leider noch reichlich Chaos – von den Begriffen wie Compliance bis zu den mittlerweile reichlichen Angeboten der Softwareindustrie. Zahlreiche Programme versprechen Abhilfe. Doch der Markt ist verwirrend.
Dabei liefern die Nachrichten zur weltweiten Finanzkrise täglich eindrucksvolles Anschauungsmaterial zu einem diesem wichtigen Thema: Dokumentenmanagement, heute häufig auch Enterprise Content Management (ECM) genannt spielt eine große Rolle. Das auf den ersten Blick eher tröge anmutende Thema ist der Stoff, aus dem der Ärger für die Verantwortlichen der Krise gemacht ist - denn die Entschuldigung von Vorständen und Aufsichtsräten, man habe das Alles nicht gewusst oder nicht wissen können, zählt bei genauerer Betrachtung nicht.
Die Bosse müssen zwar nicht jeden einzelnen Rechnungsbeleg persönlich prüfen, sind jedoch per Gesetz verpflichtet, dass die nötigen Instrumentarien in ihren Unternehmen installiert sind und genutzt werden. Ist das nicht der Fall, können sie dafür durchaus ins Gefängnis gehen, zumindest in den USA. Hierzulande ist man noch nicht ganz so weit, doch das wird angesichts der Nachbearbeitung der schweren Krise noch kommen.
Außerhalb des englischsprachigen Raums ist der international gängige Begriff für das Thema Verantwortung durch Offenlegen der Daten – Compliance – ist nur schwer greifbar. Nach Ansicht des Herausgebers des vorliegenden Newsletter, Ulrich Kampffmeyer, sorgt der Begriff Compliance bei vielen Firmenkunden für Verunsicherung. Der Grund: Zahlreiche Anbieter vermarkten inzwischen ihre Produkte unter dem Etikett „Compliance“ – nicht nur herkömmliche Anbieter von DMS- und ECM-Lösungen, sondern auch Hersteller von Speichersystemen, Management-Informations-Programmen und ERP-Lösungen.
Dokumente gehören in ihren Zusammenhang
E-Mails und ihre Anhänge gehören in einen fachlichen Zusammenhang, in elektronische Kunden-, Produkt- oder Vorgangsakten. E-Mails separat zu archivieren bringt mittelfristig mehr Probleme denn Vorteile. Das Gleiche gilt für steuerrelevante Daten. Sie separat und nur für den Steuerprüfer aufzubewahren ist unwirtschaftlich. Auch dedizierte Systeme nur für Daten aus dem ERP oder nur für gescannte Dokumente sind aus Compliance-Gesichtspunkten nicht empfehlenswert.
Kampffmeyer bringt das Problem auf den Punkt:  „Es muss eine Angleichung der elektronischen Welt an die Papierwelt stattfinden. Nur mit einem komplett neuem Rahmenwerk von Gesetzen und Richtlinien können allgemeingültige und gerechte Grundlagen für Information Management Compliance geschaffen werden.“
Archivierung und neue Medien
Neben den rechtlichen und verwaltungstechnischen Fragen der Dokumentenverarbeitung spielt das Bewahren und Sichern der Daten, mit einem Wort die Archivierung eine fundamentale Rolle, sowohl in Unternehmen aller Größen wie mittlerweile auch im privaten Lebensbereich. Für die Archivierung der Unternehmensdaten gibt es zahlreiche Angebote, der Qualität nach den bereits geschilderten Anforderungen an DMS/ECM und Compliance beurteilt werden muss. Durch den elektronischen Vertrieb von Medien wie Musik und Film hat das Thema digitale Archivierung auch unser Privatleben erreicht.
Mit dem zunehmenden Bedarf von privaten Daten hat sich Wissenschaftsredakteur Helmut Martin-Jung von der Süddeutschen Zeitung in seinem Artikel „Wider den digitalen Zerfall“ vom 23.2.2009 lobenswert auseinandergesetzt. Der moderne „homo computeriensis „ vertraue unersetzliche Erinnerungen auf digitalen Fotos, die MP3-Musikdateien aus dem Internetshop, Tagebücher - mit einem Wort alles, was sich digitalisieren lässt elektronischen Medien an.  Doch erstaunlich viele tun erstaunlich wenig, ihre digitalen Schätze vor dem plötzlichen Sturz in den elektronischen Orkus zu bewahren, so Martin-Jung.
Dabei ist sei weder eine Geheimwissenschaft, seine Daten zu sichern, noch besonders kompliziert oder teuer. Eine sehr komfortable Möglichkeit zumindest für Windows-Nutzer ist der Home Server von Microsoft - eine Software, die auf einem älteren Rechner eingesetzt werden kann, ausreichend Speicherplatz auf Festplatten vorausgesetzt.
Auf der Softwareseite gebe es eine Reihe von Datensicherungsprogrammen, mit großen Unterschieden. Entscheidend ist vor allem die Fähigkeit, Windows-Rechner im laufenden Betrieb zu sichern und die gesicherten Daten im Falle des Falles korrekt wieder zurückzuspielen. Obwohl das die eigentliche Aufgabe solcher Programme ist, scheitern dennoch viele daran. Auch Windows bietet keine so leistungsfähige eingebaute Datensicherung wie Apples „Time Machine“, so Martin-Jung. Als gut haben sich in unabhängigen Tests unter anderem die Programme „True Image“ von Acronis und „Shadow Protect“ von Storagecraft erwiesen.
Billiger, aber auch mühsamer und weniger sicher seit es, seine Daten auf optischen Medien wie CD und DVD zu speichern. Auf eine CD passen ohnehin nur 700 Megabyte an Daten und die reichen nicht einmal für einen DVD-Film. DVDs und CDs sind außerdem nicht gerade die sichersten Speichermedien. Die organische Schicht, auf die die Daten eingebrannt werden, zersetzt sich mit der Zeit unweigerlich von selbst.
Die Eroberung der Haushalte durch die digitalen Medien und die damit verbundenen Zwänge zur Speicherung bieten aber die Chance, dass ein verbessertes Bewusstsein zur Kulturtechnik Dokumentenverarbeitung entsteht.
 
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